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  BFH-Urteil vom 7.4.1992 (VIII R 59/89) BStBl. 1992 II S. 809

Als Abfindung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht geleistete Rentenzahlungen sind regelmäßig wiederkehrende Bezüge i. S. von § 22 EStG.

EStG 1975 §§ 12 Nr. 2, 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenzuveranlagende Ehegatten. Die - im Jahre 1930 geborene - Klägerin ist die Adoptivtochter der Beigeladenen, die u. a. Alleingesellschafterin einer GmbH war. Da für die Geschäftsleitung der GmbH die beiden Söhne der Beigeladenen vorgesehen waren, trat diese an die Klägerin mit der Bitte um eine vorzeitige Regelung ihres Erb- und Pflichtteilsanspruchs heran. Die Klägerin und die Beigeladene schlossen daraufhin am 10. November 1975 einen notariellen "Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag", in dem die Klägerin auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtete und "als Gegenleistung ohne Rücksicht auf den Wert des Erb- und Pflichtteilsverzichts" eine Rente in Höhe von 100.000 DM jährlich auf die Dauer von elf Jahren, zahlbar erstmals zum 1. Dezember 1975, erhalten sollte.

In Abschn. II des Vertrages ist weiter bestimmt, daß die Rente ausschließlich der Versorgung der Klägerin sowie ihrer leiblichen Abkömmlinge diene und im Falle des Todes der Klägerin an ihre Kinder bzw. - bei deren Vorversterben - an die Erben der Klägerin zu zahlen sei.

Zu den Verhandlungen im Vorfeld des Vertragsabschlusses führte die Klägerin aus, daß die Abfindung ohne Übervorteilung einer Seite habe bemessen werden sollen. Allerdings seien ihr Auskünfte über den Wert des Erbrechts verweigert worden. Die Beigeladene führte aus, sie habe nie den Eindruck erweckt, daß die Abfindungssumme dem Wert des Erbrechts der Klägerin angemessen gewesen sei.

Das für die Veranlagung der Kläger zunächst zuständige Finanzamt A beurteilte die Zahlungen als wiederkehrende Bezüge i. S. von § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der nunmehr zuständige Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klage hatte Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Materielles Recht sei verletzt, weil das FG statt einer unentgeltlichen Versorgungszeitrente eine entgeltliche Veräußerungszeitrente angenommen und damit § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG verkannt habe. Die Entscheidung weiche insoweit auch von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 1973 VIII R 71/69 (BFHE 111, 33, BStBl II 1974, 101) ab.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die als Abfindung für den Erb- und Pflichtteilsverzicht geleisteten jährlichen Zahlungen sind bei der Klägerin Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, die als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 22 Nr. 1 Satz 1 EStG 1975).

1. Abfindungen für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht sind in der Rechtsprechung bisher stets beim Empfänger als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG und beim Geber als nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehbare Sonderausgaben (Versorgungszeitrente) behandelt worden (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 30. März 1938 VI 197/38, RFHE 43, 290; BFH-Urteile vom 10. April 1953 IV 384/52 U, BFHE 57, 400, BStBl III 1953, 157; in BFHE 111, 33, BStBl II 1974, 101). Der Senat schließt sich für den Streitfall, der nur einen Teilbereich der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten vorweggenommener Erbfolge durch Erb- und Pflichtteilsverzicht betrifft (vgl. dazu Speckmann, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1970, 117 ff.; Pühringer, Betriebs-Berater - BB - Beilage 1989, Nr. 6 S. 2, 3), im Ergebnis dieser Rechtsprechung an. Einer der Ausnahmefälle, in denen § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG trotz vorliegender wiederkehrender Bezüge nicht anwendbar ist, liegt nicht vor. Insbesondere sind weder die Voraussetzungen einer Veräußerungszeitrente noch diejenigen einer Unterhaltsrente erfüllt.

a) Die Abfindungszahlungen sind nicht als Veräußerungszeitrente zu beurteilen, bei der unabhängig von ihrer Laufzeit gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur der in den einzelnen jährlichen Zahlungen enthaltene Zinsanteil als Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterliegt, die eigentliche Gegenleistung aber steuerfrei bleibt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. zusammenfassend zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung von Vermögensübertragungen gegen Renten Beschluß vom 7. März 1989 IX R 308/87, BFHE 157, 345, BStBl II 1989, 772; Fischer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 22 Rdnrn. B 56 ff.).

