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  BFH-Urteil vom 17.11.1992 (VIII R 36/91) BStBl. 1993 II S. 233

1. Die individuelle Gestaltung eines Grundstücks für die Bedürfnisse des Betriebsunternehmens ist lediglich Indiz für sein besonderes Gewicht als Betriebsgrundlage.

2. Mitverpachtete Grundstücke gehören zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens auch dann, wenn sie nicht wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens werden.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Gesellschafter A und B der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) - einer GbR - sind je zur Hälfte Eigentümer der Grundstücke F und O. Beide Grundstücke sind teilweise an die R-GmbH vermietet, an der A und B mit 51 v. H. bzw. 30 v. H. des Stammkapitals beteiligt sind. Die Grundstücke waren anläßlich der Gründung der GmbH im Jahre 1977 und der Einbringung des bisherigen Einzelunternehmens des A in die GmbH zurückbehalten worden.

Gegenstand des Unternehmens der GmbH ist die - schon vor den Streitjahren 1981 bis 1983 überwiegend im Lohnauftrag an Fremdunternehmen vergebene - Herstellung, die Änderung und die Reparatur von Pelzen und modischer Oberbekleidung sowie - überwiegend - der Handel mit Pelzwaren. Zu diesem Zweck wurden die beiden Grundstücke - nach den bei einer Außenprüfung getroffenen Feststellungen - wie folgt genutzt:

Grundstück F

- Lager für Felle und Fertigwaren

- Fabrikationsräume für Änderungs- und Reparaturarbeiten

- Ausstellungs- und Verkaufsräume

- Büroräume

- Aufenthaltsräume für Personal

- vier Garagen sowie ein überdachter Hof von 200 qm

 

Grundstück O

- Lager für Felle und Fertigwaren

- Wohnraum für Angestellte der Betriebs-GmbH, wenn sie sich im Raum F aufhalten,

- drei Garagen

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an die Außenprüfung die Ansicht, es liege eine (echte) Betriebsaufspaltung vor. Dementsprechend behandelte es die Eigentümer hinsichtlich der an die GmbH vermieteten Grundstücksteile beider Grundstücke als Gesellschafter einer Besitzgesellschaft (GdbR) und setzte gegen diese für die Streitjahre 1981 bis 1983 einheitliche Gewerbesteuermeßbeträge fest.

Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn einer Kapitalgesellschaft (Betriebsgesellschaft) wesentliche Grundlagen ihres Betriebes überlassen werden (sachliche Verflechtung) und die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können (personelle Verflechtung, vgl. BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63).

Die Voraussetzungen der personellen Verflechtung sind im Streitfall gegeben. Die Kläger bilden ungeachtet ihrer unterschiedlichen Beteiligungshöhe bei der Betriebsgesellschaft eine durch gleichgerichtete Interessen geschlossene Personengruppe (vgl. dazu BFH-Urteil vom 2. August 1972 VI 87/65, BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796, ständige Rechtsprechung).

2. Ob die Voraussetzungen der sachlichen Verflechtung erfüllt sind, kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilt werden.

a) Eine sachliche Verflechtung liegt vor, wenn das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen zumindest eine für dieses wesentliche Betriebgrundlage überläßt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, m. w. N.). Grundstücke sind eine wesentliche Grundlage in diesem Sinne, wenn sie zur Erreichung des Betriebszwecks der Betriebsgesellschaft erforderlich sind und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen (BFH in BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, unter 5 a und b; Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334). Lediglich Wirtschaftsgüter und damit auch Grundstücke, die für das Betriebsunternehmen von geringer wirtschaftlicher Bedeutung sind, kommen nach der übereinstimmenden Rechtsprechung aller Senate des BFH nicht als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht (Urteil vom 12. November 1985 VIII R 342/82, BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299, m. w. N.).

b) Das Grundstück F erfüllt nach den Feststellungen der Außenprüfung diese Voraussetzungen.

aa) Daß es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich war, ergibt sich aus der Art seines Einsatzes für den Betrieb. Mit Ausnahme der Lohnauftragsfertigung und ggf. eines Großteils der Verkaufstätigkeit wurden alle betrieblichen Tätigkeiten einschließlich der Verwaltung und Geschäftsführung auf diesem Grundstück abgewickelt.

bb) Das Grundstück war für den Betrieb der GmbH auch von besonderem Gewicht.

aaa) Für die Beantwortung der Frage, ob ein Wirtschaftsgut im Rahmen der Betriebsaufspaltung für das Betriebsunternehmen besonderes Gewicht hat, hat die Rechtsprechung des BFH auf eine Reihe von Gesichtspunkten hingewiesen. In Betracht kommen u. a. die individuelle (BFH-Urteile in BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299; vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, 407, BStBl II 1986, 296; vom 25. Oktober 1988 VIII R 339/82, BFHE 154, 539) oder branchenübliche (Urteile vom 7. August 1990 VIII R 110/87, BFH/NV 1991, 93, BStBl II 1991, 336) Gestaltung, seine Anpassung an den Betriebsablauf, seine auf den Betrieb bezogene Gliederung und Bauart (BFH in BFHE 158, 245, BStBl II 1991, 1014), seine auf den Betrieb zugeschnittene Lage (BFH in BFH/NV 1991, 93, BStBl II 1991, 336) und Größe (BFH in BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299 unter 4 b; vgl. zu den einzelnen Merkmalen auch BFH in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334, sowie Urteile vom 23. Januar 1991 X R 47/87, BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405, und vom 1. Februar 1990 IV R 91/89, BFH/NV 1990, 562).

