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  BFH-Urteil vom 25.5.1992 (VI R 171/88) BStBl. 1993 II S. 44

Wird der private PKW eines Arbeitnehmers für eine Dienstreise verwendet und dabei gestohlen, so kann der Arbeitnehmer die Aufwendungen infolge des dadurch verursachten Schadens als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hielt sich vom 14. April bis 3. Mai des Streitjahres 1980 in H auf einer Dienstreise auf. Am 18. April stellte er seinen im Februar 1980 für 30.000 DM erworbenen PKW auf dem Parkplatz vor dem Hotel gegen 22.15 Uhr ab. In der Nacht wurde der PKW entwendet. Am 23. Mai 1980 erhielt der Kläger den PKW von der Polizei wieder zurück. Der Kläger hatte zwischenzeitlich ein anderes Fahrzeug angeschafft. Den im Februar angeschafften PKW veräußerte er am 15. August 1980 zum Preis von 22.000 DM.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger im Zusammenhang mit der Entwendung des PKW - nicht aufgeschlüsselte - Aufwendungen in Höhe von 13.000 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Anerkennung im wesentlichen mit der Begründung ab, daß der Diebstahl zwar während einer Dienstreise verübt worden sei, während des Parkens aber eine Benutzung des PKW zu dienstlichen Zwecken nicht vorgelegen habe.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, nachdem der Kläger sie der Höhe nach auf den zwischen den Beteiligten nicht mehr streitigen Betrag von 3.600 DM eingeschränkt hatte, statt und führte aus: Bei Gegenständen, die keine Arbeitsmittel seien, sei für die Anerkennung von Werbungskosten entscheidend, für welchen Zweck sie eingesetzt gewesen seien, als der Schaden eingetreten sei (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. April 1984 VI R 103/79, BFHE 141, 35, BStBl II 1984, 434; vom 11. Oktober 1984 VI R 48/81, BFHE 142, 137, BStBl II 1985, 10). Im Streitfall sei der PKW bei dem Einsatz auf einer Dienstreise entwendet worden. Die Dienstreise habe die notwendig werdenden Übernachtungen eingeschlossen und sei erst nach Rückkehr in die Privatwohnung beendet gewesen. Soweit sich das FA demgegenüber auf das zur Entwendung einer Geldbörse anläßlich einer beruflichen Vortragsreise ergangene BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83 (BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771) berufe, habe es außer acht gelassen, daß der Zusammenhang zwischen dem beruflichen Bereich und dem zur Durchführung einer Dienstreise verwendeten privaten PKW wesentlich enger sei als der Zusammenhang zwischen einer Dienstreise und dem hierbei mitgebrachten Geld.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Verletzung der § 9 Abs. 1 und § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und trägt vor: Die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der Entwendung seines PKW seien nicht beruflich veranlaßt, weil der Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Schadenseintritt allzu lose und entfernt sei. Eine berufliche Veranlassung eines Schadens sei nicht mehr gegeben, wenn er nicht durch den beruflichen Einsatz, sondern nur bei dessen Gelegenheit eingetreten sei, also neutrale Ereignisse zum Schadenseintritt geführt hätten. Als der Kläger, der sich auf einer dienstlich veranlaßten Reise befunden habe, den PKW auf dem Parkplatz seines Hotels abgestellt habe, sei der berufliche Einsatz des Fahrzeugs unterbrochen worden. Der Diebstahl habe mithin in einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem der PKW nicht mehr für berufliche Zwecke Verwendung gefunden habe. Selbst wenn jedoch das Abstellen des PKW für die Nacht als berufliche Verwendung zu würdigen wäre, sei der Schadenseintritt durch ein neutrales, von außen auf den PKW einwirkendes Ereignis herbeigeführt worden, so daß deshalb der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu lose und entfernt wäre. Die Folge sei, daß ein Werbungskostenabzug nicht möglich sei.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die im Klageverfahren geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abziehbar sind; seine Würdigung, diese Aufwendungen seien beruflich veranlaßt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der BFH hat § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, daß über den Wortlaut der Vorschrift hinaus Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle durch den Beruf veranlaßten Aufwendungen sind (vgl. Beschlüsse des Großen Senats vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, und vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Zwar setzt die berufliche Veranlassung im allgemeinen voraus, daß objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (vgl. BFH-Urteile vom 23. März 1984 VI R 182/81, BFHE 141, 18, BStBl II 1984, 557; vom 18. Mai 1984 VI R 130/80, BFHE 141, 140, BStBl II 1984, 588). Aber es ist anerkannt, daß auch unfreiwillige Ausgaben und Zwangsaufwendungen nach dem objektiven Nettoprinzip Werbungskosten darstellen können (BFH-Urteil in BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771). Nach dem objektiven Nettoprinzip ist die berufliche Veranlassung eines Schadens anzunehmen, wenn der Verlust eines Gegenstandes des privaten Vermögens, der kein Arbeitsmittel ist, bei dessen Verwendung für berufliche Zwecke eintritt (BFH-Urteile in BFHE 141, 35, BStBl II 1984, 434, und BFHE 142, 137, BStBl II 1985, 10) oder wenn ein Gegenstand des privaten Vermögens, der nicht beruflich genutzt wird, aus in der Berufssphäre des Arbeitnehmers liegenden Gründen entzogen wird (BFH-Urteil vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442).

