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  BFH-Urteil vom 22.7.1992 (II R 69/88) BStBl. 1992 II S. 877

Bei der Ermittlung des Ertragswerts einer Saatzucht sind die Lizenzeinnahmen aus der Überlassung geschützter Pflanzensorten zur Fremdvermehrung zu erfassen.

BewG § 33, § 36, § 37, § 62 Abs. 1 Nr. 6.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Rosen-Baumschule, in der auf gepachteten Flächen Rosen gezüchtet und vermehrt werden. Er hatte den Betrieb - mit Ausnahme der Grundstücke sowie der Forderungen - im Jahre 1985 durch Kaufvertrag erworben; dabei wurden alle für den Veräußerer "eingetragenen Schutzrechte für Rosenneuzüchtungen, und zwar sämtliche etwa noch vorhandenen Patente, Warenzeichen und Sortenschutzrechte" mitübertragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den Einheitswert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf den 1. Januar 1986 im Wege der Nachfeststellung durch einen gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufigen Bescheid in Höhe von ... DM fest. Dieser Wert setzt sich zusammen aus einem im vergleichenden Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelten - und unter den Beteiligten unstreitigen - Vergleichswert in Höhe von ... DM für den Nutzungsteil Baumschule (Rosenvermehrung) und den im Einzelertragswertverfahren gemäß § 37 Abs. 2 BewG ermittelten Ertragswert in Höhe von ... DM für den Nutzungsteil Saatzucht (Rosenzucht); insoweit wurde der für den Betrieb des Veräußerers zuletzt festgestellte Ertragswert nach Abzug eines geschätzten Anteils von 10 v. H. für Wirtschaftsgebäude und Gewächshäuser übernommen. Das FA hat den Ertragswert der Rosenzucht auf der Grundlage der durchschnittlichen Erträge der Wirtschaftsjahre 1975/76 bis 1981/82 unter Einbeziehung der Lizenzeinnahmen von Sortenschutzrechten errechnet.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung der §§ 33 f. BewG und macht geltend, daß die Lizenzeinnahmen aus der Überlassung von Sortenschutzrechten an andere Betriebe bei der Ermittlung des Ertragswerts nicht zu erfassen seien.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, daß bei der Ermittlung des Ertragswerts für den Nutzungsteil Saatzucht (Rosenzucht) des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers die Lizenzeinnahmen aus der Überlassung geschützter Sorten zur Fremdvermehrung zu erfassen sind.

a) Die Saatzucht gehört als landwirtschaftliche Urproduktion gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 6 BewG zur sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Sie erfordert in jedem Fall die Züchtung von Saatgut, umfaßt aber auch dessen Vermehrung und Verkauf und kann - wie im Streitfall - auch auf gepachteten Flächen betrieben werden. Zum Saatgut zählen Samen, Pflanzgut oder Pflanzenteile, die für die Erzeugung von Kulturpflanzen bestimmt sind (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 62 BewG Anm. 30; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 15. Aufl., § 62 BewG Anm. 14; Moench/Glier/Knobel/Werner, Bewertungs- und Vermögensteuergesetz 1989, § 62 BewG Anm. 9; Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens - BewRL - Abschn. 7.38). Danach gehören bei der Rosenzucht die zur Vermehrung und Erhaltung einzelner Rosensorten bestimmten "Augen" zum Saatgut.

Während Saatzuchten, die sich mit der Züchtung, der Vermehrung und dem Verkauf von Nutzpflanzensaatgut, insbesondere von landwirtschaftlichem Saatgut und Gemüsesaatgut befassen, regelmäßig im vergleichenden Verfahren bewertet werden (§ 37 Abs. 1 BewG), wird der Ertragswert von Saatzuchten, die Saatgut solcher Kulturpflanzen züchten, vermehren und verkaufen, die nicht zu den Nutzpflanzen gehören, gemäß § 37 Abs. 2 BewG im Einzelertragswertverfahren ermittelt. Ein vergleichendes Verfahren kann hier in der Regel mangels einer ausreichenden Anzahl vergleichbarer Betriebe oder wegen der stark abweichenden Wirtschaftsstruktur der Saatzuchtbetriebe nicht durchgeführt werden (vgl. Gürsching/Stenger, a. a. O., § 62 BewG Anm. 33; Rössler/Troll, a. a. O., § 62 BewG Anm. 17; Moench/Glier/Knobel/Werner, a. a. O., § 62 BewG Anm. 9; BewRL Abschn. 7.39). Das FA hat deshalb im Streitfall zu Recht für den Nutzungsteil Baumschule (Rosenzucht) das Einzelertragswertverfahren angewandt.

