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BFH-Urteil vom 17.10.1991 (IV R 134/89) BStBl. 1992 II S. 378

Für sieben bis zehn Monate alte Mastrinder ist - bezogen auf den Jahresdurchschnittsbestand - der Umrechnungsschlüssel für "Kühe, Färsen und Masttiere - 1,0 Vieheinheiten" anzuwenden (Anschluß an und Abgrenzung von BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 V R 110-112/84, BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036).

EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 bis 4, § 13 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; BewG § 51 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 4 Satz 1, Anlage 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte seit dem 15. Juli 1982 von ihrem Ehemann eine Ackerfläche von 2,95 ha einschließlich eines Kälberstalles gepachtet. Nach ihren eigenen Angaben kaufte sie ca. 10-14 Tage alte Kälber (Bullenkälber). Sie mästete diese Tiere bis zu einem Alter von 7-10 Monaten. Anschließend verkaufte sie die 270 kg-300 kg schweren Tiere (Jungbullen) an ihren Ehemann, der diese in seinem Betrieb bis zur Schlachtreife mästete. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Nach einer Außenprüfung im April 1986 bei der Klägerin sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Betrieb der Klägerin als gewerbliche Tierhaltung an. Der Mastbetrieb halte sich nicht mehr im landwirtschaftlichen Bereich. Die bei einer Fläche von 2,95 ha höchstens zulässige Grenze von 29,50 Vieheinheiten (VE) werde - abgesehen von den ersten Monaten der Aufbauphase - bei weitem überschritten. Da die Viehbestandsgrenze nach § 13 a Abs. 1 Nr. 3 EStG von insgesamt 30 VE überschritten sei, dürfe der Gewinn nicht gemäß § 13 a EStG ermittelt werden. Dabei könne dahinstehen, ob die von der Klägerin gepachteten Flächen tatsächlich von dieser selbst oder weiterhin von ihrem Ehemann bewirtschaftet würden. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien zwar die Tiere in der Aufzuchtphase bis zum sechsten Lebensmonat mit 0,3 VE, danach aber als Masttiere mit dem Schlüssel von 1,0 VE für den durchschnittlich gehaltenen Bestand zu bewerten.

Dementsprechend forderte das FA im Betriebsprüfungsbericht vom 5. Juni 1986 die Klägerin auf, ab dem 1. Januar 1987 Bücher zu führen, weil ihr Gewinn aus Gewerbebetrieb die Grenze von 36.000 DM (§ 141 Abs. 1 Nr. 4 der Abgabenordnung - AO 1977 -) überschreite. Die Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung von Bundesrecht (§ 13 Abs. 1 EStG i. V. m. § 51 BewG).

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Aufforderung zur Buchführung vom 5. Juni 1986, beginnend zum 1. Januar 1987, in der Fassung der Beschwerdeentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er führt in seiner Stellungnahme aus:

Aus der Entstehungsgeschichte des § 51 BewG und dem vorausgegangenen Tiererlaß vom 10. Juli 1964 (BStBl II 1964, 106) ergebe sich als Grundgedanke der Vorschrift die Flächenabhängigkeit der bäuerlichen Veredelungswirtschaft. Der Futterbedarf sei alleiniger Maßstab des BewG für die Umrechnung der Tierbestände in VE. Durch § 51 Abs. 4 Satz 2 BewG werde klargestellt, daß der Umrechnungsschlüssel in Anlage 1 zum BewG unverändert für den gesamten Zeitraum der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 gelte.

Die Einteilung nach Altersklassen trete hinter die Zweckbestimmung der Tiere und den davon abhängigen Futterverbrauch zurück. Die Gruppen "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr - 0,30 VE" und "Jungvieh 1 bis 2 Jahre alt - 0,70 VE" enthielten daher kein Mastvieh.

Die Mastrinder seien also nicht wegen ihres Alters, sondern wegen ihres vergleichbaren Futterbedarfs ab dem 7. Monat einheitlich der mit 1,0 VE zu bewertenden Gruppe zuzuordnen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Tierbestände sind in vollem Umfang der gewerblichen Nutzung zuzurechnen, wenn die Anzahl der maßgebenden VE die für vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzte Fläche in § 51 Abs. 1 Satz 1 BewG vorgesehene Grenze übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die Tierbestände sind nach dem Futterbedarf in VE umzurechnen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Hierbei sind § 51 Abs. 2 bis 5 BewG und somit auch der Umrechnungsschlüssel für Tierbestände in VE nach dem Futterbedarf anzuwenden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Dort ist für die Tierart "Rindvieh" folgende Regelung getroffen:

 

Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr

0,30 VE

 

Jungvieh 1 bis 2 Jahre alt

0,70 VE

 

Zuchtbullen

1,20 VE

 

Zugochsen

1,20 VE

 

Kühe, Färsen, Masttiere

1,00 VE.

