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  BFH-Urteil vom 15.7.1992 (X R 165/90) BStBl. 1992 II S. 1020

Zu den steuerrechtlichen Anforderungen an die Vereinbarung und Durchführung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 a, § 12 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Vater des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) war Inhaber eines Einzelhandelsgeschäftes für Haushaltswaren gewesen. Er hatte sein Geschäft auf dem mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstück S Weg 14 in H betrieben, dessen Erbbauberechtigter er gewesen war.

Am 21. April 1981 schlossen die Eltern des Klägers mit ihm und seinen beiden Geschwistern einen notariell beurkundeten Übergabe- und Erbverzichtsvertrag. Der Kläger erhielt mit Wirkung vom 1. Januar 1981 das Geschäft und das Erbbaurecht. Er übernahm die valutierten Verbindlichkeiten und verpflichtete sich, seinen Eltern eine lebenslange Rente in Höhe von 1.250 DM monatlich zu zahlen. Die Rente war durch Anbindung an den Lebenshaltungskostenindex wertgesichert. Weiterhin verpflichtete er sich, an seine Geschwister zur Abgeltung aller Erbansprüche Zahlungen in Höhe von jeweils 1/5 des Wertes der übernommenen Vermögensgegenstände im Zeitpunkt des Todes des letztversterbenden Elternteils zu zahlen. Der Kläger und seine Geschwister erklärten sich hinsichtlich aller Erbansprüche für abgefunden. Der Kläger führte das Einzelhandelsgeschäft mit den Buchwerten aus der Schlußbilanz seines Vaters zum 31. Dezember 1980 fort. Er erzielte aus der Eigennutzung der Wohnung im Hause S Weg 14 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. September 1982, geschlossen zwischen dem Kläger und seinen Eltern, wurde die Rentenverpflichtung wie folgt ergänzt:

"Die Parteien vereinbaren die Anwendbarkeit des § 323 ZPO. Die Anwendbarkeit des § 323 ZPO gilt als vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an vereinbart. Die Höhe der Barrente ist gemessen worden an dem Jahresertrag des hier mitübertragenen Gewerbebetriebes, der den Parteien bekannt ist. Sollte insoweit, d. h. im Hinblick auf den Jahresertrag eine Veränderung nach oben oder unten stattfinden, so ist auch eine Abänderung der monatlichen Barrente gemäß § 323 ZPO notwendig. Die Parteien gehen davon aus, daß insoweit dann von einer relevanten Veränderung gesprochen werden kann, sobald der Jahresertrag um mehr als 100 % vom vorigen Ertrag abweicht."

Im Streitjahr 1981 behandelte der Kläger die an seine Eltern gezahlte Rente in Höhe von 15.467 DM als betriebliche Rente. Für die Streitjahre 1982 und 1983 beantragte er, die Rente in Höhe von 12.500 DM bzw. 13.750 DM zum Abzug als dauernde Last zuzulassen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Rente lediglich mit ihrem Ertragsanteil (1981: 2.166 DM; 1982: 1.750 DM; 1983: 1.925 DM). Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Mutter des Klägers als Alleinerbin nach dem verstorbenen Vater gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) beigeladen. Es hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Eltern sei als Leibrente vereinbart worden. Der Vertrag hätte nachträglich rechtswirksam nur unter Mitwirkung der Geschwister geändert werden können. Würden nachträglich zusätzliche Versorgungsleistungen vereinbart, beruhten diese auf einem rechtlich selbständigen Verpflichtungsgrund. Dem Kläger seien in Höhe der vereinbarten Renten- und Ausgleichszahlungen Anschaffungskosten für die im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihn übergegangenen Wirtschaftsgüter entstanden; dies führe zu höheren Abschreibungen auf die übernommenen Wirtschaftsgüter. Hingegen entfielen die bisher vom FA als Sonderausgaben angesetzten Ertragsanteile der Leibrente. Nach Auffassung des FG ergaben sich die folgenden steuerlichen Auswirkungen:

1981

1982

1983

DM

DM

DM

Rückgängigmachung des
Sonderausgabenabzugs

+ 2.166

+ 1.750

+ 1.925

Mehr Betriebsausgaben
durch Rentenzahlung

./. 15.467

./. 12.500

./. 13.750

Auflösung Passivposten
Leibrente

+ 6.035

+ 4.400

+ 4.519

zusätzlich
Abschreibung

./. 4.442

./. 4.442

./. 4.442

-------------------------------------

-------------

------------

---------------

Ermäßigung des zu
versteuernden
Einkommens um

./. 11.708

./. 10.792

./. 11.748.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es trägt u. a. vor: Die Verpflichtung des Klägers gegenüber seinen Eltern sei eine Leibrente. Als Ertragsanteile seien anzusetzen 2.320 DM (1981), 2.250 DM (1982) und 2.475 DM (1983). Die Ausgleichsverpflichtung gegenüber den Geschwistern sei aufschiebend bedingt und führe erst bei ihrer Entstehung zu nachträglichen Anschaffungskosten.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als das FA verpflichtet wird, dem Kläger geänderte Einkommensteuerbescheide zu erteilen und dabei das zu versteuernde Einkommen für 1981 um mehr als 154 DM, für 1982 um mehr als 500 DM und für 1983 um mehr als 550 DM zu ermäßigen, im übrigen die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 26. August 1991 bzw. 17. September 1991.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Revision hat für das Streitjahr 1982 bereits insofern Erfolg, als die Entscheidung des FG über den Klageantrag hinausgeht: Der Kläger hatte beim FG den Abzug von insgesamt 12.500 DM beantragt. Der im Steuerbescheid bereits berücksichtigte Betrag (1.750 DM) und der vom FG zusätzlich zuerkannte Betrag (10.792 DM) gehen über den beantragten Betrag hinaus. Dies ist ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Februar 1992 I R 127/90, BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532).

2. Zu Unrecht hat das FG den Übernahmevertrag, soweit er die Leistungen des Klägers an seine Eltern betrifft, als ein in vollem Umfang entgeltliches Rechtsgeschäft angesehen. Es handelt sich vielmehr um eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, die der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847).

a) Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.

b) Im Anschluß an die Beschlüsse des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88 (BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499) entschieden: Die Verweisung auf die Rechtsnatur des anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsvertrages führt dazu, daß Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden, im Regelfall abänderbar sind.

c) Der Kläger und seine Eltern haben bereits im Vertrag vom 21. April 1981 der Höhe nach abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart. Eine Abänderbarkeit ergibt sich hier zwar nicht aus einer Bezugnahme auf § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO), wohl aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß das Hamburgische Landesrecht (Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 1. Juli 1958, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl HA - 1958, 195) einen Altenteilsvertrag nicht kennt. Auf die Zuordnung der Vermögensübergabe zu einem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag kommt es indes letztlich nicht an. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem in anderen Landesrechten geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Aus der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge folgt hinsichtlich deren Abänderbarkeit, daß die wirtschaftlichen Risiken des Vertrages nicht ein für allemal unabänderlich nach den im ursprünglichen Vertrag festgelegten Bedingungen verteilt sind. Damit entspricht der Vertrag dem Typus des Versorgungsvertrages, den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat.

d) Der Übergabevertrag muß steuerrechtlich anzuerkennen sein. Dies setzt unter nahen Angehörigen jedenfalls voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind (vgl. zu dieser Voraussetzung allgemein BFH-Urteil vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, 452, BStBl II 1991, 607, mit Nachweisen der Rechtsprechung; zur Abgrenzung der Betriebsausgaben von außerbetrieblichen Zuwendungen BFH-Urteile vom 21. August 1985 I R 73/82, BFHE 145, 316, BStBl II 1986, 250; vom 13. November 1986 IV R 322/84, BFHE 148, 168, BStBl II 1987, 121; zur Verpflichtung zu Versorgungsleistungen in einem Vermögensübergabevertrag BFH-Urteil vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712, unter 3.). Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1988 VIII R 83/82, BFHE 155, 114, 116, BStBl II 1989, 281).

e) Zur Frage der Vereinbarung und Durchführung des Versorgungsvertrages im besonderen bemerkt der Senat:

Mit dem Übergabevertrag gegen Versorgungsleistungen werden typischerweise gegenläufige Interessen von Übergeber und Übernehmer des Vermögens ausgeglichen. Ein hierauf gerichteter Vertrag setzt voraus, daß ein Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen vereinbart wird, der eine Qualifikation als Versorgungsvertrag erlaubt. Insbesondere müssen als wesentlicher Inhalt des Übergabevertrages der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistung und die Art und Weise der Zahlung vereinbart sein. Mit der Bestimmung der Versorgungsleistungen nach Art und Höhe legen die Vertragsschließenden ein wesentliches Datum fest für eine dem Rechtstypus gemäße bedarfs- und/oder leistungsabhängige Abänderbarkeit insbesondere der Höhe der Versorgungsleistungen. Enthält der Vertrag diese wesentlichen Bestandteile, ist er bürgerlich-rechtlich als Versorgungsvertrag zu beurteilen. Die Abänderbarkeit der Leistungen ist dann eine rechtliche Eigenschaft, die, wenn nicht aus dem Wortlaut des Vertrages selbst, so doch "aus der Rechtsnatur des Versorgungsvertrages", d. h. aus dem für diesen Rechtsgeschäftstyp geltenden dispositiven Recht folgt.

Nach den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen über Verträge zwischen nahen Angehörigen steht es den Vertragspartnern nicht frei, ob und in welchem Umfang sie ihren Vertragspflichten nachkommen wollen. Die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden. Andererseits liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrages begründet, daß die Vertragspartner z. B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren. Eine Schwankung der Höhe nach muß aber, soll sie steuerrechtlich anerkannt werden, in der Regel durch nachweisbare Umstände veranlaßt sein, die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der Rechtsnatur des Vertrages rechtserheblich sind. Diese Umstände müssen - in der Regel langfristig - eine veränderte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder eine andere Bedarfslage des Berechtigten anzeigen.

f) Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann nicht durcherkennen, da das FG keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob der Vertrag vom 21. April 1981 wie vereinbart durchgeführt worden ist. Hinsichtlich des Streitjahres 1981 ist unklar, ob eine steuerrechtlich unzulässige Rückwirkung vereinbart worden ist. Dies wird das FG im zweiten Rechtszug prüfen.

3. Für den Fall, daß eine dauernde Last nicht oder nicht in der beantragten Höhe anzuerkennen ist, wird das FG zu prüfen haben, in welcher Höhe Absetzungen für Abnutzung (AfA) angesetzt werden können.

a) Zur Zahlung von Gleichstellungsgeldern an Geschwister hat der Große Senat (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) entschieden: Die Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern insbesondere an Geschwister führt beim Übernehmer des Vermögens zu Anschaffungskosten.

Wird ein Grundstück im Wege vorweggenommener Erbregelung gegen Anschaffungskosten und gegen Versorgungsleistungen übertragen, ist der Übertragungsvorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten. Soweit ein Anschaffungsvorgang vorliegt, ist weiterhin das Entgelt danach aufzuteilen, inwieweit es auf die Anschaffung des Erbbaurechts und des Gebäudes entfällt. Soweit die Verbindlichkeiten gegenüber den Geschwistern durch die Anschaffung von Betriebsvermögen veranlaßt sind, sind sie im Falle einer Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG nach näherer Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu bewerten. Für die Bemessung der Anschaffungskosten zur Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind die Verbindlichkeiten gemäß § 1 Abs. 1, § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit ihrem Barwert im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen (vgl. BFH-Urteile vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601; vom 24. April 1991 XI R 5/83, BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793, und vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794). Aufschiebend bedingte Verbindlichkeiten (§ 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 BewG) sind erst nach Eintritt der Bedingung bei den Anschaffungskosten zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791). In letzterem Zusammenhang wird das FG zu erwägen haben, ob die Verpflichtungen jedenfalls insofern unbedingt sind, als nach dem Vertrag vom 21. April 1981 die Ausgleichsansprüche nicht davon abhängen, daß der Kläger und seine Geschwister den Tod des längstlebenden Elternteils erleben.

b) Eine hiernach etwa mögliche Saldierung zugunsten des Klägers ist nur in dem Umfang zulässig, wie das FG dem Klageantrag zulässigerweise stattgegeben hat.