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  BFH-Urteil vom 14.2.1992 (VI R 26/90) BStBl. 1992 II S. 556

Bei vorhandener Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe I sind Aufwendungen für ein Hochschulstudium in den bisherigen Unterrichtsfächern zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe II als Werbungskosten abziehbare Fortbildungskosten. (Änderung der Rechtsprechung; Aufgabe der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 13. März 1981 VI R 26/79, BFHE 132, 570, BStBl II 1981, 439.)

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat seit 1980 die Befähigung für das Lehramt an der Sekundarstufe I in den Fächern Kunst und Englisch. Seit 1981 besuchte er Vorlesungen an der Gesamthochschule S mit dem Ziel, die Befähigung für ein Lehramt an der Sekundarstufe II in diesen Fächern zu erlangen. Die von ihm als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Studium in Höhe von 3.293,70 DM erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nur in Höhe von 900 DM als Ausbildungskosten an.

Das Finanzgericht (FG) gab der auf Anerkennung von Werbungskosten gerichteten Klage statt und führte aus: Die Kosten des Zweitstudiums seien abzugsfähige Fortbildungskosten, weil es entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 22. Oktober 1982 VI R 115/79, JurisDok.-Nr. 59920) für die Abgrenzung zu den Ausbildungskosten nicht auf die beamtenrechtliche Einordnung in die Kategorien gehobener (Lehramt der Sekundarstufe I) und höherer (Lehramt der Sekundarstufe II) Dienst ankomme. Es sei darauf abzustellen, ob der Steuerpflichtige nach dem Zweitstudium seinem bisher ausgeübten Beruf weiter nachgehen oder die Berufsart ändern wolle. Im Streitfall habe der Kläger seiner bisherigen Tätigkeit, die er bereits teilweise in der Sekundarstufe II ausgeübt habe, weiter nachgehen wollen. Der Unterschied zwischen den Studiengängen für das Lehramt in der Sekundarstufe I und II reduziere sich nach den Bestimmungen des Lehrerausbildungsgesetzes (LABG) vom 28. August 1979 i. d. F. der Bekanntmachung vom 23. Juni 1989 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GVBl NW 1989, S. 421) darauf, daß für die Sekundarstufe II eine zwei Semester längere Regelstudiendauer vorgesehen sei. Es müßten in beiden Fällen das erziehungswissenschaftliche Studium und das Studium von zwei Unterrichtsfächern erfolgen (§§ 13 und 14 LABG).

Das FA stützt seine vom FG wegen Divergenz zu dem BFH-Urteil vom 22. Oktober 1982 VI R 115/79 zugelassene Revision auf diese Abweichung von der Rechtsprechung des BFH und beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Aufwendungen für das Zweitstudium des Klägers in seinen bisherigen Unterrichtsfächern rechtsfehlerfrei den Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und nicht den gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur beschränkt als Sonderausgaben abzugsfähigen Ausbildungskosten zugeordnet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium, das nicht Gegenstand eines Ausbildungsdienstverhältnisses ist, keine als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen für die Fortbildung in dem ausgeübten Beruf, sondern Aufwendungen für die Berufsausbildung i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG (BFH-Urteil vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616, m. w. N.).

Bei Kosten eines Zweitstudiums ist der Senat bisher von folgenden Grundsätzen ausgegangen:

Die Kosten eines Zweitstudiums (im damaligen Streitfall der Volkswirtschaft), das ein Steuerpflichtiger mit dem Ziel durchgeführt hat, die entsprechenden Abschlußprüfungen abzulegen, hat der Senat selbst dann dem Ausbildungsbereich zugeordnet, wenn es sich um ein dem bereits abgeschlossenen Erststudium (dort Betriebswirtschaft) verwandtes Zweitstudium handelt (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 160/70, BFHE 104, 231, BStBl II 1972, 255). Der Senat hat jedoch in dem Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 189/73 (BFHE 114, 361, BStBl II 1975, 280) Aufwendungen eines Volksschullehrers für das Studium am heilpädagogischen Institut einer Universität, um die Lehrbefähigung an Sonderschulen zu erwerben, als Fortbildungskosten angesehen; der Senat sah als entscheidend an, daß das Studium spezielle pädagogische und psychologische Kenntnisse vermittelt, die auf dem ausgeübten Lehrerberuf aufbauen, und daß eine neue gesellschaftliche Stellung mit der Tätigkeit als Sonderschullehrer nicht verbunden ist. Auf diese Rechtsprechung hinweisend, hat der Senat mit Urteil vom 18. März 1977 VI R 2/76 (BFHE 122, 77, BStBl II 1977, 547) die Aufwendungen einer Dipl.-Psychologin für die Teilnahme an Veranstaltungen eines Instituts für Psychotherapie mit dem Ziel, Psychotherapeutin zu werden, als Berufsfortbildungskosten angesehen. Er hat dabei darauf abgestellt, daß der Beruf einer Psychotherapeutin zu keiner wesentlich anderen beruflichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung führe. Es sei eine berufliche Spezialisierung, die mit der Fortbildung eines Arztes zum Facharzt oder eines Volksschullehrers zum Sonderschullehrer vergleichbar sei.

Demgegenüber sind vom Senat die Aufwendungen eines Volksschullehrers für ein Studium an einer Pädagogischen Hochschule, das er absolviert, um die zweite Teilprüfung als Realschullehrer ablegen zu können, mit der Begründung als Ausbildungskosten behandelt worden, daß die Tätigkeit eines Volks- und Hauptschullehrers einerseits und die eines Realschullehrers andererseits verschiedene Berufe seien. Dies ergebe sich sowohl aus den unterschiedlichen besoldungsrechtlichen Eingangsämtern als auch daraus, daß für beide Berufe unterschiedliche Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen verlangt würden (BFH-Urteil vom 13. März 1981 VI R 26/79, BFHE 132, 570, BStBl II 1981, 439). Auf der Grundlage dieser Entscheidung ist mit dem nicht veröffentlichten Urteil vom 22. Oktober 1982 VI R 115/79 entschieden worden, daß ein vier Semester dauerndes Hochschulstudium der Fächer Musik und Musikwissenschaft eines Gymnasialrats als Beamter des gehobenen Dienstes mit dem Ziel, Studienrat und damit Beamter des höheren Dienstes zu werden, als Ausbildung und nicht als Fortbildung zu werten ist. Dies gelte selbst dann, wenn das Hochschulkurzstudium nicht mit einem wissenschaftlichen Abschluß beendet worden sei. Der Kläger habe durch die Übernahme in den höheren Dienst die Möglichkeit erhalten, künftig in höhere Besoldungsstufen innerhalb dieser Laufbahn aufzusteigen.

2. Das nordrhein-westfälische LABG i. d. F. vom 28. August 1979 (GVBl NW 1979, 586) unterscheidet zwischen vier verschiedenen Lehrämtern (Primarstufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II, Sonderpädagogik). Alle Lehrämter haben ein wissenschaftliches Studium (§ 2 LABG) und einen Vorbereitungsdienst von 24 Monaten (§ 3 LABG) zur Voraussetzung. Die Regelstudiendauer für die Lehrämter für die Primarstufe und die Sekundarstufe I beträgt sechs Semester (§§ 6 und 7 LABG), für die Sekundarstufe II und für Sonderpädagogik acht Semester (§§ 8 und 9 LABG). Nach § 10 Abs. 3 LABG werden im Rahmen einer Ersten Staatsprüfung für ein weiteres Lehramt geeignete Prüfungsleistungen aus einer bestandenen Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt nach Maßgabe der Prüfungsordnung anerkannt; entsprechendes gilt für Zweite Staatsprüfungen. Nach §§ 13, 14 LABG umfaßt sowohl das Studium der Sekundarstufe I als auch das der Sekundarstufe II ein erziehungswissenschaftliches Studium und das Studium von zwei Unterrichtsfächern.

