| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 23.1.1992 (IV R 95/90) BStBl. 1992 II S. 553

1. Die Abgabe eines Verkaufsangebots gegen zinslose Darlehensgewährung in Höhe des späteren Kaufpreises mit entsprechender dinglicher Sicherung des Käufers und Eintragung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung seines Anspruchs auf Eigentumsübergang kann zu einer so starken Bindung führen, daß eine Veräußerung i. S. von § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG anzunehmen ist.

2. Liegen die Voraussetzungen einer steuerfreien Entnahme von Gebäuden nach § 14 a Abs. 2 EStG nicht vor, so entfällt damit nicht die Steuervergünstigung der Betriebsveräußerung oder -aufgabe nach § 14 a Abs. 1 und 3 EStG.

EStG § 14 a Abs. 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewirtschaftete bis zum Streitjahr 1981 einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 3,8942 ha eigenen und 11,7868 ha gepachteten Flächen. Der Betrieb lag im Abbaugebiet einer Bergwerks AG (AG). Zum 31. Oktober 1981 erklärte er die Betriebsaufgabe, kündigte die Pachtverträge und verpachtete die eigenen Flächen an die AG. Am 1. April 1982 gab der Kläger ein notariell beurkundetes, bis zum 31. März 1984 unwiderrufliches Angebot ab, die zurückbehaltenen und von ihm weiter genutzten Wohn- und Wirtschaftsgebäude der AG zu veräußern. Dieses durch Auflassungsvormerkung gesicherte Angebot konnte der vorgesehene Erwerber nicht vor dem 1. Dezember 1983 annehmen. Gleichzeitig erwarb der Kläger ein Ersatzgrundstück von der AG in A. Die Mittel dafür wurden dem Kläger von der AG darlehensweise und zinslos in Höhe des für die Wohn- und Wirtschaftsgebäude vorgesehenen Veräußerungspreises zur Verfügung gestellt. Das Darlehen wurde durch Eintragung einer Grundschuld auf das zu veräußernde Grundstück gesichert. Die AG nahm mit notarieller Urkunde vom 9. Dezember 1983 das Angebot des Klägers an und die Auflassung wurde erklärt. Im Jahre 1984 zog der Kläger nach A um.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Hofstelle sei bereits mit der Abgabe des Verkaufsangebotes und damit innerhalb der in § 14 a Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgesehenen Zweijahresfrist veräußert worden, die Voraussetzungen des § 14 a EStG seien daher nicht erfüllt. Die gesonderte Feststellung des Gewinns für das Streitjahr wurde berichtigt, der auf die Hofstelle entfallende Entnahmegewinn für steuerpflichtig erklärt und mit dem übrigen Gewinn aus der Aufgabe des Betriebs nach §§ 14, 16, 34 EStG besteuert.

Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, der Kläger habe die Hofstelle nicht vor Ablauf der Zweijahresfrist des § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG veräußert. Das vor Ablauf dieser Frist abgegebene Angebot sei wirtschaftlich noch nicht einer Veräußerung gleichzusetzen (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. August 1970 VI R 166/67, BFHE 100, 93, BStBl II 1970, 806).

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Unrecht hat das FG im Streitfall angenommen, der Kläger habe die Hofstelle erst nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG veräußert.

1. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Rechtsprechung zu § 23 EStG vertretene Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Veräußerung auch auf den gleichlautenden Begriff in § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG anzuwenden ist; es hat den Begriff der Veräußerung jedoch verkannt.

a) Nach § 14 a Abs. 1 und Abs. 3 EStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung des EStG 1981) ist die Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter bestimmten Voraussetzungen weitergehend als nach §§ 14, 16 EStG begünstigt. Dieser Vergünstigung steht es nach § 14 a Abs. 2 EStG nicht entgegen, wenn der Steuerpflichtige die zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Gebäude samt zugehörigem Grund und Boden zurückbehält (§ 14 a Abs. 2 Satz 1 EStG), diese im Anschluß an die Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes mindestens zwei Jahre selbst bewohnt und in dieser Zeit nicht veräußert (§ 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG). In diesem Fall geht das Gesetz von einer steuerfreien Entnahme aus (§ 14 a Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG).

Bei Einfügung des § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG durch das Gesetz zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juni 1980 (BGBl I, 732, BStBl I, 400) hatte der Gesetzgeber die Steuerbefreiung des Gewinns aus der Wohnungsentnahme bewußt von der bei Grundstücken üblichen Spekulationsfrist von zwei Jahren abhängig gemacht (BTDrucks 8/3239, S. 11). Der erkennende Senat geht daher davon aus, daß auch der Begriff der Veräußerung i. S. des § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG dem Begriff der Veräußerung in § 23 Abs. 1 EStG entspricht.

