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  BFH-Urteil vom 23.4.1992 (IV R 42/90) BStBl. 1992 II S. 914

Der notwendige Bezug einer in einer Einzelangabe unvollständigen Prozeßvollmacht zum Rechtsstreit kann dadurch hergestellt werden, daß die fehlende Einzelangabe sich aus einer mit der Vollmacht verbundenen Schrift ergibt, und ferner erkennbar ist, daß der Prozeßbevollmächtigte gemäß einer ihm vom Mandanten erteilten Bevollmächtigung gehandelt hat.

FGO § 62.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat durch Schriftsatz vom 21. April 1987 durch seinen jetzigen Prozeßbevollmächtigten beim Finanzgericht (FG) München Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1977 erhoben. Zwar hatte der Prozeßbevollmächtigte im Schriftsatz angezeigt, daß er den Kläger in der Streitsache vertrete, jedoch eine Prozeßvollmacht nicht vorgelegt. Eine Aufforderung zur Vollmachtsvorlage durch den Vorsitzenden Richter am FG am 24. April 1987 blieb ohne Erfolg. Am 15. Juni 1987 erging seitens des Vorsitzenden Richters eine auf Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) gestützte Anordnung, durch die dem Kläger eine Frist mit ausschließender Wirkung zur Vollmachtsvorlage bis zum 20. Juli 1987 gesetzt wurde.

Mit dem am 14. Juli 1987 beim FG eingegangenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten vom 13. Juli 1987 legte dieser daraufhin eine Prozeßvollmacht vor, die - wie an den Heftlöchern erkennbar - mit dem Anschreiben zusammengeheftet dem FG vorgelegt worden ist. Die vorgelegte Vollmacht enthält Angaben zur Person des Klägers und dessen Unterschrift, die Angabe des Finanzamts (FA) F als des Beklagten und des Streitpunkts (Einkommensteuer 1977) und das Ausstellungsdatum des 4. Juli 1987. Die Vollmacht enthält jedoch nicht Angaben zur bevollmächtigten Person, also des auftretenden Prozeßbevollmächtigten. In einem freien Feld des Vollmachtsformulars (seitlich neben den Angaben des bevollmächtigenden Klägers und des Beklagten) befindet sich ein aufgestempelter Eingangsstempel der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten mit dem Tagesstempel des 8. Juli 1987, dem handschriftlichen Eintrag einer Einspruchsnummer und einer Paraphe des Prozeßbevollmächtigten.

Am 3. August 1987 teilte der Vorsitzende Richter am FG dem Prozeßbevollmächtigten unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82 (BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802) mit, daß die vorgelegte Vollmachtsurkunde vom 4. Juli 1987 wegen fehlender Angabe der bevollmächtigten Person unwirksam sei. Auf die Versäumung der mit Anordnung vom 15. Juni 1987 gesetzten Ausschlußfrist wurde hingewiesen. Mit Schreiben vom 3. September 1987 legte der Prozeßbevollmächtigte eine weitere, nunmehr vollständig ausgefüllte Vollmachtsurkunde vor und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil innerhalb der gesetzten Ausschlußfrist nur eine unvollständige Vollmachtsurkunde vorgelegt worden sei. Mangels Angabe des Prozeßbevollmächtigten als der zu bevollmächtigenden Person in der Vollmachtsurkunde selbst leide diese an einem nicht behebbaren Mangel, der weder durch das Begleitschreiben noch durch den Eingangsstempel behoben werden könne. Es fehle an einer eindeutigen Willenserklärung des Klägers, welche Person er zu seinem Prozeßbevollmächtigten habe bestellen wollen. Dem Wiedereinsetzungsantrag könne schon wegen Versäumung der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht stattgegeben werden.

Mit der vom BFH zugelassenen Revision beantragt der Kläger, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Läßt sich der Kläger vor dem FG durch einen Bevollmächtigten vertreten und genügt er der sich aus § 62 Abs. 3 FGO ergebenden Pflicht zur Vollmachtsvorlage innerhalb der ihm nach Art. 3 § 1 VGFGEntlG gesetzten Frist nicht, ist die Klage wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (ständige Rechtsprechung; zuletzt BFH-Beschluß vom 30. Juli 1991 VIII B 88/89, BFHE 165, 22, BStBl II 1991, 848). Der nicht fristgerechten Vorlage einer Prozeßvollmacht steht es gleich, wenn die rechtzeitig vorgelegte Vollmachtsurkunde mit wesentlichen Mängeln behaftet ist; ein solcher Fall ist u. a. gegeben, wenn die Vollmachtsurkunde die Person, die zum Bevollmächtigten bestellt werden soll, nicht hinreichend erkennen läßt (Senatsurteil vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, und BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 112/89, BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726).

