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  BFH-Urteil vom 21.2.1992 (VI R 141/88) BStBl. 1992 II S. 565

1. Das Betriebsstätten-FA ist zur Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitnehmer jedenfalls dann örtlich nicht mehr zuständig, wenn die Nachforderung die Änderung eines zuvor ergangenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides nötig macht.

2. Die Nachforderung erfordert in diesem Fall (Nr. 1) keine Ermessens-, sondern eine gebundene Entscheidung.

3. Ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid, der erkennbar einen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid ändert, ist auch dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn mit ihm ein Nachforderungs- und ein Rückforderungsbetrag unaufgegliedert angefordert werden.

AO 1977 § 19 Abs. 1, § 119 Abs. 1, § 127; EStG 1977 § 42 c Abs. 2, § 42 d Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) gaben im gemeinsamen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich des Streitjahres 1978 lediglich ihre Einnahmen als Studienreferendare an. Der Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich führte zu einer Lohnsteuererstattung in Höhe von 1.167 DM. Im nachhinein erfuhr der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), daß der Kläger von Juni bis Oktober 1978 für die Firma S dort tätige Ausländer gegen ein Honorar von 25 DM pro geleistete Unterrichtsstunde in der deutschen Sprache unterrichtet hatte.

In den an beide Kläger gerichteten Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid vom 23. Mai 1985 bezog das FA die Einnahmen aus der Nebentätigkeit des Klägers in seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ein und setzte den Erstattungsbetrag auf 0 DM fest. Gleichzeitig wurden der bisherige Erstattungsbetrag als zuviel erstattet und die Differenz zwischen dem Jahressteuerbetrag und den Lohnsteuerabzugsbeträgen ausgedruckt und handschriftlich die Summe aus besagter Differenz und dem zuviel erstatteten Betrag gebildet. Diese Summe in Höhe von 2.071 DM (1.900 DM Lohnsteuer und 171 DM Kirchenlohnsteuer) forderte das FA mit gesondertem, nur an den Kläger gerichteten Nachforderungsbescheid vom 23. Mai 1985 an.

Den gegen den Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid und den Nachforderungsbescheid erhobenen Einspruch beider Kläger wies das FA mit einheitlicher Einspruchsentscheidung zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision tragen die Kläger vor, der Nachforderungsbescheid sei schon deswegen aufzuheben, weil er vom unzuständigen FA erlassen worden sei. Dieser Mangel sei nicht nach § 127 der Abgabenordnung (AO 1977) unbeachtlich, weil diese Bestimmung nur für gebundene Entscheidungen gelte (BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412). Im Streitfall sei dagegen eine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen. Auch eine Zuständigkeitsvereinbarung (§ 27 AO 1977) sei nicht erfolgt. Als Betriebsstätten-FA (§ 41 a Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) wäre gemäß § 42 d Abs. 3 Satz 2 EStG zum Erlaß des Nachforderungsbescheids das FA G und nicht das beklagte FA zuständig gewesen. Nach dieser Vorschrift sei für den Fall nichtvorschriftsmäßigen Lohnsteuereinbehalts das Betriebsstätten-FA auch bei Nachforderungen gegenüber dem Arbeitnehmer zuständig. Dies folge aus der Gesamtschuldnerschaft von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Da die Inanspruchnahme die Ausübung eines Auswahlermessens erfordere, das nur durch ein und dieselbe Behörde vorgenommen werden könne, sei in Nachforderungsfällen das Betriebsstätten-FA ausschließlich zuständig. Das Betriebsstätten-FA sei das sachnähere FA, da es mit den Verhältnissen des Betriebs am besten vertraut sei. Zu diesen Verhältnissen gehörten auch die Tatsachen, welche eine sachgerechte Ermessensausübung ermöglichten. Die Frage, ob der Arbeitgeber vor dem Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden dürfe, sei im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu entscheiden (BFH-Urteil vom 26. Juli 1974 VI R 24/69, BFHE 113, 157, BStBl II 1974, 756). Dabei bestehe kein allgemeiner Grundsatz, daß der Arbeitnehmer als Steuerschuldner vorrangig heranzuziehen sei (BFH-Urteil vom 6. Mai 1959 VI 252/57 U, BFHE 69, 83, BStBl III 1959, 292). Das gelte auch für die jetzige Rechtslage (v. Bornhaupt, Betriebs-Berater - BB - 1975, 547). Das vom FG angeführte BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 VI R 137/82 (BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660), welches das Erfordernis einer Ermessensentscheidung verneint habe, sei nicht einschlägig. Dort sei - anders als im vorliegenden Fall - keine Lohnsteuernachforderung nach § 42 d Abs. 3 EStG erfolgt, sondern ein geänderter Einkommensteuerbescheid ergangen. Auf diesen Unterschied sei in dem erwähnten Urteil ausdrücklich hingewiesen worden.

