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  BFH-Urteil vom 27.2.1992 (X R 139/88) BStBl. 1992 II S. 612

1. Eine Rechtspflicht ist auch dann freiwillig i. S. des § 12 Nr. 2 EStG begründet, wenn der Steuerpflichtige eine sittliche Verpflichtung erfüllt.

2. Wiederkehrende Leistungen (Renten und dauernde Lasten), die der Erbe auf Grund eines Vermächtnisses an einen Dritten zu zahlen hat, sind mit dem Wert des empfangenen Vermögens zu verrechnen. Sie sind mangels wirtschaftlicher Belastung des Erben nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar.

3. Davon ausgenommen sind wiederkehrende Leistungen, die bei einer Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge zu Lebzeiten des Erblassers beim Übernehmer nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar wären (Fortführung des BFH-Urteils vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779).

EStG 1983 § 10 Abs. 1 Nr. 1 a, § 12 Nrn. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist neben ihren beiden Schwestern zu 1/3 Erbin ihres 1984 verstorbenen Vaters. Dieser hatte in einem umfangreichen, vor allem die Unternehmensnachfolge regelnden Testamentsentwurf verschiedene Vermächtnisse, u. a. eine "monatliche Leibrente in Höhe von 2.000 DM", zugunsten seiner im August 1919 geborenen Schwester ausgesetzt. Obwohl das Testament wegen des unerwartet schnellen Todes des Erblassers nicht mehr formwirksam errichtet werden konnte, erfüllten die Erbinnen die vorgesehenen Vermächtnisse. Gegenüber der Schwester des Erblassers verpflichteten sich die Erbinnen mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers in der notariellen Vereinbarung vom 22. November 1984, das formungültige Leibrentenversprechen des Erblassers zu erfüllen.

In der Einkommensteuererklärung 1984 beantragte die Klägerin, einen auf sie entfallenden Anteil von 6.667 DM in Höhe des Ertragsanteils von 25 v. H. als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug ab. Einspruch und Klage gegen den Einkommensteuerbescheid blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, dem Abzug als Sonderausgaben stehe § 12 Nr. 2 EStG entgegen, da die Klägerin als Erbin rechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, das Vermächtnis zu erfüllen. Der für die Abziehbarkeit erforderliche besondere Verpflichtungsgrund könne entgegen § 41 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht nachträglich geschaffen werden.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 12 Nr. 2 EStG und § 41 Abs. 1 AO 1977.

Die Zuwendung der Rente beruhe nicht auf einer freiwillig begründeten Rechtspflicht. Die Erben hätten nur dem Willen des Erblassers entsprochen, der lediglich wegen des unerwarteten Todes nicht rechtlich verbindlich geworden sei. Wenn die Erben wie hier einer sittlichen Verpflichtung gefolgt seien, hätten sie das Rentenversprechen nicht freiwillig begründet. Im übrigen sei die Unwirksamkeit des Vermächtnisses nach § 41 Abs. 1 AO 1977 ohne Bedeutung, weil die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl hätten eintreten lassen. Das Vermächtnis sei entsprechend der Rechtsprechung zur Erbschaftsteuer (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 1973 II R 130/71, BFHE 111, 350, BStBl II 1974, 340) deshalb auch als Nachlaßverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer berücksichtigt worden.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1984 und der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin als Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG nicht abgezogen werden dürfen.

1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1979). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der Ertragswerttabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG genannten Ausgaben weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, "soweit in den §§ 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 8, 10 b und 33 bis 33 c nichts anderes bestimmt ist". Vom Abzugsverbot erfaßt sind u. a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des § 12 EStG nicht erwähnten Renten und dauernden Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG), soweit diese - außerhalb der für die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen geltenden Sonderregelung (unten 2. a) - Unterhaltsleistungen oder Leistungen auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht sind.

