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  BFH-Urteil vom 28.2.1992 (VI R 97/89) BStBl. 1992 II S. 834

Muß der Empfänger eines Ausbildungsdarlehens dieses nebst einem Zuschlag zurückzahlen, so sind die Aufwendungen für den Zuschlag dann Ausbildungskosten und keine Werbungskosten, wenn damit nachträglich die im Zusammenhang mit der Ausbildung gewährten Vorteile abgegolten werden sollen und wenn der Zuschlag nicht weitaus überwiegend als Druckmittel zur Einhaltung der vorvertraglichen Verpflichtung zur Eingehung eines langfristigen Arbeitsverhältnisses dienen soll.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 1987 als Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er hatte sein Studium mit einem Ausbildungsdarlehen des Landes Nordrhein-Westfalen (NW) finanziert. In dem Vertrag über die Gewährung des Ausbildungsdarlehens hatte er sich verpflichtet, nach Abschluß der Ausbildung in den höheren Medizinaldienst im Lande NW einzutreten und nach Ablauf der Probezeit mindestens acht Jahre als Beamter im öffentlichen Gesundheitswesen tätig zu sein. Für den Fall, daß er den Dienst nicht aufnahm oder vor Ablauf des achtjährigen Zeitraums aus dem öffentlichen Dienst ausschied, verpflichtete sich der Kläger, das Ausbildungsdarlehen mit einem Zuschlag von 50 v. H. - "für ungerechtfertigte Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und Ausbildungskapazitäten" - zurückzuzahlen sowie das Ausbildungsdarlehen vom Empfang der Leistungen an mit 4 v. H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Bundesbank, mindestens jedoch mit 8 v. H. zu verzinsen.

Der Kläger wurde im Jahre 1986 Beamter auf Probe und zugleich für eine Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie vom Dienst beurlaubt. Er schied auf eigenen Wunsch im Streitjahr 1987 aus dem Dienst des Landes NW aus und trat eine Arbeitsstelle außerhalb des öffentlichen Dienstes an. Er machte Aufwendungen in Höhe von 54.641,39 DM zuzüglich Finanzierungskosten als Werbungskosten geltend, die ihm das Land NW im Zusammenhang damit in Rechnung gestellt hatte, daß er seine dem Land NW gegenüber eingegangene Verpflichtung, in den höheren Medizinaldienst einzutreten und dort nach Ablauf der Probezeit mindestens acht Jahre tätig zu sein, nicht erfüllt hatte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete die Aufwendungen den gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben zu.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die zusammenveranlagten Kläger das Begehren auf Berücksichtigung des sog. Zuschlags nebst Zinsen als Werbungskosten weiterverfolgten, als unbegründet ab. Es vertrat die Ansicht, die Zahlung der Vertragsstrafe sei wirtschaftlich als Verteuerung der zuvor bereits abgeschlossenen Berufsausbildung anzusehen.

Die Kläger stützen ihre vom FG zugelassene Revision auf eine Verletzung der §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und tragen vor: Die Mittel in Höhe des Zuschlags seien niemals für Ausbildungszwecke verwendet worden und deshalb nicht der Ausbildung zuzuordnen. Die Vereinbarung des Zuschlags, der - so auch die Terminologie der Vorinstanz - dem Charakter einer Vertragsstrafe gleichkomme, habe allein sicherstellen sollen, daß die durch das Ausbildungsdarlehen geförderte Person auch tatsächlich in den öffentlichen Dienst eintrete. Dies rechtfertige die Zuordnung zu den Werbungskosten. Entscheidend sei allein, daß der Kläger den Zuschlag habe zahlen müssen, weil er eine nichtselbständige Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes angetreten habe, da er dort bessere Möglichkeiten für sein berufliches Fortkommen gesehen habe.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Einkommensteuerbescheid für 1987 vom 27. November 1991 dahin zu ändern, daß weitere Werbungskosten in Höhe von 24.162,50 DM nebst 393 DM Zinsen berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen keine abschließende Entscheidung, ob die Aufwendungen für den Zuschlag den Ausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) oder den Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen sind.

1. Die Verpflichtung zur Zahlung des Zuschlags ist - ebenso wie diejenige zur Rückzahlung des Ausbildungsdarlehens nebst Zinsen - ausgelöst worden durch den Wunsch des Klägers, anderweitig als im öffentlichen Dienst Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu erzielen. Dieses der beruflichen Sphäre zuzurechnende auslösende Moment für die Entstehung des Zuschlags reicht aber dann nicht für eine Zuordnung der Aufwendungen zur Erwerbssphäre aus, wenn mit dem Zuschlag nachträglich solche Vorteile abgegolten werden sollen, die der Kläger im Rahmen seiner Ausbildung in Anspruch genommen hat. Die Zweckbestimmung, während der Ausbildung erhaltene Vorteile abzugelten, begründet einen solch engen Zusammenhang des Zuschlags mit der Ausbildung, daß die finanzgerichtliche Wertung, ihn den Ausbildungskosten zuzuordnen, gerechtfertigt erscheint.

