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  BFH-Urteil vom 5.2.1992 (II R 185/87) BStBl. 1993 II S. 266

Die anläßlich einer Kapitalerhöhung erfolgende Ausgabe neuer GmbH-Anteile zu einem bestimmten Betrag an einen in die GmbH aufzunehmenden Dritten kann als Verkauf im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zur Ableitung des gemeinen Werts der GmbH-Anteile herangezogen werden.

BewG §§ 9, 11 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1988, 105)

Sachverhalt

I.

Streitig ist der gemeine Wert der Anteile an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, zum 31. Dezember 1979. Die Klägerin hatte bis zum 9. November 1979 ein Stammkapital von 3 Mio DM. Davon hielt die S-GmbH (Beigeladene zu 1) einen Geschäftsanteil von 750.000 DM und der Gründungsgesellschafter G (Beigeladener zu 2) einen Geschäftsanteil von 280.000 DM. Die Klägerin selbst hielt einen Geschäftsanteil von 71.250 DM.

Nach § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags erhalten bei Auflösung der Gesellschaft die Gründungsgesellschafter, wenn sie noch Gesellschafter sind, von dem das Stammkapital übersteigenden Vermögen "vorweg die Hälfte im Verhältnis des Nennbetrags ihrer Geschäftsanteile zueinander, wie diese dann bestehen .... Der Rest des Vermögens wird unter alle Gesellschafter .... im Verhältnis des Nennbetrags der Geschäftsanteile .... zueinander verteilt."

Am 9. November 1979 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin, das Stammkapital um 1 Mio DM auf 4 Mio DM zu erhöhen. Zur Übernahme der neuen Stammeinlage wurde allein H zugelassen. Dieser übernahm den neuen Geschäftsanteil am selben Tag zum Ausgabebetrag von 3.330.000 DM.

Auf Grund der von der Klägerin eingereichten Erklärung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts ihrer Anteile auf den 31. Dezember 1979 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 24. August 1981 den gemeinen Wert der Anteile der Beigeladenen auf 162 DM je 100 DM des Stammkapitals und des Gesellschafters H auf 112 DM je 100 DM des Stammkapitals fest. Nach einer Betriebsprüfung im Oktober 1981 vertrat das FA die Auffassung, der gemeine Wert der Anteile sei gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) aus dem von H entrichteten Übernahmebetrag von 333 DM je 100 DM des Stammkapitals abzuleiten. Da H für den neuen Geschäftsanteil etwa das Dreifache des bisher im Stuttgarter Verfahren ermittelten Wertes von 112 DM je 100 DM des Stammkapitals entrichtet habe, sei auch für die beigeladenen Gesellschafter der nach dem Stuttgarter Verfahren errechnete Wert zu verdreifachen. Dementsprechend änderte das FA mit Bescheid vom 14. Februar 1984 die bisherige Feststellung nach § 164 Abs. 2 AO 1977 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und stellte den gemeinen Wert der Anteile zum 31. Dezember 1979 für die beigeladenen Gesellschafter sowie für die Gesellschaft selbst auf 480 DM und für H auf 333 DM je 100 DM des Stammkapitals fest.

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das FA hat die beigeladenen Gesellschafter unter gleichzeitiger Zustellung der Einspruchsentscheidung gemäß § 360 Abs. 3 AO 1977 zum Verfahren hinzugezogen. Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 105 teilveröffentlichten Urteil entschieden, daß die Ausgabe des neuen Geschäftsanteils durch die Klägerin wie ein privatrechtlicher Verkauf gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unmittelbar zur Ermittlung des gemeinen Werts der streitigen Anteile geeignet sei. Diese am gesetzlichen Ziel ausgerichtete Auslegung halte sich innerhalb des möglichen Wortsinns des Begriffs "Verkauf". Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß der neue Gesellschafter H bei der Neuausgabe eine Schachtelbeteiligung erworben habe, die ihm ein Stimmrecht von mehr als 25 v. H. vermittelt habe; hierfür erscheine ein Zuschlag von 10 v. H. ausreichend. Der Wert der Anteile, die keine Schachtelbeteiligung vermitteln, errechne sich somit aus 10/11 des Ausgabebetrags von 333 v. H., also mit rd. 301 v. H. Dieser Wert sei bezüglich der streitigen Anteile wegen des Vorzugsrechts der Gründungsgesellschafter für den Fall der Liquidation (§ 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags) zu erhöhen.

Den Erhöhungsbetrag schätzte das FG nach Maßgabe des Unterschieds von 114 v. H., der sich aus den von der Klägerin wegen der ungleichen Ausstattung gemäß Abschn. 84 Abs. 2 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1980 erklärten Vermögenswerten für die streitigen Anteile und für die nicht bevorrechtigten Anteile ergibt.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Sie rügt die Verletzung von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Änderungsbescheid vom 14. Februar 1984 über die Anteilsbewertung auf den 31. Dezember 1979 und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufzuheben, soweit der Wert der Anteile abweichend von dem ursprünglichen Bescheid vom 24. August 1981 festgestellt wurde.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründet

II.