3. Der Senat schließt sich der Auffassung der Vorinstanz an, daß ein Hochschulstudium in den bisherigen Unterrichtsfächern zur Erlangung der Befähigung zu einem Lehramt der Sekundarstufe II bei vorhandener Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe I als Fortbildung und nicht als Ausbildung zu werten ist (so auch v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 340). Auch wenn hiermit die Erlangung eines höheren Eingangsbesoldungsamtes erstrebt wird, ist - unter Abkehr von der in dem Urteil VI R 115/79 vertretenen Rechtsansicht - dem Umstand vorrangiges Gewicht beizumessen, daß sich durch ein entsprechendes Aufbaustudium, das die Befähigung zum Lehramt für die Sekundarstufe I voraussetzt, die Berufsart jedenfalls dann nicht ändert, wenn die bisherigen Unterrichtsfächer beibehalten werden. Wesentlich für die Wertung des Aufbaustudiums als Fortbildung und nicht als Ausbildung ist auch, daß durch das Zweitstudium kein Wechsel in andere Berufe als den des Lehrers ermöglicht wird. Es liegt insoweit eine gewisse Vergleichbarkeit mit einem Gesellen vor, der sich auf die Meisterprüfung vorbereitet und dabei unter Beibehaltung seines Berufs in demselben Handwerk seine Kenntnisse vertieft und auf eine breitere Basis stellt. Hier werden von der Rechtsprechung die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ablegung der Meisterprüfung als Fortbildungskosten angesehen, obwohl sich durch die Prüfung die berufliche und wirtschaftliche Stellung nicht unwesentlich verbessern kann (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1989 VI R 44/86, BFHE 160, 145, BStBl II 1990, 692; vom 18. April 1990 III R 5/88, BFH/NV 1991, 25, m. w. N.). Allerdings besteht ein Unterschied zum Streitfall darin, daß die Zulassung für die Ablegung der Meisterprüfung das Bestehen der Gesellenprüfung voraussetzt, während die verschiedenen Lehrämter nicht grundsätzlich aufeinander aufbauen. Vielmehr kann die Befähigung für das Lehramt der Sekundarstufe II unmittelbar durch ein Hochschulstudium angestrebt werden. Deshalb hat die Beurteilung des Aufbaustudiums als Fortbildung zur Folge, daß die Aufwendungen für ein auf dasselbe Endziel - die Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe II - ausgerichtetes Studium, je nachdem, ob es sich um ein Erst- oder Zweitstudium handelt, einkommensteuerrechtlich unterschiedlich zu beurteilen sein können. Denn als Erststudium handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats um eine der Lebensführung zuzurechnende Ausbildung. Die Zuordnung der Aufwendungen zu den Werbungskosten im Falle des Aufbaustudiums (Zweitstudium) verstößt aber unter Einbeziehung des Umstandes nicht gegen den Gleichheitssatz, daß das Regelstudium für das Lehramt der Sekundarstufe II nur zwei Semester länger dauert als dasjenige für die Sekundarstufe I und durch den erfolgreichen Abschluß des Zweitstudiums im Vergleich zu der bereits aufgrund des Abschlusses des Erststudiums erreichten keine wesentlich andere berufliche und wirtschaftliche Stellung erlangt wird.

Im übrigen könnte der Senat bei der Übertragung der oben dargestellten bisherigen Rechtsprechung auf die Lehrämter nach dem LABG ohnehin nicht widerspruchsfrei an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten. Denn soweit das Studium eines Volksschullehrers zum Sonderschullehrer als Fortbildung gewertet worden ist, würde dies bedeuten, daß bei vorhandener Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe I Aufwendungen für ein Studium zum Zwecke der Erlangung der Befähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik Fortbildungskosten wären. Da aber das Studium für das Lehramt für Sonderpädagogik ebenso wie das für das Lehramt der Sekundarstufe II eine zwei Semester längere Regelstudienzeit hat, erschiene eine unterschiedliche Behandlung der Kosten des Aufbaustudiums nicht gerechtfertigt; dies gilt auch deshalb, weil das Studium für das Lehramt für Sonderpädagogik auf jeden Fall das Studium eines weiteren Faches, nämlich der Sondererziehung und Rehabilitation, erfordert.

4. Die Sache ist spruchreif. Da der Kläger im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG mit seinem Aufbaustudium die Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe II in seinen bisherigen Unterrichtsfächern angestrebt hat, sind seine Aufwendungen vom FG zu Recht als Werbungskosten berücksichtigt worden.