Hiernach kommt außerhalb der "Vermögensübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen" bei wiederkehrenden Leistungen (Renten und dauernde Lasten) ein Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG grundsätzlich nicht in Betracht: Soweit wiederkehrende Leistungen ohne Bezug zu einem dafür erhaltenen Vermögenswert versprochen werden, sind sie als Zuwendungen auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht i. S. des § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbar. Stehen sie - wie bei einem dem Erben auferlegten Vermächtnis - in sachlichem Zusammenhang mit einer erhaltenen Gegenleistung, scheitert die Abziehbarkeit daran, daß im Hinblick auf den erhaltenen Verrechnungswert wirtschaftlich keine als Sonderausgabe abziehbare "Last" vorliegt.

Die Voraussetzungen, unter denen auf einem Vermächtnis beruhende wiederkehrende Leistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abgezogen werden dürfen, lagen im Streitfall nicht vor, denn als Sonderausgaben abziehbar sind in der Regel nur Versorgungsleistungen zugunsten des Vermögensübergebers, dessen Ehegatten und neben dem Übernehmer vorhandene erbberechtigte Abkömmlinge. Wiederkehrende Leistungen an nicht erbberechtigte Personen - wie im Streitfall die Schwester des Erblassers - sind dagegen nicht abziehbar.

2. Der Große Senat des BFH hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.

a) In seinem Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847) hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.

In zivilrechtlicher Hinsicht ist der Vermögensübergabevertrag eine Vereinbarung, in der Eltern ihr Vermögen, insbesondere ihren Betrieb oder privaten Grundbesitz mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge auf einen oder mehrere Abkömmlinge übertragen und dabei für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt und für die außer dem Übernehmer noch vorhandenen weiteren Abkömmlinge Ausgleichszahlungen ausbedingen. Die Besonderheit des Übergabevertrages liegt darin, daß er der folgenden Generation unter Vorwegnahme des Erbfalls das Nachrücken in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht und gleichzeitig die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zu einem Teil sichert. Dadurch, daß sich der Übergabevertrag auch als Schenkung darstellt, unterscheidet er sich von einer Vereinbarung, in der Versorgungszusagen im Rahmen eines Austauschs von als gleichwertig angesehenen Leistungen erteilt werden (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1. a).

Der Große Senat hat an der überkommenen Rechtsprechung festgehalten, daß Versorgungsleistungen, die anläßlich der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden, weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten, sondern wiederkehrende Bezüge (§ 22 Nr. 1 EStG) und Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1977 = § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) darstellen (BFHE 161, 317, 327 f., BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1. b und c).

Die Zurechnung der in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) und wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG) beruht darauf, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen. Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i. S. von § 12 Nr. 1 EStG; sie enthalten aus demselben Grund auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht i. S. von § 12 Nr. 2 EStG.

Da die Versorgungsleistungen keine Gegenleistung des Übernehmers sind, müssen sie nicht vorab mit dem Wert des übertragenen Vermögens verrechnet werden (BFHE 161, 317, 328 f., BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1. c).

Der erkennende Senat folgert aus dieser Entscheidung, daß für alle anderen Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen § 12 Nr. 2 EStG uneingeschränkt gilt.

b) Durch Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 3.) hat der Große Senat des BFH des weiteren entschieden: In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Leistungen - auch abänderbare Geldleistungen - sind Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Lasten.

3. Der Große Senat hat Bezug genommen auf die Rechtsprechung zu wiederkehrenden Leistungen aus "kauf- und darlehensähnlichen Vorgängen" und darüber hinaus allen Rechtsvorgängen "im Austausch mit einer Gegenleistung" (BFHE 161, 317, 329, BStBl II 1990, 847, unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 16. September 1965 IV R 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706, und vom 3. Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674). Nach der gleichfalls in Bezug genommenen (BFHE 165, 225, 234, BStBl II 1992, 78) Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine dauernde Last zu verneinen bei entgeltlichen Nutzungsverhältnissen (Urteil vom 24. Oktober 1990 X R 43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175, betr. Erbbauzinsen) sowie dann, wenn eine Auflage aus einem geschenkten Vermögen zu erfüllen ist (Urteil vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779, unter 2.). Eine dauernde Last setzt eine wirtschaftliche Belastung voraus; an ihr fehlt es, wenn die Aufwendungen aus einer empfangenen Gegenleistung erbracht werden können. In allen diesen Fällen wird - anders als bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen - die Überlassung von Substanz oder Nutzung eines Vermögensgegenstandes durch "Verrechnung mit dem Wert einer Gegenleistung" (Wertverrechnung) berücksichtigt.