b) Zu den Voraussetzungen, unter denen ein bindendes Angebot als Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 a EStG angesehen werden kann, hat der VI. Senat des BFH in seiner Entscheidung in BFHE 100, 93, BStBl II 1970, 806 ausgeführt, daß unter besonderen Umständen ein Verkaufsangebot einem Verkauf gleichzustellen ist; dies ist dann gerechtfertigt, wenn bereits durch das Angebot rechtlich und tatsächlich eine Situation geschaffen wird, wie sie auch aufgrund eines Verkaufsvertrags gegeben ist. Solche besonderen Umstände hat der VIII. Senat des BFH etwa darin gesehen, daß die Abgabe eines Verkaufsangebots mit einer Darlehensgewährung in Höhe des späteren Kaufpreises und dem Abschluß eines "Erbbauvertrags" verbunden wurde (Urteil vom 15. Januar 1974 VIII R 63/68, BFHE 112, 31, BStBl II 1974, 606). In einer weiteren Entscheidung hat der BFH bereits einen Vorvertrag als Veräußerung beurteilt, weil die dadurch eingegangene Bindung zwischen den Vertragsbeteiligten durch die Eintragung einer Auflassungsvormerkung und eines Grundpfandrechts zur Sicherung des Kaufpreises verstärkt worden war (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 16/83, BFHE 140, 238, BStBl II 1984, 311).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Begriff der Veräußerung i. S. des § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG hat der Kläger auch im Streitfall die Wohn- und Wirtschaftsgebäude bereits mit der Abgabe des unwiderruflichen Verkaufsangebots und damit innerhalb der Frist von zwei Jahren im Anschluß an die Betriebsaufgabe veräußert. Das bindende Verkaufsangebot, die zinslose Darlehensgewährung in Höhe des von vornherein festgelegten Kaufpreises mit der entsprechenden dinglichen Sicherung der Käuferin und die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtfertigen den Schluß auf eine endgültig gewollte Eigentumsverschaffung an dem Grundstück. Die mit der Abgabe des unwiderruflichen Verkaufsangebots eingegangene Bindung des Klägers wurde noch durch eine Reihe zusätzlicher Vereinbarungen erheblich verstärkt. So war der Kläger verpflichtet, andere Personen von der Nutzung des Grundstücks auszuschließen, den Grundbesitz für den Erwerber gegen Zugriffe Dritter zu schützen und bergbaurechtliche Einwirkungen ohne Anspruch auf Unterlassung und Wiederherstellung oder Entschädigung zu dulden; für den Fall der Verletzung dieser Vereinbarungen hatte ersich ferner zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet. Auch mit der Ermächtigung des Notars hatte der Kläger alles getan, damit die spätere Annahme des unwiderruflichen Kaufangebots durch den Erwerber nur noch als juristische Formalität ohne wirtschaftliche Eigenbedeutung erfolgen konnte (BFH-Urteil vom 23. September 1966 VI 147/65, BFHE 87, 140, BStBl III 1967, 73).

Bei dieser Sachlage kann dem Umstand, daß Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr erst mit der Übergabe des Eigentums auf den Erwerber übergehen sollten, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Der Kläger hat damit lediglich eine der beiden Voraussetzungen des § 14 a Abs. 2 Satz 3 EStG für die Annahme einer steuerfreien Entnahme, nämlich das Erfordernis der Selbstnutzung erfüllt.

2. Allerdings hat das FA aus der vorzeitigen Veräußerung des Wohngebäudes gefolgert, daß die Voraussetzungen des § 14 a EStG insgesamt entfallen seien. Bei einheitlicher Betrachtung des § 14 a Abs. 2 EStG könnte dies eine denkbare Auslegung sein, denn Satz 1 dieser Vorschrift bestimmt, daß die Zurückbehaltung der Wohngebäude der Anwendung der Vergünstigung des § 14 a Abs. 1 (und Abs. 3) nicht entgegensteht. Bezieht man aber die weiteren Voraussetzungen des Abs. 2 auf diese Ausnahmeregelung, so folgt daraus, daß die Anwendung des § 14 a Abs. 1 EStG beim Wegfall einer dieser Voraussetzungen ausgeschlossen wäre.

Dieser Auslegung kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. Die nachträglich eingefügte Regelung der Steuerfreiheit des Entnahmegewinns sollte lediglich einen "Hinderungsgrund für die an sich erwünschte und nach § 14 a EStG steuerlich begünstigte Betriebsveräußerung" (BTDrucks 8/3239, S. 11) beseitigen; die Begünstigung des § 14 a EStG sollte danach gerade erhalten bleiben und nicht an der befürchteten Besteuerung stiller Reserven aus den zurückbehaltenen Wohngebäuden scheitern. Diesem Regelungszweck entspricht es aber, das Erfordernis der befristeten Selbstnutzung und das Veräußerungsverbot nur als Voraussetzungen der Steuerbefreiung des Entnahmegewinns und nicht weitergehend auch als Voraussetzung der Steuervergünstigung der Betriebsveräußerung oder -aufgabe zu sehen.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die weiteren Voraussetzungen des § 14 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG im Streitfall vorgelegen haben und ob der Kläger danach den Freibetrag von 60.000 DM nach § 14 a Abs. 1 Satz 1 EStG beanspruchen könnte.