2. Es ist anerkannt, daß der Mandant seinem Prozeßbevollmächtigten ein üblicherweise verwendetes und mit seiner Unterschrift versehenes Vollmachtsformular mit der internen Ermächtigung überlassen kann, die notwendigen Angaben zur Konkretisierung der Vollmacht auf den geführten Rechtsstreit in diese sog. Blankovollmacht einzutragen und die in dieser Weise vervollständigte Vollmachtsurkunde dem Gericht vorzulegen (vgl. BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, und BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726, beide unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG -). Wird dem Prozeßbevollmächtigten - entsprechend einer ihm intern erteilten Ermächtigung des Mandanten - zugestanden, er könne die notwendigen Angaben, die den konkreten Bezug der Vollmachtsurkunde in ihrer personellen und sachlichen Beziehung zum Klageverfahren herstellen, in der Vollmachtsurkunde selbst vornehmen, so kann ihm nicht verwehrt werden, die Vollmachtsurkunde in bestimmten Punkten unvollständig zu lassen, den notwendigen Bezug zum Klageverfahren aber dadurch herzustellen, daß er der (unvollständigen) Vollmachtsurkunde einen Schriftsatz beiheftet, der diejenigen Angaben enthält, welche in der Vollmachtsurkunde fehlen. Der erkennende Senat hat eine solche inhaltliche Verschränkung von (unvollständiger) Vollmachtsurkunde und begleitendem Schriftsatz (bei Kenntlichmachung ihrer Zusammengehörigkeit - z. B. durch Zusammenheftung -) als hinreichende Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an eine Bevollmächtigung anerkannt für den Fall, daß der Klagebegründung, in der sich der Rechtsanwalt zum Prozeßbevollmächtigten bestellt hatte, eine Vollmachtsurkunde beigefügt war, in der der Rechtsanwalt als Bevollmächtigter namentlich zwar nicht benannt war, die Bevollmächtigung ad personam sich aber aus dem Zusammenhang zwischen Klagebegründung und beigefügter Vollmachtsurkunde entnehmen ließ. In dem vom III. Senat des BFH entschiedenen Fall (BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726) entbehrte die Vollmachtsurkunde jeglichen Hinweises auf den Gegenstand des zu führenden Rechtsstreites; sie war jedoch einem Schriftsatz beigefügt, in dem der Rechtsstreit genau bezeichnet und auf die anliegende Vollmacht hingewiesen worden war. Nach Auffassung des III. Senats des BFH fügen sich (unvollständige) Vollmachtsurkunde und ein Schriftsatz mit den vorbezeichneten Angaben zu einem hinreichenden konkreten Bezug auf den geführten Rechtsstreit zusammen mit der Folge, daß die Voraussetzungen einer mangelfreien Bevollmächtigung gegeben sind.

3. Das Urteil des FG, das am 24. Februar 1988 ergangen ist, konnte die dargestellten Erkenntnisse des BFH noch nicht berücksichtigen und steht zu ihnen im Widerspruch. Es war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Zwar hat der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde vorlegen lassen, in der der Prozeßbevollmächtigte als die bevollmächtigte Person nicht namentlich benannt war. Diese Vollmacht ist im Verfahren nach Art. 3 § 1 VGFGEntlG vorgelegt worden. Das Anschreiben des Prozeßbevollmächtigten nimmt hierauf - unter übriger Anführung aller sonstiger in der Vollmachtsurkunde aufgeführten konkreten Bezugnahmen auf den Rechtsstreit - ausdrücklich Bezug. Damit ergänzen sich die zusammengehefteten Papiere, nämlich das Anschreiben vom 13. Juli 1987, mit dem in Erfüllung richterlicher Anordnung die Vollmachtsbeibringung angezeigt wird, und die beigefügte Vollmacht vom 4. Juli 1987 in der Weise, daß die Bevollmächtigung des Prozeßbevollmächtigten nicht in Zweifel gezogen werden kann. Ob der Senat der weitergreifenden Entscheidung des III. Senats in BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726 folgen könnte, kann bei dieser Sachlage offenbleiben.

Dafür, daß der Prozeßbevollmächtigte damit entsprechend einer ihm intern vom Kläger erteilten Bevollmächtigung gehandelt hat, sprechen die nach Aktenlage ersichtlichen Umstände, die das Revisionsgericht von Amts wegen festzustellen und zu berücksichtigen hat (vgl. BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731). Die gerichtliche Anordnung gemäß Art. 3 § 1 VGFGEntlG vom 15. Juni 1987 ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 23. Juni 1987 zugestellt worden. Der Kläger hat die Prozeßvollmacht am 4. Juli 1987 unterschrieben. Aus dem Posteingangsstempel der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten ist der Zugang bei diesem am 8. Juli 1987 zu entnehmen. Aus dem zeitlichen Ablauf sowie aus dem Umstand, daß der Kläger die mit einer Schreibmaschine der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten vorgefertigte Vollmachtsurkunde an die Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten zurückgesandt hat, ergibt sich mit hinreichender Sicherheit, daß die dem Anschreiben vom 13. Juli 1987 zu entnehmende persönliche Bevollmächtigung des Prozeßbevollmächtigten dem Willen des Klägers entsprach.

Da die Prozeßvoraussetzung einer ordnungsmäßigen Bevollmächtigung gegeben ist, ist die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzugeben. Das FG muß nunmehr das Klagevorbringen in der Sache verbescheiden.