Der Nachforderungsbescheid verletze § 119 Abs. 1 AO 1977, da in ihm ungetrennt ein Rückforderungsbetrag und ein Nachforderungsbetrag enthalten seien. Das angefochtene Urteil beziehe sich zu Unrecht auf das FG Köln (Urteil vom 16. März 1981 VII 364/80 A (L), Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 101). Dieses unterscheide streng zwischen dem Rückforderungsanspruch, der maximal bis zur Höhe des ursprünglich festgesetzten Erstattungsbetrages gehen könne, und dem erstmals darüber hinaus erhobenen Lohnsteuerbetrag. Im übrigen sei der Nachforderungsbescheid inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, weil seine Begründung dem verfügenden Teil grundlegend widerspreche (BFH-Urteil vom 15. März 1985 VI R 30/81, BFHE 143, 226, BStBl II 1985, 581). Der Ausspruch des Nachforderungsbescheides, daß sich für das Kalenderjahr 1978 nach Berechnung nebst Erläuterung in dem beigefügten Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 23. Mai 1985 eine "zuviel erstattete Lohnsteuer" in Höhe von 1.900 DM ergebe, sei schlicht falsch. Tatsächlich habe die Erstattung seinerzeit, wie das FG selbst festgestellt habe, 1.167 DM betragen. Auch der beigefügte Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich, der im übrigen - anders als der Nachforderungsbescheid - nicht nur gegen den Ehemann, sondern gegen beide Ehegatten gerichtet gewesen sei, habe in seinem Tenor zuviel erstattete Lohnsteuer in Höhe von 1.167 DM ausgewiesen.

Die Feststellungen des FG reichten nicht aus, eine Festsetzungsfrist von 10 Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) anzunehmen, da ihnen nicht zu entnehmen sei, daß ein tatbestandsbezogenes Unrechtsbewußtsein vorgelegen habe. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung trage das FA die Feststellungslast für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung; der Grundsatz "in dubio pro reo" gelte in diesen Fällen auch im finanzgerichtlichen Verfahren (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1972 VII R 117/69, BFHE 107, 168, BStBl II 1973, 68, und BFH-Beschluß vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570). Werde im Erklärungsvordruck, der wahlweise einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich und eine Einkommensteuererklärung enthalte, wie im Streitfall geschehen, der erstgenannte Antrag angekreuzt, könne mangels anderweiter unmißverständlicher Belehrung nur erwartet werden, daß Angaben zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit lt. Anlage N gemacht würden, nicht dagegen zu den in den folgenden Zeilen nachgefragten übrigen Einkünften. Aus diesem Grunde stelle der bloße Hinweis des FG auf die unterbliebene Angabe zu Zeile 5 ("Einkünfte aus selbständiger Arbeit") keine hinreichende Feststellung eines tatbestandsbezogenen Unrechtsbewußtseins dar. Auch wenn im finanzgerichtlichen Verfahren die Anwesenheitspflicht des § 230 Abs. 1 der Strafprozeßordnung (StPO) nicht gelte, sei doch zweifelhaft, ob die Art, wie das FG seinen Strafausspruch gefällt habe, grundrechtskonform sei.

Ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung habe das FA den Strafakten entnommen, daß das Strafverfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eingestellt worden sei. Die Bitte des Prozeßbevollmächtigten, ebenfalls Einsicht in die Strafakten nehmen zu dürfen, sei dagegen nicht protokolliert worden. Da der genannte Grund der Verfahrenseinstellung ungewöhnlich sei, werde nunmehr beantragt, Einsicht in die Strafakten zu gewähren, um prüfen zu können, welche Gründe zur Einstellung geführt hätten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die angefochtenen Bescheide sind verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

In Literatur (Stöcker, DStZ/A 1983, 83; Gast-de Haan in Stolterfoht, Grundlagen des Lohnsteuerrechts, Jahrbuch der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e. V. - JbDStJG - 1986, 141 ff., 167; Drenseck, JbDStJG 1986, 377 ff., 423, gegenüber Stuhldreier, DStZ/A 1985, 453; Schroeder, FR 1985, 636, 638; v. Bornhaupt, BB 1986, 367, 369) und Rechtsprechung (FG Köln, Urteil vom 30. August 1982 II 40/82 L, EFG 1983, 520, gegenüber FG Köln, EFG 1982, 101, und Urteil vom 11. Mai 1983 XI 415/79 L, EFG 1983, 521) ist streitig, ob eine Lohnsteuernachforderung beim Arbeitnehmer nach vorausgegangenem Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid dessen förmliche Änderung voraussetzt, oder ob sich das FA damit begnügen kann, einen Nachforderungsbescheid zu erlassen, der eine konkludente Änderung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides beinhaltet. Auch wenn letzteres zulässig sein sollte (dazu unter I. d), sind im Streitfall der - jeweils am 23. Mai 1985 ergangene - Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid und der Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid gesondert auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, da das FA gesonderte Bescheide erlassen hat, die beide Gegenstand dieses Verfahrens sind.

a) Das FG hat den Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid zutreffend dahingehend ausgelegt, daß in diesem lediglich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 0 DM geregelt ist. Dies ergibt sich aus den, den ausgedruckten Zahlen zugeordneten erklärenden Begriffen. Die zusätzlich handschriftlich angebrachten Zahlen dienten erkennbar lediglich der Verständniserleichterung über die Zusammensetzung des im Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid geltend gemachten Betrages. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kam ihnen nicht zu. Da Regelungsinhalt des Änderungsbescheides ausschließlich die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 0 DM war, erübrigen sich in diesem Zusammenhang Ausführungen darüber, inwieweit in einem Bescheid Regelungen unterschiedlichen Inhalts zusammengefaßt werden können.

aa) Wie von den Beteiligten jedenfalls nicht mehr in Zweifel gezogen wird, haben bei Erlaß des Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheides die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 vorgelegen. Da beim gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich der Jahresarbeitslohn der Ehegatten aus ihren sämtlichen Dienstverhältnissen zu erfassen ist (§ 42 a Abs. 2 Satz 1 EStG), sind zu Recht auch die dem Kläger von der Firma S ausbezahlten Löhne einbezogen worden.

bb) Nach § 42 c Abs. 2 EStG war - solange diese Vorschrift gegolten hat - für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs das FA örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer am Schluß des Ausgleichsjahres seinen Wohnsitz hatte (Stichtags-FA). Ob diese Bestimmung auch für den Fall maßgebend war, daß im Zusammenhang mit einem Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid ein Änderungsbescheid über einen durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich ergeht, oder ob dann statt dessen das Wohnsitz-FA (§ 19 Abs. 1 AO 1977) örtlich zuständig war, kann dahinstehen. Denn die Aufhebung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheides könnte nicht unter Berufung auf die örtliche Unzuständigkeit beansprucht werden, weil keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 127 AO 1977).

b) Der Nachforderungsbescheid vom 23. Mai 1985 ist nur gegenüber dem Kläger ergangen. Soweit sich die Klägerin auch gegen diesen Bescheid gewendet hat, war ihr Klageantrag mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Ihre Revision ist insofern schon aus diesem Grunde unbegründet. In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, daß sich die Einspruchsentscheidung gegen beide Ehegatten gerichtet hat. Zwar fehlt es insoweit nicht an der Durchführung eines Vorverfahrens. Der Umstand, daß der Einspruch der Klägerin sachlich beschieden wurde, ändert aber nichts an der Tatsache, daß ein Nachforderungsbescheid ihr gegenüber nicht ergangen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Januar 1989 III B 130/88, BFH/NV 1989, 767).

