| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 27.6.1991 (VI R 3/87) BStBl. 1992 II S. 365

1. Hat ein Arbeitgeber eine Dienstreise-Kaskoversicherung für die seinen Arbeitnehmern gehörenden Kfz abgeschlossen, so führt die Prämienzahlung bei den Arbeitnehmern nicht zum Lohnzufluß.

2. Der Arbeitgeber kann in einem solchen Fall seinen Arbeitnehmern bei pauschaler Fahrtkostenerstattung jedoch nur die um die Kosten für die Dienstreise-Kaskoversicherung geminderten km-Pauschsätze des Abschn. 25 Abs. 8 Satz 3 LStR 1978 und 1981 (nunmehr Abschn. 38 Abs. 2 LStR 1990) nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei ersetzen; eine Kürzung der km-Pauschsätze kommt bei den Arbeitnehmern nicht in Betracht, die selbst eine Fahrzeug-Vollversicherung für ihr Kfz abgeschlossen haben.

EStG 1975 § 3 Nr. 16, § 19 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1987, 179)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloß zugunsten ihrer Arbeitnehmer eine "Dienstreise-Kaskoversicherung" ab. Der Versicherungsschutz - Fahrzeugvollversicherung - bezog sich auf private Kfz, soweit diese von den Arbeitnehmern zu Dienstfahrten benutzt wurden. Der Versicherungsbeitrag belief sich auf 0,024 DM je Kilometer Fahrleistung. Den Arbeitnehmern zahlte die Klägerin für die Dienstreisen eine steuerfreie Kilometerpauschale von 0,32 DM (bis 30. Juni 1979) bzw. 0,36 DM (ab 1. Juli 1979).

Im Anschluß an eine Lohnsteuer-Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die von der Klägerin gezahlten Versicherungsprämien als Arbeitslohn an. Die hierauf entfallende Lohn- und Kirchenlohnsteuer forderte das FA von der Klägerin nach. Diese hatte beantragt, die Lohnsteuer für die Versicherungsprämien nach § 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu pauschalieren.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage gegen den Nachforderungsbescheid statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 179). Es führte im wesentlichen aus, die Prämienzahlung stelle für die Arbeitnehmer keine Einnahme dar. Die Versicherung biete den Arbeitnehmern lediglich die Möglichkeit, ggf. Schadensersatz zu erhalten, wobei es aber ungewiß sei, ob und wann überhaupt ein Schadensereignis eintrete. Eine Bereicherung der Arbeitnehmer sei mit den Prämienzahlungen noch nicht verbunden. Sähe man schon in den Zahlungen einen Vorteil, so wäre dieser aufgedrängt, da die Arbeitnehmer sich ihm nicht hätten entziehen können. Die Arbeitnehmer würden durch die Prämienzahlungen auch deshalb nicht bereichert, weil nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber grundsätzlich den Ersatz des Schadens verlangen könne, der während einer Dienstfahrt durch Unfall an seinem PKW entstanden sei (z. B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 8. Mai 1980 3 AZR 82/79, Der Betrieb - DB - 1981, 115). Prämienzahlungen des Arbeitgebers mit dem Ziel, sich wirtschaftlich vor solchen Ansprüchen der Arbeitnehmer abzusichern, führten nicht zu steuerbaren Einnahmen der Arbeitnehmer.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG sowie die Nichtbeachtung des § 3 Nr. 16 EStG i. V. m. Abschn. 25 Abs. 8 und 9 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1978 und 1981.

Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Das FG hat die Zahlung der Prämien für die Dienstreise-Kaskoversicherung durch die Klägerin im Ergebnis zutreffend nicht als Lohnzufluß bewertet.

a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG neben den als Gehälter, Löhne, Gratifikationen und Tantiemen vereinbarten Einnahmen auch alle anderen Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Bezüge und Vorteile in diesem Sinne sind Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die für eine Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Dienst zugeflossen sind. Dies ist der Fall, wenn der geldwerte Vorteil durch das individuelle Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt worden ist, d. h. wenn die Leistung des Arbeitgebers sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Eine solche Veranlassung ist zu verneinen, wenn der Arbeitgeber die Leistung aufgrund eines ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses erbracht hat (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726).

b) Im Streitfall liegt jedenfalls deshalb kein Arbeitslohn vor, weil die Vorteile, die den Arbeitnehmern der Klägerin mit den Prämienzahlungen für die Dienstreise-Kaskoversicherung möglicherweise zuflossen, nicht durch das jeweilige individuelle Arbeitsverhältnis veranlaßt waren. Denn die Klägerin hat die Vollkaskoversicherung in ihrem ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse abgeschlossen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies bereits aus den vom FG angestellten Erwägungen zutrifft, wonach die Prämienzahlungen für die Arbeitnehmer allenfalls einen aufgedrängten Vorteil darstellten (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, 42). Ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin ergibt sich jedenfalls daraus, daß der Versicherungsschutz zwar die Privatfahrzeuge der Arbeitnehmer erfaßte, aber ausdrücklich nur für Dienstfahrten galt. Diese Ausgestaltung ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BAG-Urteil in DB 1981, 115) der Arbeitgeber grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, den der Arbeitnehmer durch Unfall auf einer Dienstfahrt mit dem eigenen PKW erlitten hat. Durch die Dienstreise-Kaskoversicherung deckte die Klägerin im Ergebnis nur ihr eigenes Haftungsrisiko ab. Neben der materiellen Entlastung von Ersatzansprüchen vermied sie auf diese Weise - im Interesse des Betriebsfriedens - mögliche Rechtsstreitigkeiten mit den eigenen Arbeitnehmern über den Ersatz von Unfallschäden. Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, daß die Versicherung für die Arbeitnehmer unter Umständen einen geldwerten Vorteil darstellen kann (etwa falls der arbeitsrechtliche Ersatzanspruch nicht eingreift, weil die vom BAG genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind, oder wenn der Arbeitnehmer über eine private Vollkaskoversicherung verfügt und dabei eine sog. Rückstufung im Tarif erspart).