Der Große Senat hat weiterhin die von der bisherigen Rechtsprechung vorgezeichnete Grenzziehung zwischen den Vorgängen mit und ohne Wertverrechnung bestätigt. Der erkennende Senat geht davon aus, daß der Große Senat die zur Wertverrechnung ergangene Rechtsprechung zwar aufrechterhalten, ihre Fortentwicklung aber nicht ausschließen wollte.

4. Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß hier § 12 Nr. 2 EStG nicht spezialgesetzlich ausgeschlossen ist.

Die durch Vertrag vom 22. November 1984 begründete Rentenverpflichtung der Klägerin steht nicht in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen. Ihrer Berücksichtigung steht deshalb grundsätzlich das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG entgegen.

a) Sieht man in dem Rentenversprechen vom 22. November 1984 - für sich genommen - den maßgeblichen Schuldgrund, sind die Rentenzahlungen Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin schließt eine sittliche Verpflichtung die Freiwilligkeit einer Zuwendung nicht aus.

aa) Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG sind Leistungen, denen keine Gegenleistung gegenübersteht (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1983 IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97; statt vieler Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 12 Rdnrn. C 8 ff.).

bb) Die Freiwilligkeit einer Zuwendung i. S. des § 12 Nr. 2 EStG wird nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich der Steuerpflichtige - wie hier möglicherweise die Klägerin - aus sittlichen Gründen verpflichtet fühlt, eine Rentenverpflichtung einzugehen (vgl. Lindberg in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 12 EStG Rdnr. 134; Arndt in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 12 Rdnr. C 46; Tischer in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 12 EStG Rdnr. 145; Claßen in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 12 Rdnr. 54). Daß eine sittliche Verpflichtung die Freiwilligkeit nicht ausschließt, wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Seit der Einführung des § 12 Nr. 2, 2. Alternative EStG durch das Einkommensteuer-Reformgesetz (EStRG) vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530) zählen sämtliche Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht zu den nichtabziehbaren Aufwendungen. Damit sollte die damals nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 17. Juli 1959 VI 154/57 U, BFHE 69, 218, BStBl III 1959, 345) bestehende Möglichkeit beseitigt werden, eine - etwa bei einer Konventionalscheidung vereinbarte - Unterhaltsverpflichtung in Form einer Rente oder einer dauernden Last in voller Höhe als Sonderausgabe abzuziehen. Die Einführung des § 12 Nr. 2, 2. Alternative EStG bezweckte daher die Gleichbehandlung aller freiwillig begründeten Unterhaltszahlungen ohne Rücksicht auf deren Entstehungsgrund (BTDrucks VII/2180, S. 15). Entspricht der Steuerpflichtige daher mit der Eingehung der Rentenverpflichtung lediglich einer sittlichen Verpflichtung, ist sie gleichwohl freiwillig i. S. des § 12 Nr. 2 EStG begründet. Deren steuermindernde Berücksichtigung kommt daher nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 33, 33 a EStG in Betracht.

b) Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, daß die Klägerin und die anderen Miterbinnen mit Eingehen der Rentenverpflichtung ein - formunwirksames - Rentenvermächtnis des Erblassers erfüllen wollten. Denn auch bei Formwirksamkeit des Vermächtnisses hätten die Rentenzahlungen nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abgezogen werden dürfen. Auf einem Vermächtnis beruhende Versorgungsaufwendungen (Rente oder dauernde Last) dürfen nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie als vom Erblasser vorbehaltene Erträge des übergebenen Vermögens zugunsten des Ehegatten oder anderer neben dem Übernehmer erbberechtigter Abkömmlinge des Erblassers zu beurteilen sind. In allen anderen Fällen sind sie mit dem Wert des übertragenen Nachlaßvermögens zu verrechnen.