Im Streitfall hat die Vorinstanz zu Recht die Auffassung vertreten, eine berufliche Veranlassung des Schadens sei deshalb anzunehmen, weil der Diebstahl des PKW während einer Dienstreise erfolgt ist. Dies rechtfertigt eine Zurechnung des Diebstahls zur Berufssphäre. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, schließt eine mehrtägige Dienstreise, wie sie der Kläger unternommen hat, die notwendig werdenden Übernachtungen ein und ist erst nach Rückkehr an die regelmäßige Arbeitsstätte oder in die Privatwohnung beendet. Daraus folgt aber, daß der berufliche Einsatz des PKW - von eventuellen, im Streitfall nicht festgestellten Unterbrechungen durch private Umwegfahrten etc. abgesehen - ebenfalls bis zur Beendigung der Dienstreise fortdauert. Schäden, die während der Dienstreise an dem PKW durch außergewöhnliche Ereignisse entstehen, sind in aller Regel beruflich veranlaßt. Dies ist für Verkehrsunfälle während einer beruflich veranlaßten Fahrt anerkannt (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; BFH-Urteil vom 9. November 1979 VI R 156/77, BFHE 129, 143, BStBl II 1980, 71). Dies muß aber unabhängig davon gelten, ob das den Schaden herbeiführende außergewöhnliche Ereignis während der Fahrt als Verkehrsunfall oder während des Parkens des PKW eintritt. Für die vom FA begehrte Unterscheidung danach, ob der Schaden während der Fahrt (berufliche Veranlassung) oder während des Parkens (nichtberufliche Veranlassung) eingetreten ist, sind keine einleuchtenden Gründe erkennbar. Vielmehr ist das Parken des für die Dienstreise verwendeten PKW während der Nacht ebenso der beruflichen Sphäre zuzurechnen wie die Kosten der Übernachtung bei einer mehrtägigen Dienstreise beruflich veranlaßt sind. Ist danach die Beschädigung des PKW in geparktem Zustand der beruflichen Sphäre zuzurechnen, so kann für den Diebstahl des geparkten Fahrzeugs und den dadurch verursachten Schaden nichts anderes gelten.

Dem FA ist zwar einzuräumen, daß der Senat in dem Urteil in BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771 den Verlust einer Geldbörse während einer aus beruflichen Gründen unternommenen Reise nicht als beruflich veranlaßt gewertet hat. Jener Sachverhalt unterscheidet sich vom Streitfall aber dadurch, daß der Verlust der Geldbörse - anders als im Streitfall der Verlust des PKW - nicht bei einer Verwendung für berufliche Zwecke eingetreten ist.