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  BFH-Urteil vom 23.1.1992 (XI R 47/89) BStBl. 1992 II S. 630

Bei der Ermittlung der Gewerbeerträge eines Organträgers und seiner Organgesellschaft sind die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8 Nr. 7 und 9 Nr. 4 GewStG zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn sich hierdurch für die Organgesellschaft ein negativer Gewerbeertrag ergibt und infolgedessen ein vororganschaftlicher Verlust der Organgesellschaft nach § 10 a GewStG nicht abgesetzt werden kann.

GewStG § 8 Nr. 7, § 9 Nr. 4, § 10 a.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Verlegerin. Den Verlag und die Druckerei einschließlich aller hierzu erforderlichen Grundstücke und Einrichtungen hat sie von der X-GmbH gepachtet. Der Pachtzins belief sich im Streitjahr (1972) auf 3.072.288 DM.

Zwischen der Klägerin als Organträgerin und der X-GmbH als Organgesellschaft besteht seit 1972 ein gewerbesteuerliches Organschaftsverhältnis. Dementsprechend wurden Gewerbeerträge und Gewerbekapitalien beider Unternehmen getrennt ermittelt und anschließend zusammengerechnet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging dabei so vor, daß er die von der Klägerin an die Organgesellschaft gezahlten Pachtzinsen dem Gewinn der Klägerin zur Hälfte, also in Höhe von 1.536.144 DM, nach § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzurechnete und diesen Betrag bei der X-GmbH sodann gemäß § 9 Nr. 4 GewStG wieder kürzte. Hierdurch ergab sich für die X-GmbH für 1972 ein (negativer) Gewerbeertrag von ./. 579.619 DM. Der unter Einbeziehung dieses Betrages gegen die Klägerin festgesetzte einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag für 1972 belief sich nach einem Gewerbeertrag von 13.189.628 DM auf 705.516 DM. Die Klägerin sah bei der Berechnung des Gewerbeertrages demgegenüber wegen des Organschaftsverhältnisses von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG ebenso wie von der Kürzung nach § 9 Nr. 4 GewStG ab. Sie ermittelte deshalb für die X-GmbH einen (positiven) Gewerbeertrag von 956.525 DM und begehrte, hiervon die bei der X-GmbH im Jahre 1971 entstandenen vororganschaftlichen Gewerbeverluste von 502.884 DM abzusetzen.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte insoweit Erfolg.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben, soweit es eine Kürzung des Gewerbeertrages um den von der X-GmbH im Jahre 1971 erzielten Verlust in Höhe von 502.884 DM zugelassen hat.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat geht nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen davon aus, daß im Jahre 1971 zwischen der Klägerin und der X-GmbH noch kein gewerbesteuerlich anzuerkennendes Organschaftsverhältnis bestanden hat, und daß es sich bei den hier in Rede stehenden Verlusten infolgedessen um vororganschaftliche Verluste der X-GmbH handelt. Diese Verluste dürfen von dem der Klägerin zuzurechnenden Gewerbeertrag ihrer nunmehrigen Organgesellschaft in 1972 nicht abgesetzt werden.

a) Nach § 10 a in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung des GewStG 1969 ist bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, der maßgebende Gewerbeertrag um die Gewerbeverluste der fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. Das Recht zum Verlustabzug ist, wie sich aus dem Wortlaut des § 10 a GewStG ergibt, an die Person des Gewerbetreibenden, der den Verlust erlitten hat, geknüpft. Die als Gewerbeverlust absetzbaren Fehlbeträge müssen außerdem bei demselben Unternehmen entstanden sein, dessen Gewerbeertrag nach § 10 a GewStG gekürzt werden soll. Das Erfordernis der Unternehmensgleichheit ergibt sich aus dem Wesen der Gewerbesteuer als einer Objektsteuer (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. September 1990 X R 20/89, BFHE 162, 135, BStBl II 1991, 25, m. w. N.).