aa) Der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Die Erfüllung von Nachlaßverbindlichkeiten, zu denen auch die Vermächtnisverbindlichkeiten gehören (§ 1967 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), ist nach Maßgabe der §§ 1975 ff. BGB auf den Nachlaß beschränkt. Die Erfüllung von Vermächtnisverbindlichkeiten kann der Erbe bei Erschöpfung des Nachlasses unter den erleichterten Bedingungen des § 1992 BGB abwenden. Die dem Erben als Gesamtsrechtsnachfolger des Erblassers auf Grund des Vermächtnisses auferlegte Verpflichtung ist allein durch den erklärten Willen des Erblassers inhaltlich und rechtlich bestimmt. Sie ist durch den Bezug zum Nachlaß durch das erhaltene Vermögen wirtschaftlich abgesichert. Die Frage, ob dem Erben auf Grund eines Testaments auferlegte Aufwendungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar sind, kann deshalb nicht ohne Rücksicht darauf beurteilt werden, daß die Aufwendungen aus dem Nachlaß zu erbringen sind und daß der Erblasser - nicht der vermächtnisbelastete Erbe - die Zuwendung verfügt hat.

bb) Als Sonderausgaben abziehbare Versorgungsleistungen können ihren Entstehungsgrund statt in einer Vereinbarung zu Lebzeiten auch in einer letztwilligen Verfügung (z. B. Vermächtnis) haben. Dies trifft z. B. dann zu, wenn ein überlebender Ehegatte oder ein neben dem Übernehmer des (gesamten) Vermögens erbberechtigter Abkömmling des Erblassers statt seines gesetzlichen Erbteils lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen erhält. Wird dabei Vermögen unter Vorbehalt eines Teils der Erträge in Form von Versorgungsleistungen übertragen, so ist der Entstehungsgrund (vorweggenommene Erbfolge oder Erbeinsetzung und Vermächtnis) unbeachtlich. Dabei ist vorausgesetzt, daß die Erträge solcher Wirtschaftseinheiten vorbehalten werden, die dem - mit Versorgungsleistungen bedachten - Berechtigten auf Grund gesetzlicher Erbfolge zumindest anteilig zustehen würden. Berechtigter in diesem Sinne ist insbesondere der überlebende Ehegatte, sind aber auch neben dem Übernehmer (Erben) des (gesamten) Vermögens erbberechtigte Geschwister (vgl. Großer Senat des BFH in BFHE 161, 317, 327, BStBl II 1990, 847, unter II. 1. a am Ende), die - vor allem aus übergeordneten Gründen der Erhaltung des Familienvermögens - lediglich Versorgungsleistungen erhalten, statt des - ggf. verrenteten - Erbanteils (vgl. Großer Senat des BFH in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 2., betr. Verrentung der Höhe nach feststehender Vermögensansprüche).

c) Handelt es sich - wie im Streitfall - nicht um vorbehaltene Erträge zugunsten des erbberechtigten Ehegatten oder neben dem Übernehmer erbberechtigter Abkömmlinge, kommt ein Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben grundsätzlich nicht in Betracht, weil der Erbe mit der Erfüllung des Vermächtnisses aus dem erhaltenen Nachlaß wirtschaftlich nicht belastet ist.

aa) Bereits im Urteil in BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779 (s. oben zu 3.) hat der erkennende Senat entschieden, daß der Erbe auf Grund testamentarischer Auflage erbrachte Grabpflegeaufwendungen nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehen darf. Dies ist damit begründet worden, daß der Erbe nicht wirtschaftlich belastet ist, wenn er Aufwendungen aus dem vom Erblasser erhaltenen und im Umfang einer Auflage zweckgebundenen Vermögen zu erbringen hat.

