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  BFH-Urteil vom 6.3.1992 (VI R 163/88) BStBl. 1992 II S. 661

Aufwendungen einer Praxishilfe in einem Massagebetrieb für die Teilnahme an einem Lehrgang, der für die Erlangung der Erlaubnis zur Ausübung einer Tätigkeit unter der Bezeichnung "Masseur" oder "Masseurin" gesetzlich vorgeschrieben ist, sind Ausbildungskosten und nicht als Werbungskosten abziehbare Fortbildungskosten.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1989, 105)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) arbeitete seit 1970 in der Massagepraxis ihres im Februar 1984 verstorbenen Ehemannes. Sie hatte vom 1. bis 19. Februar 1971 an einem Lehrgang teilgenommen und dabei nach einem ihr ausgestellten Zeugnis in 72 Stunden die klassische Ganzmassage zur vorbeugenden Gesundheitspflege in Theorie und praktischen Übungen erlernt. Ihr wurde bescheinigt, sie sei als ärztlich geprüfte Massage-Fachkraft geschult, Ganzmassagen fachlich einwandfrei auszuführen. In der Praxis ihres verstorbenen Ehemannes war die Klägerin außer für allgemeine Verwaltungsarbeiten im wesentlichen in der Fußpflege, der Fango-Behandlung, der Elektrotherapie sowie in der Streckungsbehandlung der Patienten tätig.

Nach dem Tode ihres Ehemannes verpachtete die Klägerin den Massagebetrieb. Sie besuchte vom 1. April 1985 bis zum 31. März 1986 den gemäß § 8 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 (BGBl I, S. 985) vorgeschriebenen Lehrgang an einer staatlich anerkannten Massageschule und bestand ihn mit der Note "sehr gut".

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 machte die Klägerin die der Höhe nach nicht umstrittenen Lehrgangskosten von 11.276 DM als (vorab entstandene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte statt dessen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Sonderausgaben in Höhe von 900 DM als Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung.

Das Finanzgericht (FG) wies die auf Anerkennung eines Verlustes bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 11.276 DM, hilfsweise auf die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 8.014 DM gerichtete Klage als unbegründet ab. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 105 veröffentlicht.

Die Klägerin macht mit ihrer vom FG zugelassenen Revision die Verletzung des § 9 EStG, hilfsweise der §§ 4, 33 EStG und Verfahrensfehler geltend. Sie trägt vor: Es sei den zahlreichen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anerkennung von Fortbildungskosten nicht zu entnehmen, daß dafür eine abgeschlossene Berufsausbildung Voraussetzung sei. Auch die Legaldefinition der beruflichen Fortbildung in § 41 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) verlange keine abgeschlossene Berufsausbildung, sondern nur eine angemessene Berufserfahrung. Der BFH habe in dem Urteil vom 28. September 1984 VI R 144/83 (BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89) Aufwendungen als Fortbildungskosten anerkannt, obwohl keine abgeschlossene Berufsausbildung vorgelegen habe. Das Abstellen auf diese Voraussetzung stehe auch im Widerspruch zu der vom BFH erklärten Zielsetzung, die Flexibilität im Beruf zu fördern. Das FG habe selbst festgestellt, daß die Tätigkeit in dem Betrieb ihres verstorbenen Ehemannes eine gute Voraussetzung für die angestrebte Tätigkeit gewesen sei. Eine abgeschlossene Berufsausbildung zu verlangen, wäre im Streitfall schon deshalb nicht sachgerecht, weil es einen Lehrberuf der Masseurgehilfin nicht gebe. Das Erfordernis der abgeschlossenen Berufsausbildung würde dazu führen, daß in dieser Berufsgruppe - ungeprüfte - Masseure mit ihren Aufwendungen zur Höher- und Weiterqualifikation keine Fortbildungskosten haben könnten.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten von 11.276 DM zu berücksichtigen, hilfsweise, insoweit vorab entstandene Betriebsausgaben, äußerst hilfsweise, außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 8.014 DM anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanz hat zu Recht entschieden, daß die Aufwendungen der Klägerin für die Teilnahme an dem Lehrgang den gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit dem Höchstbetrag von 900 DM abziehbaren Ausbildungskosten zuzuordnen sind und es sich nicht um als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu berücksichtigende Fortbildungskosten handelt.

1. Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung sind nach ständiger Rechtsprechung Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Hierunter fallen Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 7. November 1980 VI 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216; vom 28. November 1980 VI R 195/79, BFHE 132, 53, BStBl II 1981, 309, und vom 13. März 1981 VI R 26/79, BFHE 132, 570, BStBl II 1981, 439, jeweils m. w. N.). Hiervon zu unterscheiden sind die Berufsausbildungskosten. Solche liegen vor, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94). Sie erwachsen nahezu jedem Steuerpflichtigen und gehören nach ständiger Rechtsprechung zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Hierzu zählen auch Aufwendungen zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln. Berufsausbildungskosten in diesem Sinne sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben nur bis zu den dort genannten Höchstbeträgen zu berücksichtigen. Ausnahmsweise sind die Aufwendungen für die Berufsausbildung dann den Werbungskosten zuzurechnen, wenn sie im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses entstehen, aus dem lohnsteuerpflichtige Einnahmen bezogen werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 159/74, BFHE 114, 428, BStBl II 1975, 356 und das von der Klägerin zitierte Urteil in BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89).