c) Der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheides steht nicht entgegen, daß in ihm unaufgegliedert die Rückforderung des zu Unrecht gewährten Erstattungsbetrages und zusätzlich ein Lohnsteuer-Nachforderungsbetrag angefordert worden ist.

aa) Mit dem Lohnsteuer-Jahresausgleich wird über die im Lohnsteuer-Abzugsverfahren nach dem Lohnsteuerkartenprinzip einbehaltene Lohnsteuer in der Weise abgerechnet, daß jener die sich nach den individuellen Besteuerungsmerkmalen des Arbeitnehmers ergebende Lohnsteuer-Jahresschuld gegenübergestellt wird. Nichts anderes gilt, wenn diese Berechnung deshalb korrigiert werden muß, weil sich nachträglich herausstellt, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat (§ 42 d Abs. 3 Nr. 1 EStG). Auch in diesem Fall ist eine Neuberechnung vorzunehmen, wobei sich ein einheitlicher Nachforderungsbetrag ergibt, wenn zu diesem Zeitpunkt die noch einbehaltenen zuzüglich der zu Unrecht noch nicht einbehaltenen Lohnsteuer-Abzugsbeträge die Lohnsteuerjahresschuld unterschreiten.

Da der Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid - ebenso wie der Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid hinsichtlich des Erstattungsbetrages (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 21. Oktober 1985 GrS 2/84 BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207) - weder die Lohnsteuerjahresschuld des Arbeitnehmers, noch die im Lohnsteuer-Abzugsverfahren einzubehaltende Entrichtungsschuld festsetzt, sondern ein Rechenergebnis aus beiden darstellt, ist der Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid i. S. von § 119 Abs. 1 AO 1977 inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn sich aus seinem Verfügungssatz die Nachforderung nach Betrag und Steuerart ergibt. Wie sich die Nachforderung errechnet, insbesondere was auf eine Rückforderung des geänderten Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids und eine Nachforderung wegen eines nicht vorschriftsmäßigen Lohnsteuerabzugs entfällt, betrifft nicht die Bestimmtheit des Bescheides, sondern seine Begründung. Diese muß im Bescheid selbst nur insoweit enthalten sein, als dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (§ 121 Abs. 1 AO 1977).

bb) In der Überschrift des vom FA für den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid benutzten Vordrucks ist darauf hingewiesen, daß die Nachforderung "ggf. unter Berücksichtigung von Erstattungsbeträgen aus dem Lohnsteuer-...-Jahresausgleich" festgesetzt wird. Im Text heißt es sodann, für das Kalenderjahr 1978 ergibt sich nach Berechnung mit Erläuterungen in dem beigefügten Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 23. Mai 1985 eine zuviel erstattete Lohnsteuer von 1.900 DM und Lohnkirchensteuer von 171 DM. Die Zusammensetzung dieser Beträge geht aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid hervor. Damit enthält der Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid, der erkennbar die Konsequenzen aus dem unterbliebenen Lohnsteuerabzug für die Löhne bei der Firma S und aus der Korrektur des Lohnsteuer-Jahresausgleichs gezogen hatte, die für sein Verständnis erforderlichen Angaben.