Eine Gegenleistung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Die Zahlungen beruhen

- weder auf einem Kauf oder kaufähnlichen Geschäft (wie z. B. im Falle des Verzichts auf ein testamentarisch vermachtes Recht gegen Ratenzahlung, BFH-Urteil vom 9. August 1990 X R 140/88, BFHE 161, 531, BStBl II 1990, 1026, und - die bisherige Rechtsprechung zu dieser Fallgruppe zusammenfassend - BFHE 157, 345, BStBl II 1989, 772),

- noch auf einem diesem gleich zu behandelnden Geschäft (wie z. B. im Falle des Verzichts eines Ehegatten auf den Zugewinnausgleich, BFH-Urteil vom 3. Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674, und - die bisherige Rechtsprechung zu dieser Fallgruppe zusammenfassend - BFH-Beschluß vom 25. April 1990 X R 38/86, BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, unter II 3 a),

- noch kann in Höhe der tatsächlich gezahlten Abfindung ein teilentgeltliches Geschäft angenommen werden, wie dies der BFH z. B. für Abstandszahlungen und Ausgleichsleistungen angenommen hat, die im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge an den Übergeber geleistet werden (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C II 2).

aa) Allerdings vertritt für den Bereich des Zivilrechts eine nahezu einhellige Meinung die Ansicht, die Vereinbarung über den Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung sei als echter gegenseitiger Vertrag i. S. der §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein entgeltliches Geschäft (zum älteren Schrifttum vgl. insbesondere Speckmann, NJW 1970, 117; Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Bearbeitung, 1990, § 82 VI; Leipold, Erbrecht, 8. Aufl., 1990, Rz. 407; von Lübtow, Erbrecht, 1. Halbband 1971, S. 532: in der Regel entgeltlich; Schlüter in Erman, BGB, 8. Aufl., 1989, Vor § 2346 Anm. 3; Teubner, Alternativkommentar zum BGB, Bd. 6, 1990, Vor § 2346 Anm. 22). Der Erbverzicht - ein abstraktes Verfügungsgeschäft - erhalte in Verbindung mit der Abfindungsvereinbarung - dem kausalen Verpflichtungsgeschäft - gewisse Züge einer Kauf- oder Tauschvereinbarung auch dann, wenn zwischen beiden keine synallagmatische Leistungsbeziehung im engeren Sinne bestehe (Pühringer, a. a. O., S. 3; Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 ff., 2053, m. w. N.).

Demgegenüber weisen aber schon die Motive zum BGB (MotBd. V, 450) darauf hin, daß jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen sei, ob nicht in Wirklichkeit eine gemischte Schenkung vorliege. Ggf. ist auch zu prüfen, ob nicht eine verschleierte Schenkung anzunehmen ist (Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2325 Anm. 7).

Schon aus diesen - zivilrechtlichen - Gründen, die in den Fällen des Erbverzichts gegen Abfindung eine tatsächliche Vermutung zugunsten eines kaufähnlichen Geschäftes ausschließen, durfte das FG unter den gegebenen Umständen und dem sich widersprechenden Vortrag der Vertragsparteien nicht ohne weitere Sachaufklärung und Beweisaufnahme davon ausgehen, es hätten sich nach den Feststellungen der Vertragsparteien Leistung und Gegenleistung ausgewogen gegenübergestanden (zu den in solchen Fällen ggf. zu berücksichtigenden tatsächlichen Vermutungen vgl. etwa Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Juni 1972 IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132, und Staudinger/Ferid/Cieslar, a. a. O., § 2325 Anm. 7, sowie - beispielhaft für Ausnahmefälle - Speckmann, NJW 1970, 121; Pühringer, a. a. O., S. 7). Vielmehr hätte es sich von dem Erfahrungssatz des täglichen Lebens leiten lassen müssen, daß bei Vermögenszuwendungen von Eltern an Kinder grundsätzlich nicht von einem gegenseitigen Abwägen der Leistung und damit von einer Veräußerungsrente auszugehen ist (vgl. u. a. BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C I 1; zur Entwicklung der Rechtsprechung Fischer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 22 Rdnrn. B 291, 292, m. w. N.).

bb) Der Senat kann jedoch offenlassen, ob und inwieweit die vom FA erhobenen Verfahrensrügen zulässig und begründet sind. Das Urteil des FG ist bereits aus materiell-rechtlichen Gründen aufzuheben.

