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  BFH-Urteil vom 5.2.1992 (I R 9/90) BStBl. 1992 II S. 607

Es fehlt nicht an einer "Festsetzung" der ausländischen Steuer i. S. des § 34 c Abs. 1 EStG, wenn die Steuer nicht von einer Behörde des ausländischen Staates durch Steuerbescheid festgesetzt, sondern lediglich durch einen privaten Arbeitgeber oder Unternehmer angemeldet wird. Eine Anrechnung dieser Steuer kann in einem solchen Fall nicht von der Vorlage eines ausländischen Steuerbescheides abhängig gemacht werden. Ein ausreichender Nachweis kann vielmehr eine hinreichend klare Bescheinigung des Anmeldenden über die Höhe der für den Steuerpflichtigen abgeführten Steuer sein.

EStG § 34 c Abs. 1; EStDV § 68 b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der im Streitjahr 1982 unbeschränkt steuerpflichtige Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in der Zeit vom 4. November bis 31. Dezember 1982 als Seemann auf einem Schiff tätig, das im internationalen Seeverkehr unter der Flagge Kameruns fuhr. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) war die schweizerische S-S. A. der Arbeitgeber des Klägers. Der Kläger verdiente 10.279 DM "brutto für netto". In der Schweiz zahlte er keine Steuern.

Die Kläger begehrten bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (1982) zunächst die Freistellung der Einkünfte von der inländischen Besteuerung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Im Klageverfahren begehrten die Kläger die Anrechnung einer in Kamerun erhobenen Taxe spéciale sur les revenus servis aux personnes domiciliés hors du Cameroun (kurz: TSR) in Höhe von 2.023,41 DM, sowie einer in Kamerun erhobenen Imp t sur le chiffre d'affaires interieur (kurz: ICAI) in Höhe von 1.187,22 DM.

Dazu legten sie Bescheinigungen der C-S. A. vom 4. November 1986, vom 19. Januar 1988 und vom 18. Januar 1989 vor, wonach der Kläger für diese Gesellschaft seit dem 4. November 1982 arbeite und die genannten Steuern "für das Gehalt des Klägers" gezahlt worden seien. Die Kläger vertraten die Auffassung, daß die genannten ausländischen Steuern der deutschen Einkommensteuer entsprächen.

Das FG wies die Klage ab.

Eine Anrechnung der ICAI komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese ausländische Steuer keine der deutschen Einkommensteuer entsprechende Steuer sei; denn die ICAI sei nicht in der Anlage 10 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) aufgeführt. Selbst wenn diese Steuer im Zusammenhang mit der der deutschen Einkommensteuer entsprechenden TSR gezahlt worden wäre, könne nichts anderes gelten, da § 34 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausdrücklich nur eine Anrechnung der ausländischen Steuern zulasse, die der deutschen Einkommensteuer entsprächen. Die ICAI entspreche dagegen der deutschen Umsatzsteuer.

Eine Anrechnung der TSR könne nicht vorgenommen werden, weil die Kläger nicht den Nachweis gemäß § 68 b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) durch Vorlage entsprechender Urkunden erbracht hätten. Die von den Klägern vorgelegten Bescheinigungen der C-S. A. erbrächten keinen Nachweis dafür, daß die TSR tatsächlich für den Kläger festgesetzt und gezahlt worden sei. Der Nachweis hätte durch Vorlage des Steuerbescheids der kamerunischen Finanzbehörde und der Zahlungsbelege erbracht werden müssen. Dagegen könnten die von der C-S. A. ausgestellten Bescheinigungen keinen Beweis dafür erbringen, daß der Kläger tatsächlich Steuerschuldner der TSR gewesen und diese Steuer auch tatsächlich von ihm gezahlt worden sei.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG, § 68 b EStDV.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 1. Juli 1991 hat das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung geändert, ohne dem Klagebegehren abzuhelfen. Die Kläger haben den Änderungsbescheid gemäß § 123, § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Revisionsverfahren übergeleitet.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 1. Juli 1991 eine ausländische Steuer in Höhe von 3.210,63 DM anzurechnen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG durfte das Klagebegehren nicht an der fehlenden Festsetzung der ausländischen Steuern, deren Anrechnung gemäß § 34 c Abs. 1 EStG die Kläger begehren, durch die ausländische Steuerbehörde scheitern lassen (dazu nachfolgend 2.). Aus den bislang vom FG festgestellten Tatsachen folgt kein Hinweis, daß die von den Klägern erstrebte Steueranrechnung aus anderen Gründen zu versagen wäre (nachfolgend 1.).