Die Rechtsprechung zur eindeutigen Trennung von Haftungs- und Pauschalierungsbescheiden ist wegen des unterschiedlichen Rechtscharakters dieser Bescheide, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltungswirkung des § 40 Abs. 3 EStG, ergangen. Sie ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da ein einheitliches Lohnsteuerabrechnungsergebnis zu beurteilen ist.

d) Ob für den Erlaß des Lohnsteuer-Nachforderungsbescheides das Stichtags-FA (§ 42 c Abs. 2 EStG) oder das Wohnsitz-FA (§ 19 Abs. 1 AO 1977) örtlich zuständig war, kann aus den unter 1. a) bb) wiedergegebenen Gründen dahinstehen. Jedenfalls war im Streitfall nicht das Betriebsstätten-FA zuständig. Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Wortlaut des § 42 d Abs. 3 Satz 2 EStG das Betriebsstätten-FA die Steuerschuld oder die Haftungsschuld geltend machen kann. Diese Bestimmung bezieht sich erkennbar zunächst einmal auf das laufende Lohnsteuerabzugsverfahren. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, wieweit die Befugnis des Betriebsstätten-FA reicht, den Arbeitnehmer in Anspruch zu nehmen, wenn die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten wird. Denn jedenfalls nach ergangenem Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid ist das Betriebsstätten-FA nicht mehr zuständig, beim Arbeitnehmer verfahrensrechtliche Folgerungen aus der nachträglichen Kenntnis eines fehlerhaften Lohnsteuerabzugs zu ziehen.

Ein nach Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ergehender Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid setzt eine konkludente oder ausdrückliche Änderung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides voraus. Der Senat neigt zur Vermeidung unnötiger Förmlichkeiten und von widerstreitenden Steuerfestsetzungen dazu, für genügend zu erachten, daß der Nachforderungsbescheid so ausgestaltet ist, daß aus ihm die Änderung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides erkennbar wird (vgl. v. Bornhaupt, Finanz-Rundschau - FR - 1991, 365, 371). Die Interessen des Steuerpflichtigen sind gewahrt, da der Nachforderungsbescheid nur unter den Voraussetzungen der §§ 129, 172 ff. AO 1977 geändert werden kann, und dem Steuerpflichtigen bleiben verfahrensrechtliche Überlegungen erspart, welchen Bescheid er anfechten soll bzw. muß.

Wird der Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid durch den Nachforderungsbescheid konkludent geändert, muß letzterer ohnehin von dem für die Änderung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides zuständigen FA erlassen werden. Aber auch bei vorausgegangener oder gleichzeitiger gesonderter Änderung mit Herabsetzen des Erstattungsbetrages auf 0 DM greift ein über das Rückgängigmachen der Erstattung hinausgehender Nachforderungsbetrag materiell in den Regelungsinhalt des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides ein. Denn beide Bescheide sind auf das gleiche Ziel gerichtet, nämlich die anhand der individuellen Besteuerungsmerkmale des Arbeitnehmers korrigierte vorschriftsmäßige Entrichtungsschuld.

Erläßt das FA zunächst einen Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid und dann einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid, so erreicht es das nämliche Ziel in zwei Schritten, das es mit einem Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid ohne Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid in einem Schritt erreicht. Materiell sind in beiden Fällen die gleichen Besteuerungsmerkmale zugrunde zu legen. Wäre der Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid von einem anderen FA zu erlassen als der Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Änderungsbescheid, bestände die erhöhte Gefahr widerstreitender Steuerfestsetzungen.

Danach legt bereits die verfahrensmäßige Verknüpfung mit dem Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid es nahe anzunehmen, daß nicht das Betriebsstätten-FA für den Erlaß des Lohnsteuer-Nachforderungsbescheides zuständig ist. Dies gilt erst recht für den Zusammenhang kraft der Natur der Sache (Abschn. 139 Abs. 3 Satz 1 LStR 1990; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 42 d Anm. 5 c; a. A. Giloy, BB 1978, 549). Dem Betriebsstätten-FA ist in § 42 d Abs. 3 Satz 2 EStG die Zuständigkeit übertragen worden, weil es auf Grund der beim Arbeitgeber getroffenen Feststellungen über den nachzuerhebenden Teil der nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte zu berechnenden Entrichtungsschuld abschließend entscheiden kann. Demgegenüber müßte es vor Erlaß eines nachträglichen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheides die persönlichen Verhältnisse des betreffenden Arbeitnehmers ermitteln, während sie dem Stichtags- bzw. Wohnsitz-FA auf Grund des vorangegangenen Lohnsteuer-Jahresausgleichs ohnehin bekannt sind. Die an Praktikabilitätsgesichtspunkten orientierte Zuständigkeitsregelung läßt es geboten erscheinen, den Anwendungsbereich von § 42 d Abs. 3 Satz 2 EStG und § 42 c Abs. 2 EStG bzw. § 19 AO 1977 dergestalt voneinander abzugrenzen, daß jedenfalls in Nachforderungsfällen, die die Korrektur eines Bescheides über den Lohnsteuer-Jahresausgleich erfordern, nicht das Betriebsstätten-FA zuständig ist. Dieses Ergebnis vermeidet auch unterschiedliche Zuständigkeiten, je nach dem, ob der Arbeitnehmer zu veranlagen ist oder nicht.