Dies gilt auch für organschaftlich verbundene Gesellschaften: Ist eine Kapitalgesellschaft - hier die X-GmbH - in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen - hier die Klägerin - durch ein Organschaftsverhältnis i. S. des § 7 a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. eingegliedert, so gilt sie zwar als Betriebsstätte des anderen Unternehmens (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG). Das heißt aber nicht, daß Organträger und Organgesellschaft ein einheitliches Unternehmen darstellen. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die durch ein Organschaftsverhältnis verbundenen Unternehmen - trotz der Fiktion, daß die organschaftlich mit der Obergesellschaft verbundene Untergesellschaft als Betriebsstätte der Obergesellschaft anzusehen ist - selbständige Unternehmen bleiben, die für sich bilanzieren und ihre Gewerbeerträge i. S. des § 7 GewStG getrennt ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73, mit Rechtsprechungsnachweisen). Erst der selbständig ermittelte Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist mit dem vom Organträger selbst erzielten Gewerbeertrag zusammenzurechnen. Auf dieser Grundlage wird sodann allein gegen die beherrschende Gesellschaft - den Organträger - der Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt. Die Zusammenrechnung der Gewerbeerträge und auch der Gewerbekapitalien aller zum Organkreis gehörenden Gesellschaften hat die Wirkung, daß die zusammengefaßten Ergebnisse nur einmal der Gewerbesteuer unterliegen.

Dies hat zur Folge, daß die Organgesellschaft ihre vor Begründung der Organschaft entstandenen Verluste nach § 10 a GewStG auch nach Begründung der Organschaft nur bei ihrem - positiven - Gewerbeertrag, nicht aber bei dem für den Organträger ermittelten Gewerbeertrag absetzen kann. Bei dem Organträger wirkt sich der Verlustabzug erst dadurch aus, daß ihm der für die Organgesellschaft selbständig ermittelte Gewerbeertrag anschließend zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteile vom 31. Januar 1956 I 254/55 U, BFHE 62, 246, BStBl III 1956, 91; vom 17. Februar 1972 IV R 17/68, BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 10 a Rdnr. 22; Blümich/von Twickel, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 10 a Rdnr. 97).

b) Im Streitfall ist der für die X-GmbH für 1972 ermittelte Gewerbeertrag jedoch negativ; ein Abzug der vororganschaftlichen Fehlbeträge kommt deshalb nicht in Betracht. Denn bei der Ermittlung der Gewerbeerträge jedes der beiden organschaftlich verbundenen Unternehmen sind die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8 und 9 GewStG zu beachten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582, unter 3. der Entscheidungsgründe; vom 2. März 1983 I R 85/79, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427, und in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73, unter 2. der Entscheidungsgründe). Dem vom Pächter oder Mieter erwirtschafteten Gewinn aus Gewerbebetrieb ist folglich gemäß § 8 Nr. 7 GewStG die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzuzurechnen. Um hierdurch bedingte gewerbesteuerliche Doppelbelastungen zu vermeiden, bestimmt § 9 Nr. 4 GewStG, daß die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um die bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb des Vermieters oder Verpächters berücksichtigten Miet- oder Pachtzinsen für die Überlassung von nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgütern seines Anlagevermögens zu kürzen ist, soweit sie nach § 8 Nr. 7 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb des Mieters oder Pächters hinzugerechnet worden sind. Im Streitfall ist hiernach der gewerbliche Gewinn der Klägerin um den hälftigen Pachtzins von 1.536.144 DM zu erhöhen. Für die X-GmbH ergibt sich nach Kürzung um denselben Betrag ein Gewerbeverlust von 579.619 DM. Es fehlt damit an einem mit Verlusten verrechenbaren positiven Gewerbeertrag.

