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  BFH-Urteil vom 15.5.1992 (VI R 19/90) BStBl. 1992 II S. 1035

Bezüge, die einem früheren Bundesbeamten infolge eines Dienstunfalls aufgrund des § 38 BeamtVG in Form eines Unterhaltsbeitrags gewährt werden, sind nach § 3 Nr. 6 EStG steuerbefreit, wenn der Unterhaltsbeitrag nach der Ernennung zum Landesbeamten wegen der in § 53 Abs. 4 BeamtVG enthaltenen Kürzungsregelung ausnahmsweise nur in Höhe eines (niedrigeren) Unfallausgleichs i. S. von § 35 BeamtVG gezahlt wird.

EStG § 3 Nr. 6; BeamtVG § 35, § 38, § 53.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1990, 343)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) leistete im Jahre 1972 seinen Grundwehrdienst beim Bundesgrenzschutz ab. Er erlitt dabei einen Dienstunfall, der zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H. führte. Er mußte daraufhin beim Bundesgrenzschutz ausscheiden. Der ihm deswegen zustehende Unterhaltsbeitrag für frühere Beamte (§ 38 des Beamtenversorgungsgesetzes - BeamtVG -) wurde ihm nach seiner Ernennung zum Landesbeamten gemäß § 53 Abs. 4 BeamtVG nur in Höhe des sogenannten Unfallausgleichs i. S. des § 35 BeamtVG gezahlt. Er betrug im Streitjahr 1986 2.586 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte nicht der Auffassung des Klägers, daß dieser Betrag steuerlich wie der Unfallausgleich zu behandeln und mithin gemäß § 3 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Kläger erstrebten, die streitigen Zahlungen gemäß § 3 Nr. 6 EStG steuerfrei zu belassen, statt. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 343 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner Revision eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 3 Nr. 6 EStG. Es macht geltend: Das FG habe zwar die Unfallfürsorgeleistungen an Beamte aufgrund der §§ 32 bis 35 BeamtVG zu Recht dem § 3 Nr. 6 EStG zugeordnet. Ihm sei jedoch nicht zu folgen, wenn es die Unterhaltsbeiträge nach § 38 BeamtVG dem Unfallausgleich nach § 35 BeamtVG gleichstelle.

Entgegen der Auffassung des FG unterschieden sich die in diesen Vorschriften geregelten Bezüge nicht nur in der Berechnungsweise, sondern auch in ihrem Sinngehalt: Der Unfallausgleich nach § 35 BeamtVG solle Mehraufwendungen und immaterielle Verluste ausgleichen und bemesse sich nicht nach der Dienstzeit, sondern nach der Grundrente des § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG); er werde dem Beamten neben seiner Besoldung gewährt. Der Unterhaltsbeitrag nach § 38 BeamtVG solle dagegen Nachteile im Erwerbsleben ausgleichen und bemesse sich nach den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen. Das unterschiedliche Ausmaß der Einkommensteuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 EStG bzw. nach § 19 Abs. 2 EStG stimme damit überein. Auch für den hier vorliegenden besonderen Fall, daß ein wegen Wiederverwendung im öffentlichen Dienst an sich wegfallender Unterhaltsbeitrag in Höhe eines Unfallausgleichs nach § 35 BeamtVG bestehenbleibe (§ 53 Abs. 1, 2, 4 BeamtVG), sei den Gleichstellungserwägungen des FG nicht zu folgen. Zwar solle durch § 53 Abs. 4 BeamtVG Nachteilen im Vergleich mit solchen Beamten entgegengewirkt werden, die nach ihrem Dienstunfall im Dienst verblieben seien. Diese Annäherung im Sinngehalt an § 35 BeamtVG könne gleichwohl nicht zur vollen Gleichstellung in einkommensteuerlicher Hinsicht führen, weil § 53 Abs. 4 BeamtVG für die Bezüge nach § 38 BeamtVG den Rechtscharakter als Unterhaltsbeitrag aufrechterhalte und damit die Subsumtion unter § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 a EStG unverändert lasse. Zu einer vollständigen Gleichbehandlung sei der Gesetzgeber nicht genötigt gewesen. Solle die Abgrenzung verändert werden, müsse der Gesetzgeber tätig werden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß der an den Kläger gemäß §§ 35, 38, 53 Abs. 4 BeamtVG in Höhe des Unfallausgleichs gezahlte Unterhaltsbeitrag gemäß § 3 Nr. 6 EStG steuerfrei ist.

Bei den Unterhaltsbeiträgen nach § 38 BeamtVG handelt es sich, soweit die Berechnung auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge vorzunehmen ist, um Versorgungsbezüge i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 a EStG. Unstreitig sind dem Kläger im Streitjahr 1986 jedoch nicht auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge berechnete Unterhaltsbeiträge ausgezahlt worden. Vielmehr sind ihm wegen seiner Tätigkeit im öffentlichen Dienst nur Unterhaltsbeiträge in der geringeren Höhe des Unterhaltsausgleichs zugeflossen. Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, daß der Unterhaltsausgleich gemäß § 35 BeamtVG, der nicht nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, sondern aufgrund der Verweisung auf die Grundrente des § 31 BVG nach dem Grad der Erwerbsminderung bemessen wird, steuerfrei gemäß § 3 Nr. 6 EStG ist (vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz mit Beamtenversorgungsgesetz, § 35 BeamtVG Tz. 35.0.3). Die danach entscheidungserhebliche Frage, ob die an den Kläger geleisteten Zahlungen entweder wegen ihrer Rechtsgrundlage in § 38 BeamtVG den Versorgungsbezügen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 a EStG zuzuordnen oder aber wegen ihrer Reduzierung (vgl. § 53 Abs. 4 BeamtVG) auf die Höhe eines Unfallausgleichs i. S. des § 35 BeamtVG nach § 3 Nr. 6 EStG steuerfrei zu belassen sind, hat das FG zutreffend im letztgenannten Sinne entschieden.