Maßgebend ist das Gesamtbild der tatsächlichen oder beabsichtigten Nutzung (vgl. z. B. BFH in BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299, m. w. N.). Dieses kann - wie z. B. bei Fabrikgrundstücken (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347) - eine widerlegbare tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines besonderen Gewichts des Wirtschaftsguts für das Betriebsunternehmen begründen.

bbb) Es ist Aufgabe des FG, die dieses Bild ergebenden Umstände des Einzelfalles festzustellen und zu würdigen (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 797). Daran fehlt es hier. Das FG hat lediglich festgestellt, daß eine besondere individuelle Gestaltung des Grundstücks für die Bedürfnisse des Betriebs weder vorliegt noch erforderlich ist. Diese ist aber, wie ausgeführt, nur einer von mehreren Umständen, die bei der Prüfung des besonderen wirtschaftlichen Gewichts des Grundstücks für den Betrieb der GmbH zu beachten sind. Darüber hinaus ergibt sich - sollten die Feststellungen der Außenprüfung zutreffen - die besondere Gestaltung des Grundstücks F für die Bedürfnisse des Betriebs schon aus der räumlichen Zusammenfassung von Lagerräumen, Fabrikationsräumen für Änderungs- und Reparaturarbeiten, Ausstellungs- und Verkaufsräumen und der damit zusammenhängenden Verwaltungstätigkeit auf einem Grundstück (vgl. BFH in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334).

cc) Es steht der Beurteilung des Nutzungsverhältnisses zwischen der GbR und der GmbH als Betriebsaufspaltung auch nicht entgegen, daß das Grundstück F die Voraussetzungen einer sachlichen Verflechtung nicht in vollem Umfang erfüllte. Es gilt insoweit der Grundsatz, daß die dem Betrieb dienenden Grundstücksteile auch dann nicht getrennt betrachtet oder beurteilt werden dürfen, wenn nur einige von ihnen besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Tätigkeit der Betriebsgesellschaft haben. Der BFH hat auf diesen Grundsatz bereits in seiner Entscheidung vom 21. September 1977 I R 39-40/74 (BFHE 123, 464, BStBl II 1978, 67) hingewiesen. Er gilt unverändert fort (BFH in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334).

c) Ist das Grundstück F eine wesentliche Betriebsgrundlage i. S. der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung, gehören auch die Einnahmen aus der Vermietung bzw. Verpachtung des Grundstücks O zu den Betriebseinnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin.

aa) Eine enge sachliche Verflechtung ist bereits dann anzunehmen, wenn das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen zumindest eine für dieses wesentliche Betriebsgrundlage überläßt (BFH in BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299; in BFHE 158, 245, BStBl II 1991, 1014, und in BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405). Ob und inwieweit Wirtschaftsgüter, die der Betriebsgesellschaft von der Besitzgesellschaft darüber hinaus zur Nutzung gegen Entgelt überlassen wurden, bei dieser ebenfalls zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen, hängt davon ab, ob diese Wirtschaftsgüter durch die Nutzung zu notwendigem oder gewillkürtem Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft werden (vgl. - für notwendiges Betriebsvermögen - BFH in BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405, unter 2, und - für gewillkürtes Betriebsvermögen - BFH-Urteil vom 23. Oktober 1986 IV R 214/84, BFHE 148, 65, BStBl II 1987, 120).

bb) Im Streitfall kommt nur notwendiges Betriebsvermögen in Betracht.

Was zur Erreichung des Betriebszwecks geeignet und bestimmt ist, entscheidet der Unternehmer im Rahmen seiner Geschäftsführung. Mietet er ein Grundstück an, so ist davon auszugehen, daß dies für seinen Betrieb zumindest förderlich ist. Dies wird im Streitfall durch die unstreitige Nutzung der Räume für Lagerzwecke und als Unterkunft für Betriebspersonal auf Dienstreisen bestätigt (vgl. - für Werkswohnungen - auch BFH in BFHE 123, 464, BStBl II 1978, 67).

Die betriebliche Nutzung des Grundstücks durch die Betriebsgesellschaft hat zur Folge, daß es auch zum Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft gehört. Die Betriebsgesellschaft wird für die das Besitzunternehmen beherrschende Personengruppe tätig (BFH in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Es würde unter Berücksichtigung dieser gemeinsamen Zielsetzung dem Sinn der Betriebsaufspaltung widersprechen, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der betrieblichen Tätigkeit für beide Unternehmen unterschiedlich zu bestimmen; in diesem Rahmen ist eine korrespondierende Beurteilung geboten (zu den Grenzen dieses Grundsatzes für die Bilanzierung von Betriebsvermögen vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, unter 2 c).

Damit ergänzt die Vermietung bzw. Verpachtung des Grundstücks O die Überlassung des Grundstücks F als wesentliche Betriebsgrundlage an die GmbH (zur Bedeutung ergänzender Maßnahmen für die Bestimmung des Umfangs des Betriebsvermögens vgl. auch BFH in BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405).

3. Nach diesen Grundsätzen sind die von der Betriebsgesellschaft an die Besitzgesellschaft gezahlten Miet- oder Pachtzinsen regelmäßig in vollem Umfang als Betriebseinnahmen bei der Besitzgesellschaft zu erfassen. Soweit die Klägerin die Höhe der Betriebseinnahmen nur aus diesem Grunde bestritten haben sollte, wäre dies für die Entscheidung im Streitfall unbeachtlich. Das FG wird aber noch zu prüfen haben, ob das FA die unstreitig auf beiden Grundstücken ausgeübten, funktionell mit dem Betrieb nicht zusammenhängenden Nutzungen von der betrieblichen Nutzung zutreffend abgegrenzt hat.