1. a) Nach § 34 c Abs. 1 EStG kann nur eine solche ausländische Steuer angerechnet werden, die von dem ausländischen Staat erhoben wurde, "aus dem die ausländischen Einkünfte stammen". Die TSR und die ICAI wurden nach dem Vortrag der Kläger für den Staat Kamerun erhoben. Das FG hat festgestellt, daß der Kläger in der Zeit vom 4. November bis 31. Dezember 1982 als Seemann auf einem Schiff tätig war, das im internationalen Seeverkehr unter der Flagge Kameruns fuhr. Davon ausgehend stammen die ausländischen Einkünfte des Klägers zumindest teilweise aus Kamerun. Schiffe auf hoher See gelten völkerrechtlich als schwimmende Teile des Staates, dessen Flagge sie führen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Oktober 1977 I R 250/75, BFHE 123, 341, BStBl II 1978, 50, m. w. N.). Etwas anderes gilt nur, wenn sich das Schiff in den Hoheitsgewässern eines anderen Staates befindet. Es erscheint daher möglich und wahrscheinlich, daß die Einkünfte des Klägers in der angegebenen Zeit zu einem wesentlichen Teil aus Kamerun "stammen".

b) Ob die kamerunische TSR und ICAI, deren Anrechnung die Kläger begehren, der deutschen Einkommensteuer entsprechen, obliegt der Würdigung des FG, da dies die Feststellung ausländischer Rechtstatsachen voraussetzt. Es erscheint zumindest hinsichtlich der TSR denkbar, daß sie der deutschen Einkommensteuer entspricht, denn sie ist in dem - allerdings nicht abschließenden oder die Gerichte bindenden - Verzeichnis ausländischer Steuern, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen, in Anlage 10 zu Abschn. 212 a EStR (ab 1987) enthalten. Hinsichtlich der kamerunischen ICAI, deren Anrechnung die Kläger ebenfalls erstreben, hat das FG festgestellt, die Steuer entspreche nicht der deutschen Einkommensteuer, ohne dies allerdings rechtstatsächlich zu belegen. Diese Würdigung kann deshalb einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Es reicht nicht, lediglich darauf hinzuweisen, die ICAI sei nicht in der Anlage 10 der EStR aufgeführt und entspreche der deutschen Umsatzsteuer.

c) Nach der Anlage 10 zu Abschn. 212 a EStR 1987/1990 handelt es sich bei der TSR um eine Quellensteuer auf Einkünfte Nichtansässiger. Der Annahme einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden ausländischen Steuer i. S. des § 34 c Abs. 1 EStG steht nicht entgegen, daß die ausländische Steuer gleich einer Quellensteuer deutschen Rechts (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer oder Steuerabzug nach § 50 a EStG) durch Steuerabzug von den Einnahmen erhoben wird. Ausgehend vom Verständnis des deutschen Steuergesetzgebers fehlt es auch nicht an einer "Festsetzung" der ausländischen Steuer, wenn - was im Streitfall in Betracht kommt - die Steuer nicht von einer Behörde des ausländischen Staates durch Steuerbescheid festgesetzt, sondern lediglich durch einen privaten Arbeitgeber oder Unternehmer angemeldet wird (vgl. Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, 5. Aufl., § 34 c EStG Rdnrn. 43, 66 und 82; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., 1991, § 34 c Anm. 4). Im deutschen Steuerrecht werden Abzugssteuern gewöhnlich im Wege der Steueranmeldung erhoben (vgl. § 41 a, § 45 a, § 50 a Abs. 5 EStG i. V. m. § 73 e EStDV), wobei der Abzugspflichtige in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen hat (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Eine Steueranmeldung steht aber grundsätzlich einer Steuerfestsetzung (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) gleich (vgl. § 167 und § 168 AO 1977). Von diesem Verständnis ist auch für die Anwendung des § 34 c Abs. 1 EStG auszugehen.

Ebensowenig fehlt es an einer Identität des Steuersubjekts, wenn die Steuer in dem ausländischen Staat bei einer anderen Person für Rechnung des unbeschränkt Steuerpflichtigen erhoben wird. Es ist deshalb unschädlich, wenn die C-S. A. die in Kamerun auf die Einkünfte des Klägers erhobenen Steuern für dessen Rechnung angemeldet und abgeführt hat.

