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  BFH-Urteil vom 8.5.1992 (III R 66/90) BStBl. 1992 II S. 900

Bei der Berechnung der anrechenbaren eigenen Einkünfte oder Bezüge der unterstützten unterhaltsbedürftigen Personen gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG sind unschädliche Beträge nur für solche Personen anzusetzen, für deren Unterstützung dem Steuerpflichtigen ein Unterhaltsfreibetrag gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG gewährt werden kann. Kinder, für die der Steuerpflichtige oder eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, scheiden deshalb beim Ansatz unschädlicher Beträge aus.

EStG 1986 § 33 a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1990, 358)

Sachverhalt

In seiner Einkommensteuererklärung 1986 machte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) einen Betrag von 4.069 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Hierzu legte er eine von seinem Bruder unterzeichnete Bescheinigung vor, nach der dieser vom Kläger im Streitjahr Unterhaltszahlungen in Höhe von insgesamt 5.500 DM erhalten hatte. Der Bruder lebte im Streitjahr mit seiner Ehefrau und einem 1980 geborenen Kind in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Die Ehefrau des Bruders hatte im Streitjahr einen Brutto-Arbeitslohn von 11.410 DM bezogen, der Bruder in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis 23. Juli 1986 Unterhaltsgeld in Höhe von 6.737,50 DM und vom 24. Juli 1986 bis 31. Dezember 1986 Arbeitslosengeld in Höhe von (netto) 3.835,30 DM erhalten. An Kindergeld haben die Ehegatten im Streitjahr 600 DM erhalten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die geltend gemachten Unterhaltsleistungen im Einkommensteuerbescheid nicht. Auch der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage, mit der der Kläger nur noch die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen in Höhe von 1.922 DM begehrte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Es führte in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 358 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus:

Zu Recht habe das FA Unterhaltsleistungen für das Kind des Bruders nicht berücksichtigt; denn den Eltern habe für ihr Kind ein Freibetrag zugestanden, den sie auch erhalten hätten.

Auch die gänzliche Nichtberücksichtigung eines Abzugsbetrages nach § 33 a Abs. 1 EStG sei nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift könnten Unterstützungsleistungen in keinem Fall berücksichtigt werden, wenn die unterhaltene Person das 18. Lebensjahr vollendet und eigene Einkünfte und Bezüge in Höhe von mindestens 9.000 DM erzielt habe. Zu Recht habe das FA bei seiner Berechnung die Einkünfte der Ehefrau des Bruders mit dem Überschuß des Brutto-Arbeitslohns über den Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag sowie den Werbungskostenpauschbetrag ermittelt (11.410 DM ./. 1.644 DM). Die vom Bruder bezogenen Sozialleistungen seien mit 10.572,80 DM (6.737,50 DM + 3.835,30 DM) anzusetzen. Nach Abzug einer Unkostenpauschale von 360 DM verblieben zur Bestreitung des Unterhalts geeignete und bestimmte Bezüge in Höhe von 10.212,80 DM. Da mithin sowohl bei dem Bruder als auch bei der Ehefrau Beträge von mehr als 9.000 DM anzurechnen seien, scheide eine Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen aus.

Wenn der Kläger demgegenüber die unschädlichen Einkünfte der unterstützten Personen nicht mit 9.000 DM, sondern wegen des zum Haushalt der Eheleute gehörenden Kindes mit 13.500 DM (= 3 x 4.500 DM) annehme, so sei dies mit Wortlaut und Systematik des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Denn ebensowenig wie die Einkünfte mehrerer unterstützter Personen zusammengerechnet werden dürften, gelte dies für die entsprechenden Freibeträge. Vielmehr solle der Freibetrag nach dem Willen des Gesetzes für jede unterstützte Person auf 4.500 DM begrenzt sein. Damit sei es unvereinbar, daß der auf eine nicht berücksichtigungsfähige Person entfallende unschädliche Betrag auf die übrigen zur Haushaltsgemeinschaft gehörenden Unterstützungsempfänger verteilt werde. Nichts anderes ergebe sich auch aus der Verwaltungsregelung in Abschn. 190 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1987. Dort seien nur die zusammengerechneten Einkünfte der zum Haushalt gehörenden Ehegatten gemeint.