Der Kläger hatte aufgrund seiner durch einen Dienstunfall beim Bundesgrenzschutz eingetretenen Erwerbsminderung um 40 v. H. einen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag gemäß § 38 BeamtVG. Er war aufgrund seiner Tätigkeit beim Bundesgrenzschutz einem Wehrdienstbeschädigten gleichzustellen (vgl. § 59 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes). Hätte seine Verletzung nicht zu einem Ausscheiden beim Bundesgrenzschutz geführt, hätte er neben seinen Dienstbezügen einen Anspruch auf einen gemäß § 3 Nr. 6 EStG steuerbefreiten - gegenüber dem Unterhaltsbeitrag niedrigeren - Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG gehabt. Nach § 53 Abs. 1 BeamtVG erhält ein Versorgungsberechtigter, der Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst bezieht, Versorgungsbezüge nur in eingeschränktem Maß. Einem früheren Beamten, der Anspruch auf Versorgung nach § 38 BeamtVG hat und anderweitig im öffentlichen Dienst beschäftigt wird, ist jedoch bei der Ruhensberechnung gemäß § 53 Abs. 4 BeamtVG mindestens ein Betrag als Versorgung zu belassen, der unter Berücksichtigung der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Dienstunfalles dem Unfallausgleich entspricht. Es ist also der Unterhaltsbeitrag zumindest mit dem Betrag weiterzuzahlen, der dem darin enthaltenen Unfallausgleich entspricht (vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, a. a. O., § 38 BeamtVG, Rdnr. 38.0.1).

Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 4 BeamtVG war § 158 Abs. 4 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift sollte durch sie erreicht werden, daß einem früheren Beamten mit Dienstbezügen oder Unterhaltszuschuß bei der Ruhensregelung die Versorgung für einen Dienstunfall in einem gewissen Umfang erhalten bleibt. Der frühere Beamte wird nunmehr - so die amtliche Begründung - finanziell hinsichtlich der Unfallentschädigung so gestellt, als wäre er noch im aktiven Dienst tätig (vgl. BTDrucks IV/2174, S. 24). Der Gesetzgeber hat danach mit der in § 53 Abs. 4 BeamtVG getroffenen Regelung das Ziel verfolgt, Beamte, die bei ihrem bisherigen Dienstherrn aufgrund der Art ihrer - in Ausübung ihres Dienstes eingetretenen - Erwerbsminderung ausscheiden mußten, aber anderweitig eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst gefunden haben, mit solchen Beamten gleichzustellen, die nach ihrem Dienstunfall weiterhin von ihrem bisherigen Arbeitgeber beschäftigt worden sind. Denn letzteren wurde neben ihren Dienstbezügen der gemäß § 3 Nr. 6 EStG steuerfreie Unfallausgleich (§ 35 BeamtVG) gezahlt.

Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel der Gleichstellung dieser Personen wird wirtschaftlich nur durch eine gleiche steuerliche Behandlung der Bezüge in Höhe des Unfallausgleichs erreicht. Eine gleiche steuerliche Behandlung, nämlich eine Steuerfreiheit der Zahlungen in Höhe des Unfallausgleichs, könnte bereits aufgrund des Wortlauts des § 3 Nr. 6 EStG die näherliegende Lösung sein. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind insoweit erfüllt, als es sich bei den Zahlungen gemäß §§ 38, 53 Abs. 4 BeamtVG um Bezüge aus öffentlichen Mitteln handelt, die versorgungshalber gezahlt werden. Die negative tatbestandliche Voraussetzung des § 3 Nr. 6 EStG "soweit es sich nicht um Bezüge handelt, die auf Grund der Dienstzeit gewährt werden" könnte bei unbefangener Wortlautinterpretation auch dann als erfüllt angesehen werden, wenn es sich - wie im Streitfall - dem Rechtscharakter nach um nach der Dienstzeit berechnete Bezüge handelt, die aber ausnahmsweise nur in der geringeren Höhe ausgezahlt werden, die sich ausschließlich aus dem Grade der Erwerbsminderung errechnet.

Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn selbst wenn nach dem Wortlaut der Vorschrift eine andere Auslegung denkbar wäre, ist dem FG darin beizupflichten, daß jedenfalls eine an Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes orientierte verfassungskonforme Auslegung zur Steuerbefreiung von Zahlungen der im Streitfall vorliegenden Art führt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, für vergleichbare Sachverhalte auch gleiche Rechtsfolgen eintreten zu lassen. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Zahlungen in derselben Höhe und zu demselben Zweck, wie sie im Streitfall bei den nur in Höhe des Unfallausgleichs ausgezahlten Unterhaltsbeiträgen gegeben seien, seien keine einleuchtenden Gründe ersichtlich. Solche Gründe sind auch von der Revision nicht aufgezeigt worden. Der Auffassung der Revision, daß zwecks Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes der Gesetzgeber tätig werden müsse, vermag sich der Senat im Hinblick auf die Möglichkeit der teleologischen, auf jeden Fall aber der Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung nicht anzuschließen.