2. Das FG ist unter Berücksichtigung dieser Kriterien zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Besuch des Lehrgangs an der staatlich anerkannten Massageschule als Berufsausbildung zu werten ist. Die durch eine Prüfung nachzuweisende erfolgreiche Teilnahme an dem Lehrgang an der staatlich anerkannten Massageschule war neben einer in bestimmten Einrichtungen abzuleistenden praktischen Tätigkeit gesetzlich zwingend vorgeschriebene Voraussetzung für die Erlangung der Erlaubnis zur Ausübung einer Tätigkeit unter der Bezeichnung "Masseur" (vgl. §§ 1, 2, 8, 9 und 10 des Gesetzes vom 21. Dezember 1958, a. a. O.). Dies rechtfertigt es, die Teilnahme an dem Lehrgang und die praktische Tätigkeit als Ausbildung anzusehen. Es werden dadurch erstmals die Qualifikationen erworben, die für die Ausübung des Berufs als Masseur zwingend erforderlich sind.

Zutreffend hat das FG entschieden, daß im Streitfall nicht ausnahmsweise eine andere Beurteilung deshalb in Betracht kommt, weil die Klägerin jahrelang als Praxishilfe in der Massagepraxis ihres Ehemannes gearbeitet und im Jahre 1971 an einem Lehrgang mit 72 Unterrichtsstunden teilgenommen hatte. Zu einem anderen Ergebnis hätte es auch nicht geführt, wenn dabei das Vorbringen aus dem Revisionsverfahren, daß die Klägerin sich die zur Ausübung des Masseurberufs erforderlichen Kenntnisse während ihrer Tätigkeit angeeignet habe, als richtig unterstellt wird. Alle diese Umstände mögen sich - wie das FG auch für die praktische Tätigkeit festgestellt hat - positiv insoweit ausgewirkt haben, als die Klägerin die Prüfung mit einem sehr guten Ergebnis bestanden hat. Diese Auswirkung der bisherigen Tätigkeit und Erfahrungen reicht jedoch für eine vom Regelfall abweichende einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Lehrgangsbesuchs als Fortbildung in einem ausgeübten Beruf nicht aus. Bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Praxishilfe in einer Massagepraxis handelt es sich nicht um einen Beruf, der - wie z. B. derjenige der Arzthelferin - durch eine Berufsausbildung im herkömmlichen Sinne erlernt wird. Die Klägerin hatte mithin bisher keine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Massageberuf im weitesten Sinne vorzuweisen. Unter diesen Umständen erweist sich die Auffassung des FG als zutreffend, daß die Anerkennung von Fortbildungskosten bereits daran scheitert, daß keine berufliche Tätigkeit ausgeübt worden ist, die zu einer besseren Qualifizierung hätte führen können. Es ging vielmehr darum, überhaupt erstmals eine Qualifizierung zu erlangen.

Bei der Wertung, ob der Besuch von Schulen oder Lehrgängen Ausbildung oder Fortbildung ist, kann im Interesse der Praktikabilität für die Annahme einer Fortbildung nicht gänzlich auf formale Kriterien, wie z. B. eine durch Zeugnisse nachweisbare abgeschlossene Berufsausbildung, verzichtet werden. Anderenfalls könnte fast jede Berufsausbildung mit der Begründung als Fortbildung dargestellt werden, daß de facto die erforderlichen Kenntnisse bereits zuvor autodidaktisch erworben worden seien und nunmehr der Schulbesuch lediglich nachgeholt werden müsse, um den formalen gesetzlichen Anforderungen zu genügen.

Das Argument, daß bei dieser Betrachtungsweise die Qualifikation als Masseur niemals im Wege der Fortbildung erlangt werden könne, führt zu keiner anderen Wertung. Es gibt keinen Grundsatz des Inhalts, daß jede berufliche Qualifikation, die üblicherweise durch eine Ausbildung erlangt wird, auch durch eine Fortbildung zu erreichen sein muß.

Der von der Revision angeführte Vergleich mit einem Gesellen, der sich zum Meister fortbildet, rechtfertigt im Streitfall ebenfalls keine andere Entscheidung. Denn ein Handwerksgeselle hat - im Gegensatz zur Klägerin - eine abgeschlossene Berufsausbildung und kann durch die bestandene Gesellenprüfung den Erwerb grundlegender Kenntnisse nachweisen. Er hat damit eine Basis geschaffen, von der aus eine Fortbildung möglich ist.

Schließlich betraf der von der Klägerin angeführte Fall in BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89 ein Ausbildungsdienstverhältnis und ist deshalb nicht einschlägig.

3. Da im Streitfall somit Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegen, scheidet nicht nur die Annahme von vorab entstandenen Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern auch von vorab entstandenen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) aus. Denn mit der Annahme von Ausbildungskosten kommt eine Zuordnung der Aufwendungen zur Erwerbssphäre unabhängig davon nicht in Betracht, ob ansonsten ein ausreichend konkreter wirtschaftlicher Zusammenhang mit Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit oder solchen aus selbständiger Arbeit zu bejahen wäre.

4. Die Aufwendungen für die Teilnahme an dem Lehrgang stellen auch keine außergewöhnlichen Belastungen i. S. des § 33 EStG dar. Kosten für eine erstmalige Berufsausbildung erwachsen - wie bereits oben dargelegt - nahezu jedem Steuerpflichtigen und können deshalb nicht als außergewöhnlich angesehen werden. Da die Berufsausbildung auf einer freien Entschließung beruht, sind die Aufwendungen regelmäßig auch nicht zwangsläufig (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 33 Anm. 8 "Berufsausbildung", m. w. N.).