2. Durch das Urteil in BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036 hat der V. Senat des BFH dazu entschieden, daß im Fall der sog. Kälbermast der Wert für die in Zeile 1 genannte Gruppe "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr - 0,30 VE" auf den Durchschnittsbestand eines Jahres anzuwenden sei; ein davon abweichender, in einem Verwaltungserlaß niedergelegter Umrechnungsschlüssel für Mastkälber könne nicht herangezogen werden. Der erkennende Senat schließt sich dem an; auch er ist der Auffassung, daß bei einer Mastdauer von nur wenigen Monaten von dem Durchschnittsbestand während eines Wirtschaftsjahres auszugehen ist. Für den vorliegenden Fall einer Intensivmast von Jungrindern (Jungbullen) im Alter von 7 bis 10 Monaten kommt er gleichwohl zu dem Ergebnis, daß diese Jungtiere trotz ihrer Zugehörigkeit zu der Altersklasse der in Zeile 1 genannten Tiere als Masttiere im Sinne der in Zeile 5 genannten Gruppe "Kühe, Färsen und Masttiere" zuzuordnen und daher mit 1,0 VE zu bewerten sind.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet es keinen Bedenken, den Umrechnungsschlüssel von 1,0 VE auf die Intensivmast der 7 bis 10 Monate alten Jungbullen anzuwenden. Zwar differenziert das Gesetz im Umrechnungsschlüssel bei der Tierart "Rindvieh" in der Gruppe "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr" einerseits nicht zwischen der Tierhaltung zu Zucht- und zu Mastzwecken und andererseits in der Gruppe "Kühe, Färsen und Masttiere" bei den Masttieren nicht nach der Alterszugehörigkeit. Zu Recht machen jedoch FA und BMF darauf aufmerksam, daß spätestens mit Beginn des 7. Lebensmonats die Jungbullen der Klägerin als Masttiere anzusehen sind. Sie waren nicht zur Zucht, sondern zur Mast bestimmt.

Dem Begriff des Masttiers unterfallen alle Tiere, bei denen die Vormast oder Aufzuchtphase beendet ist und die eigentliche Mast bereits eingeleitet worden ist (Engel, Bewertungs-Ratgeber in der Tierhaltung, 1990, S. 56). Nach § 51 Abs. 3 BewG gelten bei der Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der gewerblichen Tierhaltung bestimmte Zweige des Tierbestandes bei jeder Tierart für sich, und zwar Zugvieh, Zuchtvieh, Mastvieh und übriges Nutzvieh. Dementsprechend unterscheidet das Gesetz in Anlage 2 zu § 51 Abs. 4 Satz 1 BewG die Rindviehzucht, die Milchviehhaltung und die Rindviehmast sowie für Schweine, Enten, Gänse und Puten zwischen Zucht- und Masttieren und bei Hühnern zwischen Zucht, Legehennenhaltung und Junghühnermast. Diese Unterscheidung von Zucht- und Masttieren nimmt der Umrechnungsschlüssel auf, z. B. in den ausdrücklich genannten Jungmasthühnern. Bei der Rindermast ist die Mastvorphase (Kälber-, Starter- und Fresserphase), die bei der Intensivmast (Stallmast) etwa 5 bis 6 Monate und bei der Extensivmast (Weidemast) etwa 12 Monate dauert und bei der die Tiere ein Lebendgewicht von etwa 175 bis 200 kg erreichen, von der dann beginnenden eigentlichen Mastphase zu unterscheiden. Bei der Intensivmast erreichen die Masttiere das Mastendgewicht nach 15 bis 18 Monaten (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 127). Folgerichtig gehört bei der Intensivmast das Jungvieh unter 1 Jahr zu den Masttieren der Tierart "Rindvieh", weil es nicht für Zuchtzwecke, sondern zu Mastzwecken gehalten wird.