Das Land NW hat dem Kläger dann, wenn es ihm außer dem Darlehen einen Studienplatz aus seinem Kontingent für solche Bewerber zur Verfügung gestellt hat, die sich bereit erklärt haben, nach Abschluß ihrer Ausbildung im öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes zu arbeiten, einen Vorteil in Form eines Studienplatzes zugewendet. Dafür, daß mit der Zahlung des Zuschlags nachträglich neben einem eventuell über die vereinbarte Verzinsung hinausgehenden Zinsschaden dieser Vorteil abgegolten werden soll, spricht nicht nur die in § 6 Abs. 1 des Vertrages in Parenthese gesetzte Erläuterung des Zwecks des Zuschlags, nämlich für ungerechtfertigte Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und Ausbildungskapazitäten erhoben zu werden, sondern auch der Umstand, daß der Bewerber (Darlehensnehmer) nach § 4 Abs. 3 des Vertrags verpflichtet ist, bei Vertragsstörungen, die zur Beendigung des Vertrags- oder Ausbildungsverhältnisses führen, seine Exmatrikulation bei der Hochschule zu beantragen. Mit der Interpretation des Zuschlags als nachträgliche pauschale Abgeltung für die Inanspruchnahme des Studienplatzes und eventueller anderer Ausbildungskapazitäten steht auch im Einklang, daß der Zuschlag aufgrund seiner prozentualen Abhängigkeit von der Höhe der zurückzuzahlenden Darlehenssumme um so höher wird, je länger das Studium gedauert hat und mithin der Studienplatz in Anspruch genommen worden ist.

Soweit das FG ohne weitere Erläuterung den Zuschlag als Vertragsstrafe (vgl. § 339 des Bürgerlichen Gesetzbuches) gewertet und die Revision dem zugestimmt hat, bedarf die Frage, ob es sich bei dem Zuschlag um eine Vertragsstrafe handelt, im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn der Zuschlag gemäß der Rechtsnatur einer Vertragsstrafe auch die Wirkung gehabt hätte oder hätte haben sollen, als Druckmittel dahin zu wirken, daß der Bewerber (Darlehensnehmer) seine vorvertragliche Verpflichtung erfüllt, mindestens acht Jahre im öffentlichen Dienst tätig zu sein, ändert dies nichts an der vertraglich festgelegten gleichzeitigen Zweckbestimmung des Zuschlags, nachträglich solche Vorteile abzugelten, die der Bewerber (Darlehensnehmer) in Form von Ausbildungskapazitäten in Anspruch genommen hat.

2. Eine andere Wertung hielte der Senat nur dann für vorzugswürdig, wenn der Kläger den Studienplatz zu dem konkreten Zeitpunkt bereits unabhängig von dem Vertrag über das Ausbildungsdarlehen zugewiesen bekommen hatte und wenn ihm folglich insoweit im Zusammenhang mit dem Vertrag über das Ausbildungsdarlehen ein Vorteil überhaupt nicht mehr hatte zugewendet werden können. Bei dieser Fallgestaltung läge die Annahme nahe, daß es sich - wie der Kläger geltend macht - bei dem Zuschlag abweichend von der vertraglich festgelegten Zweckbestimmung in Wirklichkeit nur um ein Druckmittel gehandelt hat, das den Kläger veranlassen sollte, seine vorvertragliche Verpflichtung, mindestens acht Jahre im öffentlichen Gesundheitswesen des Landes NW tätig zu sein, einzuhalten. Bei einem derartigen Sachverhalt schlösse sich der Senat der in der Literatur vertretenen Auffassung an, daß eine Vertragsstrafe zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führt, wenn ein Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe zahlen muß, weil er einen vereinbarten Dienstvertrag nicht eingehalten und statt dessen einen Vertrag mit einem anderen Arbeitgeber abgeschlossen und daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 19 Anm. 12 "Vertragsstrafen"; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 9 EStG Anm. 750 "Vertragsstrafe"; Richter, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1984, 516).

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen darüber nachholen müssen, ob die Vorteile, die nachträglich mit dem Zuschlag abgegolten werden sollten, dem Kläger tatsächlich im Zusammenhang mit dem Vertrag über das Ausbildungsdarlehen gewährt worden sind oder ob der Kläger den Studienplatz und ggf. andere Leistungen im Rahmen der Ausbildung unabhängig von diesem Vertrag erhalten hatte.