Dem steht das BFH-Urteil vom 20. Juni 1990 I R 157/87 (BFHE 161, 117, BStBl II 1992, 43) nicht entgegen. Die dort angenommene ausschließliche Zuständigkeit des Betriebsstätten-FA ist für den Sonderfall entschieden worden, daß die Einkünfte, die die Nachforderung betreffen, wegen § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht bei einer Einkommensteuerveranlagung zu erfassen sind. Deshalb kann es hinsichtlich dieser Einkünfte zu einer Konkurrenz zwischen dem für den Nachforderungsbescheid zuständigen Betriebsstätten-FA und dem für die Besteuerung vom Einkommen zuständigen FA nicht kommen. Demgegenüber ist in Fällen wie dem vorliegenden bei zu veranlagenden Arbeitnehmern die Nachforderung durch - ggf. geänderten - Einkommensteuerbescheid geltend zu machen (BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660). Bei dieser Nachforderung, ebenso wie bei einer solchen, welche die Änderung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides erfordert, ist die geschilderte Konkurrenz vorgegeben.

2. Auch die materiell-rechtlichen Einwendungen der Kläger greifen nicht durch.

a) Die Feststellungen des FG tragen dessen Folgerungen, die Festsetzungsfrist sei wegen Steuerhinterziehung nicht abgelaufen gewesen.

Die Auffassung der Kläger, wer im einheitlichen Steuererklärungsvordruck das Kästchen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich ankreuze, brauche Angaben zu anderen Einkünften als solchen aus nichtselbständiger Arbeit (z. B. aus Kapitalvermögen) nicht zu machen, ist abwegig. Solche Angaben sind u. a. deswegen erforderlich, um entscheiden zu können, ob ein Einkommensteuerbescheid oder ein Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid zu erlassen ist. Indessen setzt die Annahme einer Steuerhinterziehung weder Feststellungen darüber voraus, daß sich der Steuerpflichtige konkrete verfahrensrechtliche Vorstellungen über die Art des zu erlassenden Bescheides - Einkommensteuer- oder Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Bescheid - gemacht hat, noch darüber, daß er sich konkrete Vorstellungen darüber gemacht hat, in welche Einkunftsart nicht deklarierte Einnahmen zutreffenderweise einzuordnen sind. Vielmehr genügt die Feststellung, daß in der Steuererklärung als einkommensteuerpflichtig erkannte Einnahmen bewußt verschwiegen worden sind. Der Täter muß nämlich das Unrechtmäßige seiner Tat nicht in rechtstechnischer Beurteilung erkennen. Es genügt, wenn dies in einer seiner Gedankenwelt entsprechenden allgemeinen Bewertung geschieht (BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1986 I B 49/86, BFHE 148, 218, BStBl II 1988, 213).