2. Die Vorentscheidung war indessen aufzuheben, weil sie keine näheren Feststellungen und tatrichterlichen Bewertungen im Hinblick auf den Umstand enthält, daß die Klägerin allen Arbeitnehmern die Kosten der Dienstreisen mit der vollen seinerzeit gültigen Kilometerpauschale von 0,32 DM bzw. 0,36 DM (vgl. jeweils Abschn. 25 Abs. 8 Satz 3 LStR 1978 und LStR 1981) steuerfrei ersetzt und daneben die Prämien für die Dienstreise-Kaskoversicherung getragen hat.

a) Nach § 3 Nr. 16 EStG gehören Beträge, die im privaten Dienst beschäftigten Arbeitnehmern u. a. für Reisekosten gezahlt werden, insoweit nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, als sie die durch die Reise entstandenen Mehraufwendungen nicht übersteigen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Reisekosten entweder im Wege der Einzelabrechnung oder aber durch Ansatz der km-Pauschsätze des Abschn. 25 Abs. 8 Satz 3 LStR 1978 und 1981 (nunmehr Abschn. 38 Abs. 2 LStR 1990) abrechnen. Mit den km-Pauschsätzen werden im Wege der Schätzung sämtlich den Arbeitnehmern tatsächlich erwachsenen Kfz-Kosten pauschal abgegolten.

Im Streitfall hat die Klägerin ihren Arbeitnehmern die im Zusammenhang mit deren Dienstreisen erwachsenen Kosten in Höhe der km-Pauschsätze erstattet. Wie der Senat im Urteil vom 21. Juni 1991 VI R 178/88, BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814 erneut ausgesprochen hat, werden durch die km-Pauschsätze auch die Kosten des Arbeitnehmers für eine Kaskoversicherung abgegolten. In diesem Zusammenhang ist vorliegend bedeutsam, daß die Klägerin selbst bereits durch Abschluß der Dienstreise-Kaskoversicherung Kosten getragen hatte, die bei ihren Arbeitnehmern nicht zum Lohnzufluß geführt haben und die durch die km-Pauschsätze als abgegolten gelten. In einem solchen Fall ist ein Ansatz der vollen km-Pauschsätze nicht gerechtfertigt, weil dann Arbeitnehmern nach § 3 Nr. 16 EStG Reisekosten steuerfrei erstattet würden, die bei ihnen gar nicht angefallen waren, sondern die der Arbeitgeber selbst getragen hatte. Vielmehr sind hier die km-Pauschsätze um die vom Arbeitgeber je Dienstreisekilometer selbst getragenen Kosten für die Dienstreise-Kaskoversicherung (im Streitfall 0,024 DM je km) in den Fällen zu kürzen, in denen die Arbeitnehmer keine eigene Fahrzeug-Vollversicherung abgeschlossen hatten. Eine Kürzung kommt hingegen dann nicht in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer selbst eine Fahrzeug-Vollversicherung abgeschlossen hatte; denn in einem solchen Fall sind dem Arbeitnehmer trotz der vom Arbeitgeber abgeschlossenen Dienstreise-Kaskoversicherung tatsächlich von den km-Pauschsätzen pauschal erfaßte Kosten in Gestalt der Prämien für die Fahrzeug-Vollversicherung entstanden, die mit der Folge des § 3 Nr. 16 EStG vom Arbeitgeber erstattet werden können.

Durch die Auffassung des Senats entstehen den Arbeitnehmern keine Rechtsnachteile. Sollten bei den Arbeitnehmern, die keine eigene Fahrzeug-Vollversicherung abgeschlossen haben, durch die Kürzung der km-Pauschsätze die pauschal erstatteten Reisekosten hinter den tatsächlichen Kosten zurückbleiben, so könnten im Wege der Einzelabrechnung sämtliche von den Arbeitnehmern tatsächlich getragenen Kosten mit der Folge des § 3 Nr. 16 EStG vom Arbeitgeber erstattet werden.

b) Das FG ist auf diese Fragen nicht eingegangen. Es wird tatsächliche Feststellungen darüber nachzuholen haben, inwieweit die von der Klägerin getragenen Prämien für die Dienstreise-Kaskoversicherung auf Arbeitnehmer entfallen, die selbst keine Fahrzeug-Vollversicherung für ihr auf Dienstreisen eingesetztes Fahrzeug abgeschlossen hatten. Dieser Anteil unterliegt der Nachversteuerung.