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  BFH-Urteil vom 10.7.1992 (VI R 19/91) BStBl. 1992 II S. 966

Aufwendungen eines Diplom-Ingenieurs für ein nur wenige Semester umfassendes Studium zur Erlangung der Berufsbezeichnung "Diplom-Wirtschaftsingenieur" sind Werbungskosten, wenn es sich um ein auf dem Erststudium aufbauendes Zweitstudium handelt, durch das die beim Erststudium erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden, und das nicht den Wechsel in eine andere Berufssparte ermöglicht.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1991, 247)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat im Streitjahr 1988 nach dem Studium an einer Fachhochschule den Grad eines Diplom-Ingenieurs erworben. Danach wurde er als Außendienst-Ingenieur bei einer Maschinenfabrik und Eisengießerei angestellt. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte die Kundenberatung, technische Unterstützung bei Verkaufsbesprechungen, Inbetriebnahmen im Über- und Untertagebereich, Schwachstellenerkennung und deren Beseitigung sowie die Montageeinsatzplanung. Mit Beginn dieser Berufstätigkeit nahm der Kläger zusätzlich ein Abendstudium des Wirtschaftsingenieurwesens an derselben Fachhochschule auf, an der er bereits sein Ingenieurstudium absolviert hatte. Die Dauer des Studiums betrug drei Semester. Zugangsvoraussetzung dafür war der Abschluß eines ingenieurwissenschaftlichen Studiums. Vorgesehener Abschluß des Studiums war "Diplom-Wirtschaftsingenieur".

In seinem Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich für das Streitjahr 1988 machte der Kläger die mit dem Studium verbundenen Aufwendungen als Werbungskosten geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte ihre Berücksichtigung ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Aufwendungen für ein Hochschulstudium seien, auch wenn es sich um ein Zweitstudium handele, den Kosten der Berufsausbildung zuzuordnen. Ein solches Zweitstudium eröffne dem Steuerpflichtigen eine andere berufliche und gesellschaftliche Stellung. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger durch das Studium nur zusätzliche wirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse erlangt habe. Das Zweitstudium des Wirtschaftsingenieurwesens sei wesensverschieden vom Studium des Maschinenbaus. Denn der Grad eines "Diplom-Wirtschaftsingenieurs" weise den Inhaber nicht nur als Fachmann auf dem Gebiet des Ingenieurwesens, sondern darüber hinaus als solchen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften aus.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Ihre berufliche Veranlassung ist anzunehmen, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und sie subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Diese Voraussetzungen liegen bei Fort- oder Weiterbildungskosten vor. Sie dienen dazu, in einem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärtszukommen. Dagegen zielen Ausbildungskosten darauf ab, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. zuletzt das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616).

Diesen Grundsätzen folgend hat der Senat bei Aufwendungen für Zweitstudien auf die Studiendauer, die Art des Studienabschlusses und die Feststellung abgestellt, ob das Studium bei isolierter Betrachtung überhaupt für eine Berufsausübung ausreicht oder ob es nicht nur der Spezialisierung in einem bereits ausgeübten Beruf dient (vgl. das BFH-Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 189/73, BFHE 114, 361, BStBl II 1975, 280). Er hat Kosten der Fortbildung angenommen, wenn bereits das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt hat und es sich bei dem Zweitstudium um ein darauf aufbauendes Zusatzstudium handelt, durch das die im Rahmen des Erststudiums erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden, und das nicht den Wechsel in eine andere Berufssparte ermöglicht (vgl. das BFH-Urteil vom 14. Februar 1992 VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.

Diese Rechtsprechung liegt der Vorentscheidung zugrunde. Bei seiner Entscheidung ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger durch das Abendstudium nicht unabhängig von seiner bisherigen Tätigkeit eine neue Qualifikation anstrebte, sondern lediglich neue und zusätzliche Erkenntnisse erwerben wollte, um allen Anforderungen im Rahmen seines ausgeübten Berufs gerecht werden zu können. Zudem ging es davon aus, daß das Studium dem Kläger keine neue berufliche Stellung eröffnete. Diese Würdigung des Sachverhalts durch das FG liegt auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für das Revisionsgericht bindend, wenn sie - wie im Streitfall - verfahrensrechtlich einwandfrei und ohne Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen zustande gekommen ist; das gilt auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375). Es entspricht allgemeiner Erfahrung, daß sich im Zuge der neueren wirtschaftlichen Entwicklung die Anforderungen an leitende Angestellte im betriebswirtschaftlich-organisatorischen Bereich erhöht haben, so daß es für technische Führungskräfte erforderlich sein kann, sich auf diesem Gebiet fortzubilden. Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften lassen sich in vielen Bereichen nicht mehr derart trennen, daß bei einer Kombination wie im Streitfall von zusätzlichen Qualifikationen mit eigenständigem Berufsbild gesprochen werden könnte. Das FG hat auch zutreffend darauf abgestellt, daß das als Abendstudium durchgeführte Zweitstudium des Klägers nur von kurzer Dauer war. In nur drei Semestern kann eine dem Ingenieurstudium gleichwertige Ausbildung nicht erreicht werden.