Für den Regelungsbereich des § 22 Nr. 1 EStG kann der ausschließlich zwischen dem potentiellen Erblasser und dem Erbberechtigten vereinbarte Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung nicht als entgeltliches Geschäft beurteilt werden (so ausdrücklich - wenn auch ohne nähere Begründung - BFH in BFHE 111, 33, BStBl II 1974, 101; RFH-Urteil vom 11. September 1937 VI A 427/37, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1937, Nr. 467; vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 416 - Lfg. 148 -; Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 6 Anm. 201; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 22 Anm. 6 c).

aaa) Das gilt zunächst für das den Pflichtteil überschreitende Erbrecht. Der Verzicht gegenüber dem potentiellen Erblasser auf etwas, was dieser dem Erbberechtigten jederzeit entziehen kann, kann nicht Entgelt sein. Das mag unter Umständen anders sein, wenn der Erblasser vor dem Verzicht in der Verfügung beschränkt war (z. B. durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament) und die (Wieder-)Erlangung der erweiterten Verfügungsbefugnis für den Erblasser einen gegenwärtigen geldwerten Vorteil bedeutet; so liegt der Fall aber hier nicht.

bbb) Ein Entgelt liegt aber regelmäßig auch hinsichtlich des Verzichts auf den künftigen Pflichtteilsanspruch nicht vor. Insoweit besteht für den Pflichtteilsberechtigten allenfalls eine ungesicherte Erwerbschance. Sie ist vor Eintritt des Erbfalls weder übertragbar noch pfändbar (vgl. Soergel/Knopp/Stein, BGB, 11. Aufl., Einleitung Rdnr. 2 Vor § 1922), noch als bloße Erwerbsaussicht in Geld bewertbar (FG Hamburg, Urteil vom 22. Februar 1984 I 70/81, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 603, m. w. N.).

ccc) Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung von wiederkehrenden Bezügen ist allein dieser wirtschaftliche Gehalt der Rechtsbeziehungen zwischen dem potentiellen Erblasser und dem Erb- bzw. Pflichtteilsberechtigten maßgeblich, ohne daß es insoweit auf die bürgerlich-rechtliche Rechtslage entscheidend ankäme (Felix, Kölner Steuerdialog - KÖSDI -, 1991, 8514; vgl. auch BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, C II 1 c am Ende, für die Abgrenzung von gemischter Schenkung, Schenkung unter Auflage und teilentgeltlichen Geschäften). Bei der zivilrechtlichen Qualifizierung der Abfindung als Entgelt steht der Schutz des Verzichtenden im Vordergrund (Staudinger/Ferid/Cieslar, a. a. O., § 2346 Rz. 73; Strobel, Münchener Kommentar zum BGB, § 2346, Rdnrn. 22 ff.). Für ihre steuerrechtliche Qualifizierung als Veräußerungszeitrente oder als wiederkehrende Bezüge kommt es dagegen darauf an, ob der Abfindung eine zur Wertverrechnung geeignete Vermögensposition (Kapitalanteil der Rente) gegenübersteht. Die ungesicherte Erwerbsaussicht des Erb- und Pflichtteilsberechtigten ist keine solche Vermögensposition. Insoweit ist die Rechtslage anders zu beurteilen als im Falle des Verzichts eines Ehegatten auf seinen Zugewinnanspruch gegen Ratenzahlung (BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674); dieser Verzicht betrifft einen gegenwärtigen gesicherten Rechtsanspruch des Ehegatten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

cc) Es liegt auch kein teilentgeltliches Geschäft mit der Folge vor, daß in Höhe der Abfindung - wie bei der Abstandszahlung des Übernehmers an den Übergeber der durch Übergabevertrag vorweggenommenen Erbfolge (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C II 2) - ein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft anzunehmen wäre.

