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  BFH-Urteil vom 12.9.1991 (IV R 8/90) BStBl. 1992 II S. 347

Ein Fabrikationsgrundstück ist regelmäßig wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (Anschluß an BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Errichtung des Betriebsgebäudes, der Vermietung und der Aufnahme des Betriebs in diesem Gebäude besteht.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) betreiben seit 1965 ein lüftungstechnisches Unternehmen, zunächst in Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ab dem 1. Januar 1978 in Form einer GmbH; sie waren bzw. sind zu je 50 v. H. an den Unternehmen beteiligt.

Mit Kaufvertrag vom 28. Juli 1977 erwarben sie je zur Hälfte das unbebaute Grundstück A-Straße 91 in B, das sie mit einer Betriebshalle mit Büro- und Sozialräumen bebauten. Die Baukosten beliefen sich auf 417.560 DM. Tag der Bauabnahme war der 21. März 1978. Ab dem 1. April 1978 vermieteten sie die Halle an die GmbH, die ihr Unternehmen bis dahin in anderweitig gemieteten Räumen betrieben hatte. Die Mietzahlungen der GmbH erklärten sie als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Anläßlich einer Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zu dem Ergebnis, die Einkünfte aus der Vermietung der Betriebshalle seien - wegen Vorliegens einer sog. unechten Betriebsaufspaltung - als gewerblich anzusehen. Das FA änderte dementsprechend den Gewinnfeststellungsbescheid 1980 und erließ erstmalig einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1981, einen Gewerbesteuermeßbescheid für 1980 sowie Bescheide zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978, 1979, 1980 und 1981.

Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage zum Finanzgericht (FG). Sie machten geltend, sie hätten das Grundstück, das verkehrsgünstig in der Nähe der Autobahn nach verschiedenen Großstädten liege, als private Vermögensanlage erworben. Sie hätten die Halle ursprünglich an fremde Unternehmen vermieten wollen, jedoch wegen eines Konjunkturabschwungs keinen Mieter gefunden. Nur deshalb hätten sie sich entschlossen, die Halle an die GmbH zu vermieten.

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, daß die in Rede stehende Halle nicht für die Erfordernisse der GmbH hergerichtet worden sei (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1985 VIII R 342/82, BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299; vom 25. Oktober 1988 VIII R 339/82, BFHE 154, 539, Finanz-Rundschau - FR - 1989, 18).

Hiergegen wendet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der Verstoß gegen materielles Recht gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Grundstücksvermietung durch die Kläger stellt sich als gewerbliche Tätigkeit dar, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entfaltet wird.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine derartige Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn einer Kapitalgesellschaft wesentliche Grundlagen ihres Betriebs überlassen werden (sachliche Verflechtung) und die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können (personelle Verflechtung - vgl. BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63).

An der personellen Verflechtung können im Streitfall keine Zweifel bestehen, weil die Kläger jeweils zur Hälfte am Betriebs- wie am Besitzunternehmen beteiligt waren.

Im Gegensatz zur Auffassung des FG handelt es sich bei dem der GmbH überlassenen Grundstück auch um eine wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen.

Ein Grundstück ist unabhängig von seiner baulichen Gestaltung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung für das Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn der Betrieb derart von der Verbindung mit dem Grundstück abhängig ist, daß er an anderer Stelle nicht in der bisherigen Weise fortgeführt werden kann, was insbesondere für ein Hotel, ein Restaurant, aber auch für ein von seiner Lage abhängiges Einzelhandelsgeschäft angenommen worden ist (BFH-Urteile vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, m. w. N.; vom 7. August 1990 VIII R 110/87, BFH/NV 1991, 93).

Grundstücke, die der Fabrikation dienen, gehören nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (z. B. BFH-Urteile vom 12. März 1970 I R 108/66, BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439; vom 26. Juni 1975 IV R 59/73, BFHE 116, 160, BStBl II 1975, 700; vom 15. Mai 1975 IV R 89/73, BFHE 116, 277, BStBl II 1975, 781; vom 24. Februar 1981 VIII R 159/78, BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379). Denn bei Fabrikgrundstücken sind die Gebäude durch ihre Gliederung oder sonstige Bauart in der Regel dauernd für den Betrieb eingerichtet oder nach Lage, Größe und Grundriß auf den Betrieb zugeschnitten (Urteile in BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, unter 7.; vom 1. Februar 1990 IV R 91/89, BFH/NV 1990, 562; vom 10. April 1991 XI R 22/89, nicht veröffentlicht; ähnlich Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 Satz 6 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1987 und Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 EStR 1990).

Im Streitfall hat das FG die sachliche Verflechtung mit der Begründung verneint, daß die in Rede stehende Halle nicht für die Erfordernisse der GmbH hergerichtet worden sei. Diese Auffassung ist mit den vorstehend dargestellten Grundsätzen nicht vereinbar. Besteht ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der Errichtung des Betriebsgebäudes, der Vermietung und der Aufnahme des Betriebs in diesem Gebäude, ist regelmäßig davon auszugehen, daß das Gebäude durch seine Gliederung oder sonstige Bauart dauernd für den Betrieb eingerichtet oder nach Lage, Größe und Grundriß auf den Betrieb zugeschnitten ist. Der VIII. Senat hat auf Anfrage dieser Auffassung zugestimmt.

Vorliegend ist ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang gegeben. Das streitige Grundstück war mit Kaufvertrag vom 28. Juli 1977 erworben worden. Tag der Bauabnahme war der 21. März 1978. Ab dem 1. April 1978 vermieteten die Kläger das Gebäude an die GmbH, die auch ohne erkennbare Verzögerung den Betrieb dort aufnahm.

2. Die Kläger können auch mit dem im finanzgerichtlichen Verfahren "hilfsweise" gestellten Antrag, den Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zu kürzen (erweiterte Kürzung für Grundbesitz bei Grundstücksunternehmen) keinen Erfolg haben. Infolge ihrer Verflechtung mit der Betriebsgesellschaft ist in der Verpachtung durch die Besitzgesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit zu sehen (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686; vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688; vom 11. Dezember 1974 I R 260/72, BFHE 114, 433, BStBl II 1975, 266).

3. Schließlich kann den Klägern auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Erhebung der Gewerbesteuer verstoße gegen zwingendes Recht der Europäischen Gemeinschaften (EG). Die Kläger sind der Meinung, es führe zu einer Wettbewerbsverzerrung, wenn die Bundesrepublik Deutschland als einziges Land der EG Gewerbesteuer erhebe. Die Wettbewerbsbedingungen in den einzelnen Ländern sind indessen nicht von der Zahl der Steuerarten, sondern - neben vielfachen anderen Faktoren - von der steuerlichen Gesamtbelastung abhängig.