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  BFH-Urteil vom 1.7.1992 (I R 78/91) BStBl. 1992 II S. 975

Die vertragliche Bemessung der Tantieme eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nach dem "Gewinn gemäß GoB unter Berücksichtigung aller steuerlich zulässigen Maßnahmen" oder nach dem "Ergebnis der Steuerbilanz" enthält keine klaren Rechtsgrundlagen für die Bemessung nach dem körperschaftsteuerlichen Einkommen zuzüglich dem Aufwand für Gewerbesteuer.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. In den Streitjahren 1981 bis 1984 war F alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Im Anstellungsvertrag vom 18. März 1981 vereinbarte er mit der Klägerin ein festes Monatsgehalt und eine Gewinntantieme. Die Tantieme betrug 1981 25 v. H., 1982 30 v. H. und ab 1983 40 v. H. des Gewinns. Der Begriff "Gewinn" wurde in § 8 Nr. 2 des Anstellungsvertrages wie folgt definiert:

"Gewinn ist der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelte Gewinn unter Berücksichtigung der Geschäftsführer - Haupt- und Sondervergütung sowie aller steuerlich zulässigen Maßnahmen wie Abschreibungen, Rückstellungen, Bildung steuerfreier Rücklagen usw. Im besonderen sind folgende Bestimmungen zu beachten:

a) Die Bemessungsgrundlage ist um die Gewinnanteile stiller Gesellschafter und um die Tantieme selbst nicht zu kürzen.

b) Staatliche Prämien und Zulagen erhöhen die Bemessungsgrundlage.

c) Bestandskräftig festgestellte Ergebnisänderungen aufgrund von steuerlichen Betriebsprüfungen und andere festgestellte Abweichungen der Körperschaftsteuerveranlagungen vom erklärten Ergebnis der Steuerbilanz sind zu berücksichtigen."

Bei einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin bei Berechnung der Tantieme die in der Handelsbilanz als Aufwand behandelten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuer-Vorauszahlungen dem Jahresgewinn hinzugerechnet hatte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, daß gemäß § 8 Nr. 2 des Anstellungsvertrages alle Steuerschulden einschließlich der Personensteuern die Bemessungsgrundlage kürzen müßten. Das FA behandelte die durch die höhere Bemessungsgrundlage erhöhten Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Während des Klageverfahrens änderte das FA die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1983 und 1984 sowie die Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1983 und zum 31. Dezember 1984. Die Klägerin erklärte diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens.

2. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da die Tantieme gemäß § 8 Nr. 2 des Anstellungsvertrages nach dem modifizierten Handelsbilanzgewinn und nicht nach dem steuerlichen Einkommen zu bemessen sei.

Die Klägerin stützt ihre vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, die angefochtenen Bescheide dahingehend zu ändern, daß keine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen werde.

Das FA beantragt, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (BFH-Urteil vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit seinem Urteil vom 16. März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht gewährt hätte. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll (BFH in BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631).

2. Das FG hat im Streitfall zu Recht eine verdeckte Gewinnausschüttung bejaht, da den Tantiemezahlungen an F zumindest teilweise keine oder nur eine unklare Rechtslage zugrundelag.

a) F war als Alleingesellschafter beherrschender Gesellschafter im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

b) Beurteilt man die Tantiemezahlungen nach dem Anstellungsvertrag, so war Bemessungsgrundlage der um bestimmte steuerrechtlich zulässige Korrekturen wie Abschreibungen, Rückstellungen, Bildung steuerfreier Rücklagen modifizierte Handelsbilanzgewinn. Das ergibt sich aus den für das Revisionsgericht bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG.

aa) Die Auslegung privatrechtlicher Verträge gehört zu den tatsächlichen Feststellungen der Tatsacheninstanz (vgl. BFH-Urteil vom 6. Februar 1985 I R 80/81, BFHE 143, 426, 428, BStBl II 1985, 420). Der BFH ist als Revisionsinstanz zwar nicht gehindert, die Auslegung des FG daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind (BFH in BFHE 143, 426, 428, BStBl II 1985, 420; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rz. 17; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 118 FGO Tz. 9). Die revisionsrechtliche Überprüfung ist jedoch auf diesen Rahmen beschränkt.

bb) Die Vertragsauslegung des FG verstößt nicht gegen die revisionsrechtlich überprüfbaren Grundsätze.

Das FG hat festgestellt, daß die Vertragschließenden den um bestimmte, steuerrechtlich zulässige Korrekturen modifizierten Handelsbilanzgewinn als Bemessungsgrundlage vereinbarten. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des Anstellungsvertrages. Der "nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung" ermittelte Gewinn "unter Berücksichtigung der Geschäftsführer- Haupt- und Sondervergütung" ist der Gewinn laut Handelsbilanz. Die vorgeschriebene Modifizierung dieses Gewinns um die "steuerlich zulässigen Maßnahmen wie Abschreibungen, Rückstellungen und steuerfreie Rücklagen" weist auf den Gewinn laut Steuerbilanz hin. Dafür spricht auch § 8 Nr. 2 c) des Vertrages, in dem das "Ergebnis der Steuerbilanz" als maßgebliche Bezugsgröße genannt ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Begriff der Steuerbilanz dem gesetzlich geregelten Steuerrecht nicht fremd (vgl. § 60 Abs. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - 1981, § 29 Abs. 1 KStG).