c) Der demgegenüber von der Klägerin und ihr folgend der Vorinstanz unter Hinweis auf Abschn. 42 Abs. 1 Satz 4 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1969 eingenommene Standpunkt, die Kürzung nach § 9 Nr. 4 GewStG bei der Organgesellschaft habe ebenso zu unterbleiben wie die zuvorige Hinzurechnung der Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG beim Organträger, ist hiermit nicht vereinbar. Zu Unrecht beruft sich das FG in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Rechtsprechung des BFH, wonach bei der Ermittlung der Gewerbeerträge von Organträger und Organgesellschaft in Einzelfällen Korrekturen vorzunehmen sind, um doppelte steuerliche Belastungen, aber auch ungerechtfertigte steuerliche Entlastungen zu vermeiden. Zwar hat danach z. B. bei der Ermittlung des Gewerbeertrages einer Organgesellschaft eine Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG zu unterbleiben, wenn es sich um Zinsen für Schulden zwischen Gesellschaften desselben Organkreises handelt (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1974 I R 182/72, BFHE 113, 467, BStBl II 1975, 46). Nach dem BFH-Urteil vom 26. Januar 1972 I R 171/68 (BFHE 104, 361, BStBl II 1972, 358) ist der Gewerbeertrag des Organträgers zu korrigieren, wenn die Organgesellschaft an den Organträger Gewinne ausgeschüttet hat und damit eine entsprechende Gewinnerhöhung beim Organträger eingetreten ist. Das gleiche gilt, wenn die Organgesellschaft ihren Gewinn zunächst in eine Rücklage einstellt und erst später an den Organträger ausschüttet. Eine Korrektur des Gewerbeertrages des Organträgers ist hiernach ebenfalls erforderlich, wenn der Organträger die Anteile an der Organgesellschaft veräußert und dabei einen Gewinn erzielt, der ganz oder z. T. darauf beruht, daß die Organgesellschaft aus den während der Organschaft erzielten Gewinnen Rücklagen gebildet hat. Eine Korrektur ist schließlich auch dann geboten, wenn der Gewerbeertrag der Organgesellschaft negativ ist und der Organträger Teilwertabschreibungen auf seine Beteiligung an der Organgesellschaft vornimmt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73).

Um Fälle dieser Art handelt es sich bei der Hinzurechnung der hälftigen Miet- oder Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 7 GewStG beim Organträger indes nicht. Doppelte steuerliche Belastungen, die durch die nachfolgende Zusammenrechnung der selbständig ermittelten Gewerbeerträge von Organträger und Organgesellschaft bedingt sind, sind hier nicht zu befürchten. Infolge der Kürzungsregelung in § 9 Nr. 4 GewStG werden unerwünschte Doppelbelastungen vielmehr ausgeschlossen. Dem Umstand, daß hierdurch für die Organgesellschaft im Einzelfall der Verlustabzug verlorengehen kann, widerspricht dem nicht. Die gesetzliche Regelung ist eindeutig. Maßgeblich für die Gewerbesteuer als eine Objektsteuer sind nicht allein die Gewinne, sondern - wie sich aus § 7 GewStG ergibt - die Gewerbeerträge, die außer dem Gewinn noch die Zu- und Abrechnungen der §§ 8, 9 GewStG enthalten. Abgesehen davon entscheidet sich die Absetzbarkeit vororganschaftlicher Verluste nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 a GewStG und nicht nach den gemäß §§ 8, 9 GewStG vorzunehmenden Hinzurechnungen und Kürzungen (s. auch Glanegger/Güroff, a. a. O., § 10 a Rdnr. 22). Für Korrekturen der jeweils ermittelten Gewerbeerträge besteht sonach von der Sache her keine Veranlassung. Sie rechtfertigen sich aber auch nicht dadurch, daß es - sieht man von dem Abzug der vororganschaftlichen Verluste einmal ab - im wirtschaftlichen Ergebnis keinen Unterschied macht, ob die Miet- oder Pachtzinsen zunächst beim Organträger gemäß § 8 Nr. 7 GewStG hinzugerechnet und anschließend bei der Organgesellschaft nach § 9 Nr. 4 GewStG wieder gekürzt werden. Die Hinzurechnungs- und Kürzungsregelungen sind grundsätzlich zwingendes Recht, von dessen Anwendung nicht lediglich aus steuertechnischen Vereinfachungsgründen abgesehen werden kann.

2. Da das FG von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist, war sein Urteil insoweit - betreffend Gewerbesteuermeßbetrag 1972 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.