Das Urteil betraf zwar die Abziehbarkeit wiederkehrender Leistungen als dauernde Last. Auch wenn im Streitfall davon auszugehen ist, daß wegen der Gleichmäßigkeit der auf Lebenszeit zugesagten Rente eine Leibrente begründet worden ist, ist deren Ertragsanteil nicht abziehbar. Bei einer (im Ergebnis vom Erblasser seiner Schwester) schenkweise zugewendeten Leibrente kommt eine Zerlegung in einen Ertragsanteil (= Zinsanteil) und in eine steuerrechtlich nicht relevante Vermögensumschichtung (zu dieser Funktion des Ertragsanteils vgl. Großer Senat in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 2.) nicht in Betracht, weil nicht nur der - wie auch immer zu bestimmende - Vermögensstamm, sondern auch der "Zinsanteil" freiwillig bzw. auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht zugewendet wird.

bb) Der erkennende Senat kommt damit zu demselben Ergebnis wie die herrschende Meinung, welche die Abziehbarkeit vermächtnisweise zugewendeter Renten und dauernder Lasten nach § 12 Nr. 2 EStG versagt, weil sie für das Tatbestandsmerkmal "freiwillig" auf die Entscheidungslage des Erblassers abstellt (FG Köln, Urteil vom 20. Dezember 1984 VIII 120/79 E und VIII 19/81 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 494; FG Münster, Urteil vom 25. März 1980 VI 1398/76 E, EFG 1980, 441; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. September 1986 IX R 1/82, BFH/NV 1987, 233, 234; Fischer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 22 Rdnr. B 362; Conradi in Littmann/Bitz/Meincke, a. a. O., § 12 EStG Rdnr. 152; Jansen/Wrede, Renten/Raten/Dauernde Lasten, 9. Aufl., Rdnr. 108; a. A. Arndt in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 12 Rdnrn. C 6, 46; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 12 EStG Anm. 10; Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 12 Anm. 11 d).

5. Der Senat weicht nicht ab von den Urteilen des IX. Senats (vom 12. November 1985 IX R 2/82, BFHE 145, 368, BStBl II 1986, 261, und vom 18. Februar 1986 IX R 7/80, BFH/NV 1986, 654) und des VI. Senats (vom 1. August 1975 VI R 168/73, BFHE 116, 505, BStBl II 1975, 882), in denen die Abziehbarkeit vermächtnisweise zugewendeter wiederkehrender Leistungen vorausgesetzt ist. Diese Entscheidungen betreffen Sachverhalte vor Inkrafttreten der Änderung des § 12 Nr. 2 EStG durch das EStRG. Durch die Änderung des § 12 Nr. 2 EStG, wonach auch Zuwendungen auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht zu den nicht abziehbaren Aufwendungen zählen, ist klargestellt, daß wiederkehrende Leistungen nicht allein deshalb abziehbar sind, weil es sich um Versorgungsleistungen handelt, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung gezahlt werden.

6. Der Senat weicht ferner nicht ab vom Urteil des IX. Senats vom 5. August 1986 IX R 9/82 (BFH/NV 1987, 86 - betr. ein von den Kindern als Erben des Tankstellenbetriebs nebst dazugehörendem Grundbesitz zu erfüllendes Rentenvermächtnis zugunsten der nicht als Erbin eingesetzten Ehefrau des Erblassers), das auch Streitjahre nach Änderung des § 12 Nr. 2 EStG durch das EStRG betrifft, und den Abzug der Rentenverpflichtung ohne weitere Begründung vorausgesetzt hat. Die hier vertretene Auffassung führt zum gleichen Ergebnis, weil die Versorgungsleistungen zugunsten der Ehefrau des Erblassers zurückbehaltene Erträge des übergebenen Vermögens darstellen.

7. Die Aufwendungen der Klägerin sind nicht nach § 33 EStG abziehbar. Dabei kann offenbleiben, ob die Aufwendungen deshalb zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 EStG (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715) sind, weil sie sich durch das formunwirksame Vermächtnis dazu sittlich verpflichtet fühlte; jedenfalls fehlt es an einer Belastung der Klägerin, soweit die Aufwendungen zur Erfüllung des formunwirksamen Vermächtnisses aus dem Nachlaß geleistet werden können (BFHE 157, 88, 92, BStBl II 1989, 779).