b) Bei der Ermittlung des Ertragswerts im Einzelertragswertverfahren sind die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 36 BewG zu beachten. Danach ist von der Ertragsfähigkeit, d. h. von dem bei ordnungsmäßiger und schuldenfreier Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften gemeinhin und nachhaltig erzielbaren Reinertrag auszugehen (§ 36 Abs. 2 BewG); dabei sind alle nicht unwesentlichen Ertragsbedingungen zu berücksichtigen (§ 36 Abs. 3 BewG).

Zu den Wirtschaftsgütern, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind, gehören gemäß § 33 Abs. 2 BewG u. a. die stehenden Betriebsmittel. Das sind bei einem Saatzuchtbetrieb insbesondere die Saatgutsorten (Samen, Pflanzgut oder Pflanzenteile), die für die Erzeugung von Kulturpflanzen bestimmt sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Oktober 1955 III 77/54 U, BFHE 61, 453, BStBl III 1955, 375). Zu den einem Saatzuchtbetrieb dienenden Wirtschaftsgütern gehören darüber hinaus auch die dem Ursprungszüchter oder Entdecker einer Pflanzensorte (Sorte) oder seinem Rechtsnachfolger zustehenden Rechte auf Sortenschutz (§§ 1 f., § 8 des Sortenschutzgesetzes vom 11. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2170). Denn die Aufzählung in § 33 Abs. 2 BewG ist nicht abschließend. So gehören u. a. zu den Wirtschaftsgütern, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind, aber in der beispielhaften Aufzählung des § 33 Abs. 2 BewG nicht genannt werden, auch subjektiv dingliche Rechte (vgl. Gürsching/Stenger, a. a. O., § 33 BewG Anm. 15; Rössler/Troll, a. a. O., § 33 BewG Anm. 64). Überläßt - wie im Streitfall - der Sortenschutzinhaber mit dem Vermehrungsmaterial (hier: Rosenaugen) auch das Nutzungsrecht am Sortenschutz bezüglich bestimmter Rosensorten anderen Betrieben gegen Lizenzzahlungen zur Verwertung, so gehören diese Zahlungen folgerichtig zum (unmittelbaren) Ertrag des Saatzuchtbetriebes (vgl. Gürsching/Stenger, a. a. O., § 62 BewG Anm. 33, BewRL Abschn. 7.40 Abs. 5). Dabei ist es entgegen der Auffassung der Revision für die Einbeziehung der Sortenschutzrechte in die wirtschaftliche Einheit des Betriebs des Klägers gemäß § 2 BewG unerheblich, daß deren Verwertung in weit entfernt liegenden Betrieben erfolgt. Denn die Sortenschutzrechte als solche verbleiben nach wie vor im Betrieb des Klägers und dienen diesem unmittelbar.

Die Vorinstanz hat zutreffend auch darauf hingewiesen, daß es keinen Unterschied macht, ob ein Züchter Pflanzen selbst vermehrt und verkauft oder ob er einem fremden Vermehrer die eigene Erzeugung geschützter Pflanzensorten gegen Lizenzgebühren gestattet. In beiden Fällen handelt es sich um Entgelte für die im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erbrachte Zuchtleistung und damit um Erträge eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft, die den Ertragswert wesentlich beeinflussen.

Entgegen der Auffassung der Revision erfordert der Begriff der Saatzucht nicht, daß neben der Züchtung von Zuchtsaatgut auch dessen Vermehrung und Verkauf in jedem Fall durch den Betriebsinhaber selbst erfolgen müssen. Entscheidend ist vielmehr die Züchtung von Saatgut. Landwirtschaftliche Urproduktion ist deshalb auch dann gegeben, wenn sich der Betriebsinhaber auf die Züchtung von Saatgut beschränkt, die Vermehrung durch Überlassung der Sortenschutzrechte und den Verkauf der geschützten Pflanzen aber anderen überläßt.

Das FA hat danach bei der Ermittlung des Einzelertragswerts des Nutzungsteils Baumschule (Rosenvermehrung) die Lizenzeinnahmen aus der Überlassung der Sortenschutzrechte zu Recht erfaßt. Fehler hinsichtlich der Wertansätze und der Berechnung des Einzelertragswerts sind weder geltend gemacht worden noch erkennbar.