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  BFH-Urteil vom 6.11.1991 (XI R 41/88) BStBl. 1992 II S. 335

Verzichtet ein Gesellschafter in einem Einzelfall gegen Entgelt auf die Ausübung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse (hier: Ausübung eines Kündigungsrechtes), liegt darin nicht die Veräußerung eines Teils seines Mitunternehmeranteils.

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG; Komplementärin ist eine GmbH. Zu den Kommanditisten der Klägerin gehört u. a. die A-GmbH (A). Gesellschafter der A waren die B-Gesellschaft und die G-GmbH. Durch Vertrag vom 30. Juni ... war die A als Kommanditistin und stille Gesellschafterin bei der Klägerin aufgenommen worden. Nach § 15 des Vertrages kann die A durch Beschluß der Gesellschafterversammlung der Klägerin mit einer Mehrheit von 70 % der vertretenen Stimmen aus der Gesellschaft fristlos zu Buchwerten ausgeschlossen werden, wenn ein Gesellschafter der A seinen Anteil oder Teile seines Anteils an Dritte veräußert oder auf andere Weise aus der Gesellschaft ausscheidet. Die Kapitalanteile der A an der Klägerin wachsen dann den verbleibenden Gesellschaftern (Altgesellschafter) im Verhältnis ihrer Beteiligung zu.

Mit notariellem Vertrag veräußerte die B-Gesellschaft ihren fünfzigprozentigen Anteil an der A von nominell 3 Mio DM der D-Gesellschaft zum Preis von 6 Mio DM. Zuvor hatten die Altgesellschafter beschlossen, von ihren Rechten gemäß § 15 des A-Aufnahmevertrages unter der Voraussetzung keinen Gebrauch zu machen, daß die D-Gesellschaft unter Beibehaltung der bisherigen Beteiligungsquote an Stelle der B-Gesellschaft in die A-GmbH eintritt und den Altgesellschaftern bei Übernahme der Anteile einen Ausgleichsbetrag von 1,5 Mio DM zahlt.

Die Betriebsprüfung behandelte den Betrag als voll steuerpflichtige Gegenleistung für den Verzicht auf die Inanspruchnahme eines Rechtes. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte den Gewinn entsprechend fest.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Der den Altgesellschaftern gezahlte Betrag ist kein Veräußerungsgewinn i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

a) Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist nicht nur dann erfüllt, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Anteil vollständig an die übrigen Gesellschafter oder an einen Dritten veräußert. Die Regelung ist auch anzuwenden, wenn die Anteilsrechte in sonstiger Weise verändert werden, z. B. wenn die Gesellschafter nur einen Teil ihrer Beteiligung veräußern (mit entsprechend niedrigerer Gewinnbeteiligung) oder wenn die Gesellschafter eine andere Beteiligung am Gewinn oder Verlust vereinbaren, ohne die bisherigen Kapitalkonten zu verändern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Mai 1981 I R 123/77, BFHE 133, 412, BStBl II 1982, 211; Schulze zur Wiesche, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1985, 55, 57). Ob dies auch gilt, wenn andere mit der Beteiligung verbundene Befugnisse gegen Entgelt eingeschränkt werden (hierzu Schulze zur Wiesche, a. a. O.), kann dahinstehen. Jedenfalls ist die Bestimmung nicht anwendbar, wenn die Gesellschaftsanteile inhaltlich unverändert bleiben und nur im Einzelfall auf die Ausübung eines Gesellschafterrechts verzichtet wird.

Im Streitfall haben sich die Altgesellschafter die Nichtausübung ihres Kündigungsrechts vergüten lassen. Sie haben nichts veräußert, sondern gegen Entgelt auf die Möglichkeit des Hinzuerwerbs verzichtet; ihre (vermögensmäßige) Beteiligung - ihre Beteiligung am Gewinn und ihr Anteil an den stillen Reserven - hat sich nicht zugunsten des neu eintretenden Gesellschafters verändert.

b) Der Argumentation der Klägerin, daß die Nichtausübung des Kündigungsrechts einem Durchgangserwerb und der Veräußerung der stillen Reserven gleichkomme, kann nicht gefolgt werden. Der Besteuerung sind tatsächliche, nicht hypothetische Geschehensabläufe zugrunde zu legen. Der Durchgangserwerb hätte den Ausschluß der A und ihre anschließende Wiederaufnahme als Gesellschafterin vorausgesetzt. Auch ist fraglich, ob es bei drohender Kündigung überhaupt zu dem Geschäft gekommen wäre und ob nach erfolgter Kündigung die Altgesellschafter den ihnen zugewachsenen Anteil lediglich zum Buchwert zuzüglich eines Betrages von 1,5 Mio DM veräußert hätten; die D-Gesellschaft wendete immerhin einen Betrag von 7,5 Mio DM für ihren Anteil an der A auf.