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  BFH-Urteil vom 28.11.1991 (XI R 35/89) BStBl. 1992 II S. 343

Ein durch Einbruchdiebstahl eingetretener Geldverlust führt bei einem Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nur dann zu einer Betriebsausgabe, wenn der betriebliche Zusammenhang anhand konkreter und objektiv greifbarer Anhaltspunkte festgestellt ist.

EStG § 4 Abs. 3 und 4.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Makler für Versicherungen und Finanzierungen. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Am 30. Dezember 1987 wurde bei ihm eingebrochen; es wurden eine Kassette mit Bargeld, eine Kassette mit Schmuck, private Gegenstände sowie Kleidung, Stereoanlage, Münzen und dergl. entwendet. Die Haftpflichtversicherung stellte bei einem Bargeldverlust von 16.000 DM den Gesamtschaden auf 38.254 DM fest und ersetzte dem Kläger insgesamt 23.754 DM. Gemäß den Versicherungsbedingungen wurde das gestohlene Bargeld nur in Höhe von 1.500 DM ersetzt. Der Polizei meldete der Kläger einen Bargeldverlust von 19.000 DM und errechnete abzüglich der Erstattung durch die Versicherung einen Totalverlust von 24.907 DM, den er in Höhe von 24.675 DM als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend machte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht und erkannte auch keine entsprechende außergewöhnliche Belastung an (Einspruchsentscheidung vom 15. September 1988).

Nachdem der Kläger im Einspruchsverfahren noch vorgebracht hatte, er müsse laufend Bargeld zu Hause haben, um die erforderlichen Provisionsrückzahlungen erbringen zu können, machte er im Klageverfahren geltend, das Geld zum Kauf eines betriebsnotwendigen PKW vom Typ Porsche bereitgehalten zu haben. Mitte November 1987 habe er 21.550 DM vom Konto abgehoben. Am 26. November habe er den PKW unter Anzahlung von 2.000 DM "vorab" gekauft. Die restlichen 19.000 DM seien dann am 30. Dezember 1987 gestohlen worden. Die Angabe von 16.000 DM in der Aufstellung der Versicherung beruhe auf einem Versehen.

Das FA hat im Klageverfahren darauf hingewiesen, daß der über die Anzahlung ausgestellte Beleg den Vermerk "geliehen und rück" trage.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in Höhe eines Geldverlustes von 17.500 DM statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Abs. 4 EStG.

Unter dem 3. April 1991 hat das FA einen geänderten Bescheid erlassen. Der Kläger hat den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Geldverluste können zu Betriebsausgaben führen, wenn das schadenstiftende Ereignis dem betrieblichen Bereich entstammt. Aus diesem Grunde hat die Rechtsprechung Verluste aus Gelddiebstählen durch Betriebsangehörige zu den Betriebsausgaben gerechnet, selbst wenn davon Privatvermögen des Betriebsinhabers betroffen worden sein sollte (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Mai 1976 IV R 79/73, BFHE 119, 156, BStBl II 1976, 560). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben; der beim Kläger verübte Einbruchdiebstahl stand nicht in Zusammenhang mit seiner betrieblichen Betätigung.

Gleichwohl können die durch den Einbruch entstandenen Einbußen zu Betriebsausgaben führen, wenn hiervon Betriebsvermögen im Unternehmen des Klägers betroffen war. Die betriebliche Veranlassung wäre hierbei durch die Zweckbestimmung der betroffenen Wirtschaftsgüter hergestellt, mag sich der Einbruch wie ein sonstiges schadenstiftendes Ereignis auch als ein neutraler, nicht dem Betrieb zuzurechnender Vorgang darstellen. Hiervon ist auch bei einem Steuerpflichtigen auszugehen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt; denn auch ein solcher Steuerpflichtiger kann über Betriebsvermögen verfügen (BFH-Urteil vom 12. Juli 1990 IV R 137-138/89, BFHE 162, 34, BStBl 1991, 13; Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 830, unter C II 6).

Ob ein Bargeldbestand betrieblichen oder privaten Zwecken dient, läßt sich allerdings oft nicht ohne weiteres feststellen, weil er sowohl für betriebliche als auch für private Zwecke eingesetzt werden kann. Im Falle der Überschußermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG hat der BFH daher verlangt, daß der betriebliche Zusammenhang durch eine geschlossene Kassenführung und eine klare Trennung zwischen betrieblichen und privaten Geldzugängen dargetan wird; nur unter dieser Voraussetzung könne ein durch Diebstahl verursachter Geldverlust zu Betriebsausgaben führen (Urteil vom 25. Januar 1962 IV 221/60 S, BFHE 75, 271, BStBl III 1962, 366). Ob das entwendete Geld dem Betriebsvermögen zuzuordnen war, kann aber auch unter Einbeziehung weiterer Anhaltspunkte geprüft werden; hierbei kann die Aufbewahrung des Geldes im betrieblichen Bereich oder die Bereithaltung eines abgezählten Betrages zur Begleichung einer betrieblichen Verbindlichkeit berücksichtigt werden.

Das angefochtene Urteil enthält derartige Feststellungen nicht. Es beschränkt sich vielmehr auf die Bemerkung, der Senat glaube dem Kläger, daß er das gestohlene Bargeld aus betrieblichem Anlaß bei sich aufbewahrt habe. Aus welchen Merkmalen der betriebliche Zusammenhang abgeleitet wird, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG daher näher ermitteln müssen, ob der Betrag dem Betriebsvermögen zuzurechnen war. Hierfür kann von Bedeutung sein, ob die Geldsumme von einem betrieblichen Konto abgehoben wurde und ob sie gesondert von den zum Privatverbrauch bestimmten Geldbeträgen aufbewahrt wurde. Darüber hinaus wird zu klären sein, ob sich die Absicht des PKW-Kaufs bei Abhebung des Geldbetrages schon konkretisiert hatte, ob insbesondere bereits über die Höhe des Kaufpreises Einvernehmen erzielt worden war und was es mit der sog. Anzahlung auf sich hatte.