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  BFH-Urteil vom 21.2.1991 (IX R 265/87) BStBl. 1992 II S. 718

Der Erwerb eines Grundstücks gegen die Verpflichtung, dieses mit einem Wohnhaus zu bebauen und dem Veräußerer ein dingliches Wohnungsrecht an einem Teil des Gebäudes auf Lebenszeit zu bestellen, kann als Anschaffungsgeschäft zu beurteilen sein.1

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb aufgrund notariell beurkundeten "Übergabevertrags" vom 8. September 1978 von seinen beiden Tanten ein bebautes Grundstück. Nach den Vorstellungen der Vertragsparteien war das darauf befindliche Bauwerk wertlos; es sollte abgerissen werden. Der Verkehrswert des Grundstücks betrug nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten 88.830 DM. Als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks verpflichtete sich der Kläger gegenüber seinen Tanten, auf dem Grundstück nach dem Abriß der vorhandenen Bebauung binnen zweier Jahre ein Wohnhaus zu errichten und ihnen ein dingliches Wohnungsrecht an einer Wohnung im Erdgeschoß des Neubaues zur unentgeltlichen Selbstnutzung bis zum Tode der Längstlebenden einzuräumen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berechnete den kapitalisierten Wert des dinglichen Wohnungsrechts mit 83.648 DM. Die Vertragsparteien waren sich lt. Vertrag darüber einig, daß der Kläger mit der Errichtung des Wohnhauses und der Bestellung des Wohnungsrechts seine Gegenleistung in voller Höhe erbracht habe. Falls der Kläger seiner Verpflichtung nicht fristgerecht nachkommen sollte, hatte er das Grundstück den Tanten zurückzuübertragen. Besitz, Nutzungen und Lasten gingen auf den Kläger mit dem Tag des Vertragsschlusses über. Das von ihm auf dem übertragenen Grundstück errichtete Zweifamilienhaus wurde im Jahre 1980 bezugsfertig. Er überließ eine Wohnung seinen beiden Tanten; die andere bezog er selbst.

Das FA erließ im Jahre 1985 gegen die Kläger einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1978, in dem es Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in Höhe des Verkehrswerts des erworbenen Grundstücks von 88.830 DM ansetzte. Es war der Ansicht, der Kläger habe seinen Tanten entgeltlich ein Wohnungsrecht zugewendet.

Die Kläger machten mit ihrer nach insoweit erfolglosem Einspruch erhobenen Klage geltend, die für den Vorbehaltsnießbrauch maßgebenden steuerrechtlichen Grundsätze seien im Streitfall auf das Wohnungsrecht entsprechend anzuwenden, weil sich die Tanten das Wohnungsrecht zurückbehalten hätten. Selbst wenn man einen Tausch des Grundstücks gegen Einräumung eines dinglichen Wohnungsrechts annehmen wolle, so müsse dieser Rechtsvorgang der einkommensteuerrechtlich irrelevanten Vermögenssphäre zugeordnet werden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, die Übertragung des Grundstücks könne nicht als die Gegenleistung für die Einräumung des Wohnungsrechts beurteilt werden. Wirtschaftlich betrachtet hätten sich die Tanten das Wohnungsrecht wie ein Vorbehaltsnießbraucher zurückbehalten.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung verneint.

Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung solche aufgrund einer entgeltlichen Überlassung von Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen. Das empfangene Entgelt muß nach dem wirtschaftlichen Gehalt des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses als Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung zu beurteilen sein. Daran fehlt es in den Fällen des Kaufs und des Tauschs, die beide auf die endgültige Übertragung des Vermögensgegenstandes selbst gerichtet sind.

Der erkennende Senat legt den vom Kläger mit seinen Tanten abgeschlossenen Vertrag vom 8. September 1978 nicht als eine entgeltliche Überlassung einer Wohnung auf Lebenszeit, sondern als ein Rechtsgeschäft aus, das auf die Anschaffung des Grundstücks gerichtet war. Um das Grundstück von den Tanten erwerben zu können, verpflichtete sich der Kläger diesen gegenüber, das Grundstück mit einem Wohnhaus zu bebauen und ihnen ein dingliches Wohnungsrecht an einer Wohnung zu bestellen. Die Gegenleistung des Klägers für die Übereignung des Grundstücks bestand in diesem Fall nicht in einer dauernden Überlassung einer Wohnung zur Selbstnutzung, sondern in der Bebauung des Grundstücks und der Bestellung des dinglichen Wohnungsrechts. Mit der Bebauung des Grundstücks und der Einräumung des dinglichen Wohnungsrechts hatte der Kläger nach dem ausdrücklichen Willen der Vertragsparteien seine Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt.

Der erkennende Senat weicht mit dieser Würdigung des Vertragsverhältnisses, die er selbst vornehmen kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Anm. 17 zu § 118, m. w. N.), nicht von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 27. Juni 1978 VIII R 54/74 (BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332) ab. Dem vorstehenden Urteil liegt ein mit dem des Streitfalls nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Während das Vertragsverhältnis des Klägers als ein Anschaffungsgeschäft zu beurteilen ist, wurde im Urteilsfall in BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332 ein Einfamilienhaus zur Nutzung überlassen als nachträgliche Vergütung für geleistete Dienste.