| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 20.3.1992 (VI R 40/89) BStBl. 1992 II S. 1033

Der erhöhte Sonderausgabenabzug von 1.200 DM wegen Aus- oder Weiterbildung mit auswärtiger Unterbringung (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG) erfordert - entgegen Abschn. 103 Abs. 3 Satz 2 EStR 1990, Abschn. 59 Abs. 3 Satz 2 LStR 1990 - weder eine auswärtige Unterbringung von längerer Dauer, noch müssen die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorgelegen haben (Aufgabe der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 21. August 1974 VI R 166/72, BFHE 113, 440, BStBl II 1975, 79).

EStG 1986 § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die ledige Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1986 nichtselbständig tätig. Sie bewohnte eine Zwei-Zimmer-Wohnung in K. Wegen befürchteter Arbeitslosigkeit wollte sie sich zur freien Fachsportlehrerin weiterbilden. Zu diesem Zweck besuchte sie jeweils auswärts in der Zeit vom 25. bis 27. September 1986 einen Eingangslehrgang sowie einen weiteren Lehrgang in der Zeit vom 17. bis 21. November 1986. Von den hierfür geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1.950 DM, in denen u. a. Fahrt- und Übernachtungskosten enthalten waren, berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1986 900 DM als Sonderausgaben. Der Einspruch, mit dem die Klägerin wegen auswärtiger Unterbringung (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG) den Abzug weiterer 300 DM begehrte, blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Hierzu führt es unter Hinweis auf Rechtsprechung und Schrifttum u. a. aus, eine auswärtige Unterbringung liege nur vor, wenn der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand unterhalte und zudem Aufwendungen getätigt habe, die - wären sie als Werbungskosten zu werten - dem Grunde und der Höhe nach Kosten einer doppelten Haushaltsführung darstellten. Im Streitfall wären die Aufwendungen dagegen als Reisekosten und nicht als Kosten einer doppelten Haushaltsführung zu behandeln gewesen. Im übrigen erfülle die Teilnahme an einem kurzfristigen - auswärtigen - Lehrgang auch nicht die Voraussetzungen für den Ansatz eines erhöhten Ausbildungsfreibetrages gemäß § 33 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. Nr. 2 EStG 1986.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind der Klägerin Aufwendungen für ihre Berufsausbildung oder Weiterbildung im nicht ausgeübten Beruf entstanden (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG). Solche Aufwendungen sind bis zum Betrag von 1.200 DM abziehbar, wenn der Steuerpflichtige wegen der Ausbildung oder Weiterbildung außerhalb des Ortes untergebracht ist, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG). Auch diese Voraussetzungen haben im Streitfall vorgelegen.

a) Der Begriff "Unterbringung" beinhaltet nach seinem natürlichen Wortverständnis kein Dauerelement. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1968 vom 20. Februar 1969 (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) als § 10 Abs. 1 Nr. 9 in das EStG aufgenommen worden mit dem Ziel, die Ausbildungsförderung zu verbessern und insbesondere Maßnahmen der Umschulung mehr als bisher zu fördern (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks V/3430, S. 8 f.). Der Gesetzgeber hielt für den Fall der auswärtigen Unterbringung einen auf 1.200 DM erhöhten Sonderausgabenabzug für angemessen, weil er davon ausging, daß in diesem Fall durch Fahrt- und Übernachtungskosten regelmäßig höhere Aufwendungen entstehen würden. Von diesem Ausgangspunkt her erscheint es gerechtfertigt, den erhöhten Abzugsbetrag nicht von einer längeren Ausbildungsmaßnahme abhängig zu machen, zumal der Gesetzeswortlaut weder das Erfordernis eines längeren Zeitraums noch Kriterien für dessen Begrenzung erkennen läßt.

Entgegen Abschn. 103 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abschn. 191 Abs. 3 Sätze 5 und 6 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990, Abschn. 59 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abschn. 97 Abs. 3 Sätze 5 und 6 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1990 kann hinsichtlich der Dauer der auswärtigen Unterbringung auch nicht die Rechtsprechung zu § 33 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b bzw. Nr. 2 EStG 1986 herangezogen werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1982 VI R 47/79, BFHE 137, 42, BStBl II 1983, 109; vom 25. März 1983 VI R 188/81, BFHE 139, 89, BStBl II 1983, 457, und vom 29. September 1989 III R 304/84, BFHE 158, 402, BStBl II 1990, 62). Die dort erfolgte einschränkende Auslegung, die auswärtige Unterbringung des Kindes müsse auf eine gewisse Dauer angelegt sein, beruht auf der Erwägung, die Ausbildung eines Kindes erstrecke sich in aller Regel über eine längere Dauer.

Vorstellungen dieser Art lassen sich jedoch nicht auf den von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfaßten Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung übertragen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß § 33 a Abs. 2 EStG nur den Fall der Ausbildung erfaßt, während in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG ausdrücklich auch die Weiterbildung geregelt ist, die häufig in kürzeren Lehrgängen vermittelt wird.

b) Für die Auslegung des weiteren Erfordernisses in § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG, daß der Steuerpflichtige wegen der Aus- oder Weiterbildung außerhalb seines Ausbildungsortes einen eigenen Hausstand unterhält, sind entgegen der Auffassung des FA nicht die von der Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG entwickelten Grundsätze anzuwenden. Zwar verwendet Satz 2 der zuletzt genannten Vorschrift, die durch das StÄndG 1966 vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) in das EStG eingefügt wurde, für die Umschreibung des Begriffs "doppelte Haushaltsführung" den gleichen Wortlaut ("außerhalb des Orts, in dem - der Arbeitnehmer - einen eigenen Hausstand unterhält"), verfolgt jedoch einen anderen Regelungszweck. § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG regelt für einen bestimmten Bereich die Abgrenzung zwischen Werbungskosten und den (nichtabziehbaren) Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG). Beim Abzug von Sonderausgaben, die von vornherein Lebensführungskosten darstellen, gilt dies nicht. Der erhöhte Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG beruht vielmehr auf der gesetzgeberischen Erwägung, daß - wie bereits dargelegt - einem Steuerpflichtigen typischerweise höhere Aufwendungen erwachsen, wenn er seiner Ausbildung an einem Ort nachgeht, von dem er nicht täglich zu seiner regelmäßigen Wohnung zurückkehren kann. Daher ist der Begriff "Unterhalten eines eigenen Hausstandes" im vorliegenden Zusammenhang eigenständig auszulegen. An der in seinem Urteil vom 21. August 1974 VI R 166/72 (BFHE 113, 440, BStBl II 1975, 79) vertretenen Auffassung, die Auslegung sei im gleichen Sinne vorzunehmen wie bei § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG für die doppelte Haushaltsführung, hält der Senat nicht mehr fest.

Ausgehend von dem dargelegten Gesetzeszweck ist der Senat nunmehr der Auffassung, daß "auswärtige Unterbringung" i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG lediglich voraussetzt, daß der Steuerpflichtige eine (außerhalb des Ausbildungsorts gelegene) Wohnung besitzt, die er - abgesehen von seiner Ausbildungszeit - regelmäßig nutzt.

Im Streitfall war diese Voraussetzung gegeben. Wie das FG, den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), festgestellt hat, hatte die Klägerin während des Streitjahres in K eine Wohnung gemietet. Daß sie diese Wohnung - die Zeiten während der streitigen Lehrgänge ausgenommen - ständig nutzte, wird auch vom FA nicht bestritten.