Der Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung ist von der Rechtsprechung bisher stets als ein Fall der vorweggenommenen Erbfolge angesehen (RFHE 43, 290; RFH, StuW, 1937 Nr. 467; BFH-Urteil vom 4. Februar 1975 VIII R 71/70, BFHE 114, 539, BStBl II 1975, 529) oder dieser jedenfalls gleichgeachtet worden (BFH-Urteile in BFHE 57, 400, BStBl III 1953, 157; vom 8. Dezember 1988 IX R 157/83, BFHE 155, 359, BStBl II 1989, 282). Das stimmt mit der zivilrechtlichen (s. für viele Kipp/Coing, a. a. O., § 82 VI; Pühringer, a. a. O., S. 2; Weirich, Deutsche Notar-Zeitung - DNotZ - 1986, 5 ff.) und steuerrechtlichen (vgl. etwa Groh in Der Betrieb - DB - 1990, 2187, und Felix, a. a. O., 1991, 8513) Beurteilung im Schrifttum überein und entspricht auch der im Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) getroffenen Regelung (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG). Die Bedeutung dieser Aussage blieb angesichts des rechtlich nicht geregelten Inhalts und Umfangs dieses Begriffs unklar. Im Ergebnis diente sie aber stets - unter Ablehnung einer bloßen unentgeltlichen Zuwendung i. S. von § 12 Nr. 2 EStG einerseits und eines Veräußerungsgeschäfts andererseits - der Begründung einer Besteuerung der Abfindung nach den für eine Versorgungszeitrente geltenden Rechtsfolgen, also dem Abzug der Zahlungen in voller Höhe als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG einerseits und der Besteuerung als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG andererseits (zu dem insoweit geltenden Korrespondenzprinzip vgl. etwa BFH-Urteil in BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674).

Weitergehende Folgerungen können aus der Zuordnung des Erb- und Pflichtteilsverzichts zur vorweggenommenen Erbfolge nicht gezogen werden. Insbesondere ist die Rechtslage insoweit nicht mit den a n den Übergeber geleisteten Abstandszahlungen im Rahmen von Übergabeverträgen vergleichbar. In diesen Fällen wird Vermögen tatsächlich übertragen, das in Höhe der Abstandszahlungen "erkauft" wird. Das ist bei den Abfindungszahlungen durch den potentiellen Erblasser mangels Aufgabe einer gegenwärtigen geldwerten Vermögensposition des Verzichtenden anders. Soweit deshalb der BFH in seinem Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 entschieden hat, daß die Vereinbarung anderer Leistungen (Abstandszahlungen, Ausgleichsleistungen), die der Übernehmer zu erbringen hat, in Höhe des Werts dieser Leistungen als Anschaffungs- bzw. Veräußerungsgeschäft zu behandeln sind, ist diese Aussage auf die vorweggenommene Erbfolge durch Übergabevertrag beschränkt.

b) Aus demselben Grund handelt es sich bei den jährlichen Zahlungen nicht um Raten, die nicht der Besteuerung als wiederkehrende Bezüge unterliegen. Raten in diesem Sinne liegen nur vor, "wenn das Entgelt für die Veräußerung eines Wirtschaftsguts oder aus einem veräußerungsähnlichen Vorgang gestundet und in Teilbeträgen entrichtet wird oder wenn ein Kapitalbetrag - etwa wie ein Darlehen - in Tilgungsbeträgen zurückgezahlt wird" (BFH-Urteil vom 12. November 1985 IX R 2/82, BFHE 145, 368, BStBl II 1986, 261, unter 2. a; zur Abgrenzung von Raten und Zeitrenten vgl. etwa Fischer, in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 22 Rdnrn. 56 ff.).

Insbesondere ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht davon auszugehen, daß ihr zunächst ein Geldbetrag in Höhe von 1 Mio. DM zugewendet, dieser Betrag dann der Zuwendenden als Darlehen überlassen und von dieser dann in jährlichen Raten wieder zurückgezahlt wurde. Eine solche Vereinbarung hat das FG nicht festgestellt. Aus dem festgestellten "Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag" ergibt sich vielmehr, daß eine Rente in Höhe von 100.000 DM jährlich auf die Dauer von 11 Jahren zu zahlen war.

c) Die Abfindungszahlungen sind aber auch nicht als Unterhaltsrente anzusehen, die gemäß § 12 Nr. 2 EStG beim Geber nicht abziehbar und beim Empfänger nicht zu versteuern ist.