b) Daß der Begriff "Masttiere" schon bei der Abfassung des BewG und des Umrechnungsschlüssels so verstanden worden ist, läßt sich auch aus der damaligen Fachterminologie entnehmen. Diese kennt die Jungtier- und die Alttiermast mit intensiven und extensiven Mastmethoden (vgl. Pareys Landwirtschaftslexikon, 7. Aufl., 1956, Stichwort: Mast des Rindes). Damals spielte die Intensivmast - wie auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - in der Rindermast bereits zu Beginn der 60er Jahre eine wesentliche Rolle. Der für das FA aufgetretene Leitende Landwirtschaftsdirektor X hat klargestellt, daß damals die Extensivmast nicht mehr die übliche Methode gewesen sei, sondern nur noch einen Anteil von 22 % an der Rindermast gehabt habe. Das wird dadurch bestätigt, daß in dem vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten herausgegebenen Statistischen Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (1965, Tabelle 159, S. 106) für das Jahr 1965 zwar bei den über 2 Jahre alten Rindern 228.700 Masttiere ausgewiesen sind, aber auch 848.000 1 bis 2 Jahre alte nicht zur Zucht, sondern zur Mast bestimmte männliche Tiere. Dem steht die von der Klägerin genannte Verfügung der OFD Münster vom 8. Januar 1979 nicht entgegen. Wie sich aus dem dort in Bezug genommenen Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31. Juli 1973 (Felix, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Bewertungsgesetz 1965, § 51, Nr. 3) ergibt, war ausdrücklich angeordnet, bei der Intensivrindermast mit einer Mastdauer von weniger als einem Jahr den Schlüssel von 1,0 VE, allerdings auf den Jahresdurchschnittsbestand und nicht mehr die Jahreserzeugung, anzuwenden.

c) Gegen diese Auslegung läßt sich auch nicht einwenden, daß der Futterbedarf der von der Klägerin bis zum Höchstalter von 10 Monaten gemästeten Tiere richtigerweise mit dem des gleichaltrigen Zuchtjungviehs unter 1 Jahr (0,30 VE) gleichgesetzt werden müsse und keinesfalls dem Futterbedarf einer Milchkuh entspreche; diese sei das mit 1,0 VE zu bewertende maßgebliche Referenztier (vgl. Engel, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1988, 53 ff., und Milch, Inf 1985, 193 ff.). Diese Argumentation ist vom BFH (vgl. das Urteil vom 23. November 1979 III R 86/76, BFHE 129, 192, BStBl II 1980, 90) bereits zurückgewiesen worden; eine Umrechnung nach dem individuellen Futterbedarf kennt das Gesetz nicht. Im übrigen vermag der Hinweis auf den geringeren absoluten Futterbedarf der Tiere der Klägerin nicht zu überzeugen. Wie der BMF unter Berücksichtigung der zum 1. Januar 1964 (§ 27 und § 51 Abs. 4 Satz 2 BewG; dazu BFH-Urteil in BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036) bestehenden Verhältnisse dargelegt hat, beträgt der absolute Futterbedarf eines intensiv gemästeten Rindes vom 7. bis zum 18. Lebensmonat und dem Erreichen des Mastendgewichts insgesamt 22,9 dz GE. Dieser Abschnitt im Leben eines Mastrindes umfaßt genau ein volles Jahr und ist die Phase, in der ein solches Tier als Masttier bezeichnet werden kann. Der Betrag von 22,9 dz GE übertrifft sogar noch geringfügig den jährlichen Futterbedarf von 20 dz GE, der bei der Neufassung des BewG und der gesetzlichen Verankerung des Umrechnungsschlüssels für den Futterbedarf für eine Vieheinheit zugrunde gelegt worden ist (BTDrucks IV/1488, S. 46). Allerdings ist der Klägerin zuzugeben, daß der Umrechnungsschlüssel in sich nicht stimmig ist; die jeweils mit 1,0 VE angesetzten Kühe, Färsen und Masttiere haben einen unterschiedlichen Futterbedarf. Das ändert aber nichts daran (BFH-Urteil in BFHE 129, 192, BStBl II 1980, 90), daß der Gesetzgeber - bewußt vereinfachend und vergröbernd - für diese Tiere gleichwohl den einheitlichen Schlüssel von 1,0 VE bestimmt hat; das gilt entsprechend für die übrigen Umrechnungsschlüssel. Der Hinweis der Klägerin, daß sich der Futterbedarf seit dem 1. Januar 1964 für bestimmte Tierkategorien stark verändert habe (vgl. Engel, Bewertungs-Ratgeber, a. a. O., S. 42) und daß sich damit die Problematik des VE-Schlüssels noch verstärke, mag der Sache nach zutreffen. Doch ist für die Abgrenzung der gewerblichen von der landwirtschaftlichen Tierhaltung allein der auf den Verhältnissen vom 1. Januar 1964 beruhende gesetzliche Umrechnungsschlüssel maßgebend (§ 51 Abs. 4 Satz 2 BewG).

3. Der II. und der V. Senat haben auf Anfrage keine Bedenken gegen die Auffassung des erkennenden Senats erhoben, daß im Fall der Rinderintensivmast von sieben bis zehn Monate alten Jungbullen der Umrechnungsschlüssel für Kühe, Färsen und Masttiere von 1,0 VE - und zwar auf der Grundlage des Jahresdurchschnittsbestandes - anzuwenden ist.