Entgegen der Auffassung des Klägers stehe dem Ergebnis auch nicht entgegen, daß in die Berechnung der Einkünfte und Bezüge etwa das von den Ehegatten bezogene Kindergeld einzubeziehen sei. Denn dieses solle wirtschaftlich den Kindern zugute kommen; es gehöre deshalb bei der Berechnung der abzugsfähigen Unterhaltsleistungen nicht zu den eigenen Einkünften der Eltern. Für den Streitfall bedeute dies, daß das vom Bruder und dessen Ehefrau bezogene Kindergeld - entgegen der Auffassung des FA - nicht zu den Bezügen i. S. des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG zähle. Trotzdem erweise sich das Urteil des FG als zutreffend, weil sowohl der Bruder als auch dessen Ehefrau ohne das Kindergeld bereits Einkünfte und Bezüge in Höhe von jeweils mehr als 9.000 DM gehabt hätten.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er meint, die eigenen Einkünfte und Bezüge der Familie seines Bruders seien mit insgesamt 19.978 DM so gering, daß der Abzug von Unterhaltsleistungen in Betracht komme. Zutreffend sei der absolute Unterstützungshöchstbetrag für die Familie seines Bruders von 9.000 DM um den Betrag zu kürzen, um den die eigenen Einkünfte und Bezüge von 19.978 DM den Betrag von 13.500 DM (drei Personen x 4.500 DM) überstiegen. Es seien also Unterstützungsleistungen von 2.522 DM (9.000 DM ./. 6.478 DM) abziehbar.

Die vom FG gebilligte Berücksichtigung unschädlicher Einkünfte in Höhe von 9.000 DM (2 x 4.500 DM) entspreche nicht dem Gesetz. Der Kläger meint, die Formulierung in § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG "die unterhaltene Person" könne dafür sprechen, daß auch Personen, für die jemand Anspruch auf einen Kinderfreibetrag habe, einzubeziehen seien. Gehe man wie das FG vor, so sei auch die Zusammenrechnung der Einkünfte bei zusammenlebenden Eheleuten zu beanstanden. Ohne eine Einbeziehung von Kindern ergäbe sich im übrigen eine Benachteiligung von unterstützten Personen mit größeren Familien. Bei "isolierender Betrachtungsweise" gelange man nämlich zu dem Ergebnis, daß eine ledige Person mit z. B. 20.000 DM Einkommen als genauso bedürftig anzusehen sei wie eine verheiratete Person mit gleichem Einkommen und zehn Kindern. Bei unterstützten Personen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt seien, könne es sich sogar ergeben, daß Bedürftigkeit eher eintrete, wenn keine Kinder vorhanden seien. Denn im öffentlichen Dienst würden bestimmte Zulagen in Abhängigkeit von Familienstand und Kinderzahl geleistet. Obwohl diese Zulagen wirtschaftlich den Kindern zugute kommen sollten, erhöhten die Zuschläge das Einkommen der unterstützten Person.

Die Auslegung des FG stehe auch im Widerspruch zu der in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes enthaltenen Wertung zugunsten der Familie.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer Person, für die weder er noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, und zwar bis zu höchstens 4.500 DM, wenn die unterhaltene Person das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG). Voraussetzung ist, daß die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33 a Abs. 1 Satz 2 EStG). Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Betrag von 4.500 DM um den Betrag, um den die Einkünfte und Bezüge den Betrag von 4.500 DM übersteigen (§ 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG).

Danach ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß dem Kläger - jedenfalls - insoweit kein Freibetrag zusteht, als er mit den Leistungen an die Familie seines Bruders auch dessen Kind unterstützt hat. Denn für dieses Kind stand dessen Eltern im Streitjahr ein Kinderfreibetrag zu. Dem Kläger konnten also wegen der Unterhaltung seines Bruders und seiner Schwägerin nur Freibeträge in Höhe von je 4.500 DM, insgesamt 9.000 DM, zustehen. Diese Beträge vermindern sich um die eigenen Einkünfte und die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmten und geeigneten sonstigen Bezüge der unterhaltenen Personen, soweit diese den Betrag von jeweils 4.500 DM übersteigen.

Die anzurechnenden Einkünfte und Bezüge des unterstützten Ehepaares hat das FA zutreffend ermittelt, indem es von den Einnahmen der Ehefrau den Weihnachts- und den Arbeitnehmerfreibetrag sowie den Werbungskostenpauschbetrag abgesetzt hat. Einkünfte im Sinne des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG sind die Einkünfte nach § 2 Abs. 2 EStG, die einkommensteuerrechtlich zutreffend zu ermitteln sind (Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 33 a Anm. 2 e, m. w. N.). Ausweislich der Einkommensteuerveranlagung des unterstützten Ehepaares, die dem FG vorgelegt worden ist und auf die sich das FG bezogen hat, waren bei der Ehefrau keine weiteren Werbungskosten abzuziehen. Auch die Berechnung der Bezüge des Bruders einschließlich des Ansatzes eines Unkostenpauschbetrages von 360 DM ist zutreffend erfolgt (vgl. auch insoweit Schmidt/Glanegger, a. a. O.) und vom Kläger auch nicht beanstandet worden.