Diesbezügliche Feststellungen hat das angefochtene Urteil getroffen. Es hat aus der oben wiedergegebenen Klausel in § 4 des "Arbeitsauftrags" mit der Firma S und der Tatsache, daß im Steuererklärungsvordruck nach Einnahmen der hier zu beurteilenden Art sowohl unter dem Gesichtspunkt Arbeitslohn, von dem kein Steuerabzug vorgenommen worden ist, als auch unter dem Gesichtspunkt Einkünfte aus selbständiger Arbeit nachgefragt worden ist, geschlossen, daß der Kläger Einnahmen vorsätzlich nicht angegeben hat, von denen er wußte, daß sie einkommensteuerpflichtig und daher zu deklarieren waren. Da die diesbezüglichen Umstände für das FG zweifelsfrei feststanden, hatte es keine Veranlassung, sich mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" auseinanderzusetzen, der auch im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zu beachten ist, wenn die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides von der Beurteilung einer strafrechtlichen Vorfrage abhängt.

b) Der Rechtmäßigkeit des Lohnsteuer-Nachforderungsbescheides steht schließlich nicht entgegen, daß er keine Ermessenserwägungen enthält und solche auch in der Einspruchsentscheidung nicht nachgeholt worden sind. Ergeht gegenüber dem Arbeitnehmer ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid wegen zu Unrecht nicht einbehaltener Lohnsteuer, nachdem ein Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt worden war, sind keine Ermessensüberlegungen anzustellen, da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt.

Auch hier (wie oben unter 1. d) braucht nicht entschieden zu werden, bis zu welchem Abschnitt im Lohnsteuer-Erhebungsverfahren bei Inanspruchnahme des Arbeitnehmers die Ausübung eines Auswahlermessens erforderlich ist. Insbesondere braucht der Senat nicht zu Sonderfällen Stellung zu nehmen wie dem, der der Entscheidung in BFHE 161, 117, BStBl II 1992, 43 zugrunde lag. Wird dem FA bei Bearbeitung eines Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich vor dessen Bescheidung bekannt, daß die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten worden war, so ist es gehalten, die betreffenden Löhne in den Lohnsteuer-Jahresausgleich einzubeziehen. Des weiteren ist es verpflichtet, einen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Erstattung führen. Nichts anderes kann gelten, wenn die danach erforderliche Änderung nicht nur einen Erstattungsbetrag von 0 DM, sondern eine Nachforderung ergibt. Allen diesen Fällen ist ebenso wie dem Fall der Nacherhebung von Steuern durch erstmaligen oder geänderten Einkommensteuerbescheid (BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660) gemeinsam, daß in den betreffenden Bescheiden die zu erstattenden oder nachzufordernden Beträge nach den individuellen Besteuerungsmerkmalen des Arbeitnehmers zu ermitteln sind und es nicht lediglich darum geht, dem gesetzgeberischen Zweck des Lohnsteuer-Abzugsverfahrens zu entsprechen, durch den Abzug an der Quelle den schnellen Eingang der Lohnsteuer in einem vereinfachten Verfahren sicherzustellen.

Hiervon bleibt unberührt, daß die Inanspruchnahme des Arbeitgebers immer eine Ermessensentscheidung voraussetzt, auch für den in § 42 d Abs. 3 Satz 3 EStG geregelten Fall, daß der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird. Die von den Klägern in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob der Arbeitnehmer als Steuerschuldner vorrangig heranzuziehen sei oder nicht, betrifft nur die sachgemäße Ermessensausübung bei Inanspruchnahme des Arbeitgebers. Sie besagt aber nichts darüber, ob bei Inanspruchnahme des Arbeitnehmers eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung zu treffen ist.

3. Dem Antrag der Kläger, Einsicht in die Akten zu gewähren, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind, und der der Beschaffung von Erkenntnissen für zusätzlichen Tatsachenvortrag dient, braucht nicht nachgegangen zu werden, da der revisionsrichterlichen Überprüfung nur die im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen unterliegen und Verfahrensrügen, sofern solche schlüssig erhoben sein sollten, jedenfalls unbegründet sind. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 8 BFHEntlG). Sollten die Kläger der Ansicht sein, ihnen sei das rechtliche Gehör versagt worden, ist diese Rüge nicht schlüssig erhoben worden, da nicht substantiiert dargelegt worden ist, wozu eine Äußerung nicht möglich war, was noch vorgetragen worden wäre und welche abweichende Beurteilung dies ermöglicht hätte (vgl. Gräber/Ruban, FGO, 2. Aufl., § 119 Anm. 13, m. w. N.).