aa) Eine Unterhaltsrente in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. zusammenfassend BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, unter II 4) vor, wenn auch unter Berücksichtigung einer evtl. Gegenleistung der Unterhaltscharakter der Zahlungen offensichtlich überwiegt. Das sei regelmäßig dann anzunehmen, wenn bei überschlägiger und großzügiger Ermittlung ihres Werts die Gegenleistung weniger als die Hälfte des Werts der Rentenverpflichtung betrage und deshalb als Zuwendung i. S. des § 12 Nr. 2 EStG anzusehen sei. In diesem Fall sei die Rente bei einheitlicher Betrachtung insgesamt als Unterhaltsrente zu behandeln. Der abweichenden Meinung im Schrifttum, die eine Aufteilung der Rente befürwortet (vgl. Offerhaus, Finanz-Rundschau - FR - 1970, 344, und in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 12 Rz. 52; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, § 12 Rz. 40 a; Littmann/Bitz/Meincke, a. a. O., § 12 Rz. 167; Arndt in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 12 Rz. C 33 bis 38; Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 12 Anm. 11 a) und die u. a. auch zur Folge hätte, daß der zur Wertverrechnung herangezogene Teil der Gegenleistung abzuzinsen wäre, ist die Rechtsprechung bisher nicht gefolgt (BFH-Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 4. c). Sie hat darüber hinaus auch für den Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung stets eine Unterhaltsrente abgelehnt, ohne auf das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung näher einzugehen (RFHE 43, 290; BFHE 57, 400, BStBl III 1953, 157; BFHE 114, 539, BStBl II 1975, 529; kritisch insoweit z. B. Petzoldt in Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Anmerkung zu § 12, Einkommensteuergesetz bis 1974, Rechtsspruch 98; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a. a. O., § 12 Anm. 39 c). Das Schrifttum folgt im wesentlichen diesen Grundsätzen (vgl. z. B. Conradi in Littmann/Bitz/Meincke, a. a. O., § 12 Rdnr. 141; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 12 Anm. 12 b; Arndt in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 12 Rdnr. C 13; Fischer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 22 Rdnr. B 372; Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 12 Anm. 11 a).

bb) Der Senat schließt sich für den Streitfall der bisherigen Rechtsprechung an.

Eine Gegenleistung, die das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG ausschließt, kann in Vorteilen aller Art bestehen. Es ist nicht erforderlich, daß es sich um eine Vermögensübertragung handelt (Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 12 Anm. 11 a, am Ende). In Betracht kommen auch andere, wertmäßig nicht bezifferbare Vorteile. Als solche Vorteile, die nicht Entgelt i. S. eines Veräußerungsgeschäfts, wohl aber "Gegenleistung" sein können, die der Verzichtsvereinbarung den Unterhaltscharakter nimmt, kommen im Falle des Erb- und Pflichtteilsverzichts sowohl die nur auf einer sittlichen Verpflichtung des Erblassers beruhende Erwerbsaussicht des Erb- bzw. Pflichtteilsberechtigten als auch die Erlangung einer erweiterten Testierfähigkeit des potentiellen Erblassers in Betracht (zu letzterem auch BFHE 114, 539, BStBl II 1975, 529). Das gilt jedenfalls dann, wenn der vertraglichen Regelung zu entnehmen ist, daß nach den subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien die Verzichtserklärung Geschäftsgrundlage der Abfindungsverpflichtung sein sollte. Diese Erwägungen rechtfertigen es, für den Fall des Erb- und Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung von einer Ermittlung des Wertverhältnisses von Leistung und Gegenleistung abzusehen.

cc) Der Senat braucht unter diesen Umständen weder zu der Frage Stellung zu nehmen, ob auch im Rahmen der Unterhaltsrente eine Wertverrechnung vorzunehmen ist, noch kommt es auf ein näher zu bezifferndes Verhältnis von Wert der Leistung und Gegenleistung an. Da auch weder Raten noch eine Veräußerungszeitrente vorliegen, sind die Abfindungsleistungen als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG zu besteuern, ohne daß weitere Voraussetzungen - wie sie teilweise für Versorgungszeitrenten vertreten werden - vorzuliegen brauchen (vgl. dazu Fischer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 22 Rdnrn. B 48, B 65 ff.). Es genügt, daß die Zahlungen auf Grund eines einheitlichen Entschlusses oder Rechtsgrundes wiederholt und mit einer gewissen Regelmäßigkeit erbracht werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 20. Juli 1971 VIII 24/65, BFHE 103, 410, BStBl II 1972, 170).

Das ist hier der Fall.