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  BFH-Urteil vom 17.3.1992 (IX R 264/87) BStBl. 1992 II S. 1009

Überläßt ein Steuerpflichtiger seiner von ihm geschiedenen Ehefrau aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung sein bisher gemeinsam bewohntes Einfamilienhaus zur Nutzung mit den Kindern, so erzielt er mit diesem Überlassen keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Alternative 1 EStG.

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Alternative 1.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1987, 561)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines Einfamilienhauses, das die seit dem Jahre 1962 von ihm geschiedene Beigeladene aufgrund der Unterhaltsvereinbarung vom 27. März 1962 im Streitjahr 1982 bewohnte. In dieser Unterhaltsvereinbarung hatte sich der Kläger - neben Unterhaltsleistungen in bar - dazu verpflichtet, das früher gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus der Beigeladenen und den Kindern so lange "zur freien Benutzung" zu belassen, bis die Beigeladene wieder heiratet oder verstirbt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte bei seiner Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 1982 Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung aufgrund der Überlassung seines Einfamilienhauses an die Beigeladene an.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger sich hiergegen wendete, mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 561 veröffentlichten Urteil statt. Es rechnete dem Kläger keine Einkünfte aus dem der Beigeladenen zur Verfügung gestellten Einfamilienhaus zu.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Kläger habe das Einfamilienhaus der Beigeladenen entgeltlich überlassen. Ihre Gegenleistung bestehe in dem Verzicht auf weitergehenden Barunterhalt.

Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Herabsetzung der Einkommensteuer 1982 auf 53.252 DM die Klage im übrigen abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß der Kläger aus der Überlassung seines Einfamilienhauses an die Beigeladene weder Einkünfte i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, noch solche i. S. von § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG bezog.

1. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt u. a. derjenige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der ein Grundstück oder Gebäude zur Nutzung gegen Entgelt überläßt. Entgelt in diesem Sinn sind alle Geld- oder Sachleistungen, die der Nutzende als Gegenleistung an den Vermieter oder Verpächter erbringt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juli 1983 VI R 30/82, BFHE 139, 171, BStBl II 1983, 755).

Der Kläger erfüllte den Tatbestand der vorstehenden Vorschrift nicht. Er überließ sein Einfamilienhaus der Beigeladenen zur Nutzung nicht gegen Zahlung von Mietzinsen. Die Beigeladene nutzte das Haus nicht aufgrund eines Mietvertrags, sondern allein aufgrund der im Rahmen der Ehescheidung getroffenen Unterhaltsvereinbarung vom 27. März 1962. Darin hatte der Kläger sich verpflichtet, das bisher gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus der Beigeladenen mit den Kindern so lange "zur freien Benutzung" zu belassen, bis die Beigeladene wieder heiratet oder stirbt; ein Mietverhältnis wurde damit nicht begründet.

Die Beigeladene war als geschiedene Ehefrau gegenüber dem Kläger nach § 58 Abs. 1 des Ehegesetzes 1946 (EheG), das gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG auf sog. Altehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurden, insoweit anzuwenden ist, unterhaltsberechtigt. Der Kläger hatte ihr den laufenden Unterhalt nach § 62 Abs. 1 EheG grundsätzlich durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Teilweise abweichend hiervon vereinbarten die Parteien gemäß § 72 EheG als Sachleistung, daß der Kläger der Beigeladenen sein Einfamilienhaus zur Wohnung für sie und ihre Kinder beließ.

Nutzte demnach die Beigeladene das Einfamilienhaus des Klägers kraft ihres durch die Unterhaltsvereinbarung vom 27. März 1962 näher geregelten Unterhaltsanspruchs, so scheidet damit eine gleichzeitige Annahme eines Mietverhältnisses zwischen den Vertragsparteien aus. Aus der Unterhaltsvereinbarung vom 27. März 1962 läßt sich entgegen der Auffassung der Revision (vgl. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Münster vom 16. Mai 1986 S 2221 - 117 - St 16 - 31, Der Betrieb - DB - 1986, 1751, und Abschn. 161 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990) nicht zugleich auch ein Mietverhältnis allein mit dem Argument herleiten, die unterhaltsberechtigte Beigeladene habe als Gegenleistung für die Wohnungsüberlassung auf einen Teil des ihr grundsätzlich zustehenden Barunterhalts verzichtet. Nach dem Inhalt der Unterhaltsvereinbarung, den das FG für den Senat bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), wurde die Unterhaltsverpflichtung des Klägers nicht ermäßigt; vielmehr sollte er diese lediglich teilweise nicht durch eine Bar-, sondern durch eine Sachleistung in Gestalt der Wohnungsüberlassung erfüllen.

Angesichts der von den Vertragsparteien gewählten Rechtsgestaltung braucht der Senat nicht darüber zu befinden, ob in einer Scheidungsfolgenvereinbarung eine Unterhaltsregelung mit einem Mietvertrag verbunden werden kann, und ob eine solche Rechtsgestaltung einkommensteuerrechtlich anzuerkennen ist.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604) in dem Abschluß des Mietvertrages einen Gestaltungsmißbrauch i. S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) gesehen, wenn Eltern eine ihnen gehörende Wohnung ihrem unterhaltsberechtigten studierenden Kind vermieten, das den Mietzins nur aus dem ihm von ihnen gewährten Barunterhalt bestreiten kann; denn die Eltern erfüllen mit der Wohnraumüberlassung den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Kindes. Inwieweit sich diese Erwägungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen geschiedenen Eheleuten übertragen lassen, kann für den Streitfall mangels Vereinbarung eines Mietverhältnisses offenbleiben.

2. Der Kläger hat den Nutzungswert der Wohnung in seinem Hause auch nicht nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern; denn der Nutzungswert kann ihm für das Streitjahr nicht zugerechnet werden.

Die Beigeladene nutzte die Wohnung des Klägers aufgrund einer gesicherten Rechtsposition. Diese ergibt sich für die Beigeladene aus der Unterhaltsvereinbarung vom 27. März 1962. Der Kläger ist hieran gebunden, solange der Unterhaltsanspruch der Beigeladenen besteht.