Die Revision ist unbegründet. Die vom FG getroffene Feststellung des gemeinen Werts der Anteile der Klägerin und der Beigeladenen läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

1. Die Vorinstanz hat zu Recht entschieden, daß der Wert der streitigen Anteile aus dem bei der Ausgabe neuer Anteile vereinbarten Ausgabebetrag abzuleiten ist, weil es sich hierbei um einen Verkauf i. S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG handelt.

a) Anteile an Kapitalgesellschaften, für die - wie bei einer GmbH - ein Börsenkurs im amtlichen Handel nicht vorliegt, sind mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Läßt sich dieser nicht aus Verkäufen ableiten, die vom Bewertungsstichtag weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen. Hierzu hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung das in Abschn. 76 ff. VStR vorgesehene Stuttgarter Verfahren als geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, 94, BStBl II 1991, 558, 559, m. w. N.). Aus der Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ergibt sich, daß die Ermittlung des gemeinen Werts von Verkäufen den Vorrang vor der Schätzung im Stuttgarter Verfahren hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1986 II R 232/82, BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591, m. w. N.). Der Wortlaut dieser Vorschrift läßt dagegen nicht die Schlußfolgerung zu, daß der gemeine Wert nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften nur aus einer Mehrzahl von Verkäufen abgeleitet werden könne. Vielmehr kann auch ein einziger Verkauf genügen, wenn sich der erzielte Preis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr durch den Ausgleich widerstreitender Interessen von Verkäufer und Käufer gebildet hat und wenn es sich nicht nur um den Verkauf eines Zwerganteils handelt (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591).

b) Der erkennende Senat schließt sich der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung an, daß die im Streitfall anläßlich der Kapitalerhöhung erfolgte Übernahme der neuen Anteile durch den in die Gesellschaft eintretenden Gesellschafter H als ein Verkauf i. S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG anzusehen ist. Zwar hat sich der Gesetzgeber bei der Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG der Rechtsfigur des Kaufs (Rechtskaufs) i. S. der §§ 433 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bedient. Er hat damit dem Umstand Rechnung getragen, daß auch nicht börsengängige Anteile an Kapitalgesellschaften gehandelt werden und der vereinbarte Kaufpreis - vergleichbar dem im amtlichen Handel notierten Kurs i. S. des § 11 Abs. 1 BewG - einen Rückschluß auf den gemeinen Wert des Anteils zuläßt. Für diese Schlußfolgerung ist jedoch nicht die Form des Anteilserwerbs durch einen Rechtskauf nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB maßgebend, mag dieser auch in den meisten Fällen der entgeltlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen zugrunde liegen. Entscheidend ist vielmehr, daß das vom neuen Gesellschafter für den Geschäftsanteil entrichtete Entgelt nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten gebildet wurde und jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not oder besondere Rücksichten, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen handeln konnte (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1969 III 88/65, BFHE 95, 334, BStBl II 1969, 395, und vom 28. November 1980 III R 86/78, BFHE 132, 482, BStBl II 1981, 353). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats auch ein nicht in die Form des Rechtskaufs gekleideter Erwerbsvorgang wie die Ausgabe neuer Anteile zu einem bestimmten Betrag an einen neu in die Gesellschaft aufzunehmenden Dritten anläßlich einer Kapitalerhöhung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zur Ableitung des gemeinen Werts der Anteile herangezogen werden.

Zwar handelt es sich bei der Ausgabe des neuen Geschäftsanteils auf Grund des Gesellschafterbeschlusses über die Kapitalerhöhung und der Übernahmeerklärung des neuen Gesellschafters H um einen gesellschaftsrechtlichen Vorgang nach §§ 53, 55 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), bei dem der zwischen der Klägerin und H geschlossene korporationsrechtliche Vertrag - vergleichbar einem Kaufvertrag - beiderseits entsprechender Willenserklärungen (Angebot und Annahme) bedarf (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 55 Rdnr. 18). Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist jedoch in der Kapitalerhöhung im Streitfall kein reiner Finanzierungsvorgang innerhalb der bisherigen Gesellschaft zu sehen. Die Kapitalerhöhung stellt sich vielmehr wirtschaftlich zugleich als Veräußerungsvorgang zwischen den bisherigen Gesellschaftern und dem neuen Gesellschafter H dar, der sich nur unter der Voraussetzung an der Gesellschaft beteiligen bzw. in die Gesellschaft "einkaufen" konnte, daß er den vollen Wert der Beteiligung in die Gesellschaft einzahlt.

Diese am Gesetzeszweck ausgerichtete Auslegung hält sich innerhalb des Wortsinns des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG.

Der Einwand der Revision, der durch eine Kapitalerhöhung neu hinzutretende Gesellschafter könne nicht mit derselben Rendite für sein eingesetztes Kapital rechnen, wie er dies beim Erwerb bereits bestehender Geschäftsanteile tun könnte, ist unbegründet; denn soweit sich tatsächlich auf Grund der Kapitalerhöhung die Renditeerwartung der Gesellschaft verringern sollte, wurde dies - wie das FG zutreffend erkannt hat - bereits bei der Wertfindung des Ausgabekurses anläßlich der Kapitalerhöhung berücksichtigt.

Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, die den Ausgabebetrag beeinflußt haben könnten, und die eine Heranziehung des Ausgabekurses nach § 9 Abs. 2 BewG ausschlössen, sind weder zu erkennen, noch wurden sie von der Revision geltend gemacht.

2. Auch der Höhe nach läßt die - von der Revision insoweit nicht angegriffene - Bewertung der streitigen Anteile durch die Vorinstanz keinen Rechtsfehler erkennen.