Aus § 8 Nr. 2 des Anstellungsvertrages ist nicht zu entnehmen, daß der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelte Gewinn um nicht abziehbare Personensteuern und um sonstige nicht abziehbare Ausgaben (§ 10 KStG) zu erhöhen war. Diese Ausgaben sind bei der Ermittlung des handelsrechtlichen Gewinns abziehbare Aufwendungen. Das FG hat somit aus der Verweisung des Anstellungsvertrages auf den nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinn ohne Rechtsfehler auf eine um die Körperschaftsteuer geminderte Bemessungsgrundlage geschlossen. Die zusätzliche Verweisung auf das "Ergebnis der Steuerbilanz" enthält zumindest keine eindeutige Regelung. Zwar sieht die Praxis als Steuerbilanzgewinn den um die Körperschaftsteuer und die Vermögensteuer geminderten Gewinn an (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1974 I R 35/74, BFHE 113, 298, BStBl II 1974, 774). Auch die amtlichen Berechnungsbogen zur Körperschaftsteuer gehen von dieser Auffassung aus. Andererseits wird in der steuerrechtlichen Literatur auch die Auffassung vertreten, daß "Steuerbilanzgewinn" der Gewinn vor Abzug von Körperschaftsteuer und Vermögensteuer sei (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 29 KStG Rz. 19). Bei dieser Sachlage ist die vertragliche Regelung unklar. Da Vermögensminderungen aufgrund unklarer Vereinbarungen mit einem beherrschenden Gesellschafter stets als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt anzusehen sind, hat das FG zutreffend eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen.

Noch weniger ist dem Vertrag eine klare Verpflichtung zu entnehmen, den Gewerbesteueraufwand der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Die Gewerbesteuer ist sowohl handelsrechtlich Aufwand als auch steuerrechtlich abziehbare Betriebsausgabe. Sie gehört damit zu den nach dem Anstellungsvertrag gewinnmindernd zu berücksichtigenden "steuerlich zulässigen Maßnahmen" und mindert den nach dem Wortlaut des Vertrages maßgebenden "Gewinn". Sie ist auch nicht Bestandteil des Einkommens i. S. des § 8 KStG.

3. Das FG hat bei der Auslegung auch insoweit nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, als es nicht den von der Klägerin behaupteten, vom Wortlaut des Vertrages abweichenden Vertragsinhalt zugrunde gelegt hat. Die Klägerin trägt vor, daß die Beteiligten die vereinbarte Bemessungsgrundlage als "Gewinn vor Ertragsteuern" verstanden hätten. Es kann dahinstehen, ob diese Behauptung zutrifft, da diese Vertragsauslegung der Besteuerung selbst dann nicht zugrunde gelegt werden kann, wenn sie tatsächlich dem Willen der Beteiligten entsprochen hätte.

Das von einer schriftlichen Vereinbarung abweichende "tatsächlich Gewollte" kann nur dann berücksichtigt werden, wenn das FG die Überzeugung gewinnt, daß von Anfang an zwischen den Vertragschließenden Übereinstimmung über das tatsächlich Gewollte bestand. Zweifel gehen zu Lasten dessen, der sich auf das nur mündlich Vereinbarte beruft (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362).

Wenn nach dem rechtsfehlerfrei festgestellten schriftlichen Vertrag Bemessungsgrundlage der Tantieme der aus einem Vergleich der (modifizierten) Handelsbilanzvermögen errechnete Gewinn ist, dann kann ein davon abweichender Vertragswille allenfalls dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn überzeugende Beweisanzeichen für das angeblich Gewollte vorliegen. Die tatsächliche Berechnung der Tantieme auf der Grundlage eines Gewinns "vor allen Ertragsteuern" allein kann nicht ausreichen, um Zweifel zu beheben. Das muß insbesondere dann gelten, wenn die Klägerin die nach dem insoweit eindeutigen Vertragswortlaut gewinnmindernde Gewerbesteuer der Bemessungsgrundlage zurechnete. Da bestehende Zweifel nach der Rechtsprechung des BFH zu Lasten desjenigen gehen, der sich auf das nur mündlich Vereinbarte beruft, konnte das FG keinen anderen Vertragsinhalt zugrunde legen (BFH in BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362). Es kann dahinstehen, ob sich etwas anderes ergeben könnte, wenn der abweichende Vertragswille durch Zeugenaussagen in Verbindung mit einer über viele Jahre andauernden Praxis ausreichend dargetan werden kann (vgl. dazu BFH in BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362).

4. Eine denkgesetzlich mögliche nachträgliche mündliche Änderung der Vereinbarungen scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil die Klägerin selbst keine nachträglichen Änderungen behauptet.

5. Es kann dahinstehen, ob bei unklarer Vereinbarung die gesamten Tantiemezahlungen oder nur die auf dem erhöhten Gewinnbegriff beruhenden Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind. Da FA und FG nur die auf der überhöhten Bemessungsgrundlage errechneten Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt haben, war der Kläger wegen des "Verböserungsverbots" nicht schlechterzustellen als in den angefochtenen Bescheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 313/68, BFHE 102, 202, BStBl II 1971, 591).