2. Aus den Darlegungen unter 1. c) folgt, daß das FG die begehrte Steueranrechnung nicht unter Berufung auf § 68 b EStDV von der Vorlage eines Steuerbescheids über die Festsetzung der entsprechenden Steuern abhängig machen durfte. § 68 b EStDV fordert den Nachweis über die Höhe, die Festsetzung und Zahlung ausländischer Steuern nur durch Vorlage "entsprechender Urkunden". In dem dazu in § 68 b EStDV enthaltenen Klammerzusatz "(z. B. Steuerbescheid, Quittung über die Zahlung)" ist lediglich beispielhaft auf die Vorlage des Steuerbescheides und die Quittung über die Zahlung hingewiesen. Diese beispielhafte Aufzählung kann aber nicht dazu führen, daß ein Nachweis über die Festsetzung einer Steuer verlangt wird, die aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht festgesetzt wurde. Dies gilt namentlich für die Anmeldung ausländischer Quellensteuern durch den Steuerpflichtigen für Rechnung des Schuldners. In einem solchen Fall kann nicht einmal in jedem Fall die Vorlage der Steueranmeldung gefordert werden:

§ 68 b EStDV verlangt nur den Nachweis "über" die Festsetzung (und Zahlung) der ausländischen Steuern durch Vorlage entsprechender Urkunden. Schon der Wortlaut der Bestimmung gebietet es daher nicht zwingend, allein die den Steuerbescheid ersetzende Steueranmeldung als Nachweis zuzulassen. Eine Bescheinigung des Anmeldenden und Vergütungsgläubigers über die Höhe der für den jeweiligen Anrechnungsberechtigten abgeführten Steuer - wie sie im Streitfall vorliegt - kann vorbehaltlich der Würdigung der Echtheit und Wahrheit einer solchen Urkunde durch das FG ebenfalls als Nachweis i. S. des § 68 b EStDV in Betracht kommen. Diese Auslegung stimmt auch mit § 34 c Abs. 7 Nr. 2 EStG, der Ermächtigungsgrundlage des § 68 b EStDV, überein, wonach Vorschriften erlassen werden können über den Nachweis "über die Höhe der festgesetzten und gezahlten ausländischen Steuern". Aus einer vorgelegten Steueranmeldung wird sich nämlich vielfach ohne zusätzliche Erläuterungen durch den Steuerpflichtigen die auf den einzelnen Arbeitnehmer oder Dienstverpflichteten entfallende Steuer nicht entnehmen lassen. Der Würdigung der von den Klägern vorgelegten Bescheinigung der C-S. A. war das FG deshalb nicht dadurch enthoben, daß die Kläger keinen Steuerbescheid der kamerunischen Finanzbehörde vorlegen konnten oder wollten.

Die Begründung des FG, die von der C-S. A. ausgestellten Bescheinigungen könnten keinen Beweis dafür erbringen, daß der Kläger tatsächlich Steuerschuldner der TSR gewesen und diese Steuer auch tatsächlich von ihm gezahlt worden sei, stellt keine den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindende und die Anwendung von § 34 c Abs. 1 EStG ausschließende Tatsachenwürdigung dar, da das FG diese Erkenntnis nicht tatsächlich belegt hat. Diese Erwägungen stellen zudem offenkundig lediglich eine unselbständige Hilfsbegründung des FG dar.

Selbst wenn die S-S. A. und nicht die C-S. A. Arbeitgeberin oder Dienstherrin des Klägers war, was das FG nicht geklärt hat, scheint es rechtlich möglich, die von der zweitgenannten Gesellschaft für Rechnung des Klägers auf seine Einkünfte abgeführten kamerunischen Steuern gemäß § 34 c Abs. 1 EStG anzurechnen. § 34 c Abs. 1 EStG verlangt insoweit nur, daß der Steuerpflichtige mit seinen ausländischen Einkünften tatsächlich zu einer ausländischen Steuer herangezogen wurde.

3. Die Entscheidung des FG war deshalb aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das FG wird die Voraussetzungen des § 34 c Abs. 1 EStG nochmals zu überprüfen und dabei auch den von den Klägern vorgelegten Nachweis über die Höhe der festgesetzten und gezahlten kamerunischen Steuern zu würdigen haben. Es wird dabei auch zu prüfen haben, ob die kamerunischen Steuern (TSR und ICAI) im Streitfall für Rechnung des Klägers oder der S-S. A. abgeführt wurden. Im zweiten Fall käme eine Anrechnung oder sonstige Berücksichtigung zugunsten der Kläger nicht in Betracht. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die streitigen Einnahmen dem Kläger "brutto für netto" geschuldet waren, mithin seine Einkünfte um für ihn übernommene Steuern zu erhöhen wären. Sollte das FG nach Würdigung des maßgeblichen ausländischen Steuerrechts die ICAI als eine der deutschen Umsatzsteuer entsprechende Steuer beurteilen, so müßte diese als Werbungskosten des Klägers abgesetzt werden, falls sie für dessen Rechnung geleistet wurde.