Zu Recht hat das FG die so ermittelten Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen beiden Personen von insgesamt 19.978 DM nur um unschädliche Einkünfte und Bezüge von 9.000 DM gemindert und das zum Haushalt gehörende Kind unberücksichtigt gelassen.

Die Kürzungsvorschrift des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG bezieht sich - ebenso wie Satz 2 der Vorschrift - ausdrücklich auf "die unterhaltene Person". Damit kann nach dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschrift nur eine Person gemeint sein, für die ein Freibetrag nach Satz 1 des § 33 a Abs. 1 EStG gewährt wird. Nur Einkünfte und Bezüge solcher Personen können nämlich gegengerechnet werden. Geht es aber nur um die Gegenrechnung der Einkünfte und Bezüge dieser Personen, so ist es nur folgerichtig, auch die Minderungsbeträge nur auf diese Personen zu beziehen.

Würden bei der Ermittlung der anrechenbaren Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Personen nicht nur die für sie vorgesehenen unschädlichen Beträge angesetzt, sondern zusätzlich solche für nicht berücksichtigungsfähige Kinder, so würde deren Unterhaltung mittelbar mitbegünstigt. Dies wollte der Gesetzgeber aber gerade nicht. Er hat vielmehr im Zuge der konsequenten Ausgestaltung des dualen Systems des Kinderlastenausgleichs (Gewährung von Kindergeld und Kinderfreibetrag) seit dem Steuersenkungsgesetz 1986/1988 (StSenkG 1986/1988) Kinder, für die einer Person ein Kinderfreibetrag zusteht, aus der steuerlichen Berücksichtigung nach § 33 a Abs. 1 EStG herausgenommen. Zweck der Regelung war es insbesondere, eine Mehrfachberücksichtigung desselben Kindes durch Gewährung eines Kinderfreibetrags und einer Steuerermäßigung nach § 33 a Abs. 1 EStG auszuschließen (vgl. im einzelnen Kanzler bei Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33 a EStG Anm. 78).

Daß Kinder, für die ein Kinderfreibetrag in Betracht kommt, im Rahmen des § 33 a Abs. 1 EStG nicht mehr berücksichtigt werden sollen, läßt sich auch daraus folgern, daß der Gesetzgeber zugleich mit dem StSenkG 1986/1988 für Fälle, in denen sich der Kinderfreibetrag mangels (ausreichenden) Einkommens der Eltern nicht oder nicht voll auswirkt, einen Zuschlag zum Kindergeld eingeführt hat (§ 11 a des Bundeskindergeldgesetzes; vgl. auch BTDrucks 10/2884 S. 96).

Der vorstehenden Auslegung steht nicht entgegen, daß sich weder der Unterhaltshöchstbetrag noch die bei der Gegenrechnung eigener Einkünfte und Bezüge zu berücksichtigenden unschädlichen Beträge mit zunehmender Kinderzahl erhöhen. Dies ist vielmehr eine Folge des gesetzgeberischen Konzeptes, den Kinderlastenausgleich ausschließlich durch die Gewährung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen zu regeln. Mit zunehmender Kinderzahl steigen deshalb - neben dem Kindergeld - die zu berücksichtigenden Kinderfreibeträge bzw., wenn diese sich nicht bzw. nicht voll auswirken, die zum Kindergeld zu gewährenden Zuschläge.

Die Frage, ob und ggf. inwieweit von der Kinderzahl abhängige Zulagen im öffentlichen Dienst den Einkünften und Bezügen i. S. des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG zuzurechnen sind, kann im vorliegenden Streitfall offenbleiben. Denn die unterstützten Personen gehören offensichtlich nicht dem öffentlichen Dienst an.

Soweit der Kläger sich für seine Auffassung auf Abschn. 190 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 EStR 1987 beruft, hat er diese - allerdings unklar formulierte - Verwaltungsanweisung mißverstanden. Jedenfalls ist in der entsprechenden Anweisung in Abschn. 190 Abs. 7 Satz 3 EStR 1990 klargestellt, daß die Kürzung auf die für die Eheleute maßgebenden Beträge von 2 x 4.500 DM beschränkt sein soll.