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  BFH-Urteil vom 16.12.1992 (II R 57/89) BStBl. 1993 II S. 270

Die Rentenansprüche eines sog. "angestellten Komplementärs", der im Innenverhältnis wie ein Angestellter gegenüber den die Gesellschaft beherrschenden Kommanditisten gebunden ist, gehören nicht zum sonstigen Vermögen.

BewG § 110 Abs. 1 Nr. 4, § 111 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Der am 21. Januar 1910 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Diplom-Ingenieur und war seit Oktober 1934 bei dem Bauunternehmen A KG (KG) angestellt. Nach 15jähriger Betriebszugehörigkeit erhielt der Kläger von der KG eine Pensionszusage, die nach verschiedenen Änderungen im Dezember 1963 auf monatlich 1.100 DM und durch Vereinbarung vom 30. Dezember 1966 auf monatlich 2.000 DM erhöht wurde. Ab 1. Januar 1967 wurde der als leitender Angestellter tätige Kläger zu einem (von vier) persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär) der KG bestellt. Kommanditisten waren die Aktiengesellschaft B mit einer Kapitaleinlage von 12.552.430 DM sowie die C AG mit einer Kapitaleinlage von 7.447.570 DM.

Nach § 7 des Gesellschaftsvertrags stand die Führung der Geschäfte den Komplementären zu, die sich verpflichteten, "ihre ganze Arbeitskraft und ihre gesamte geschäftliche Tätigkeit ausschließlich der Gesellschaft zu widmen ....". In § 10 des Gesellschaftsvertrags war vereinbart, daß der Kläger Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen nach § 110 des Handelsgesetzbuches (HGB), eine feste Vergütung von jährlich 90.000 DM sowie eine nach der Höhe des Jahresgewinns gestaffelte prozentuale Beteiligung (Tantieme) am Jahresgewinn, mindestens jedoch 40.000 DM jährlich erhalten sollte; soweit die Vergütung der Komplementäre nicht durch den Gesellschaftsvertrag festgelegt ist, sollte sie durch Vereinbarung mit den Kommanditisten geregelt werden. Den Komplementären war es nach § 11 des Gesellschaftsvertrags sowohl während ihrer Zugehörigkeit zu der Gesellschaft wie auch für die Dauer von fünf Jahren nach ihrem Ausscheiden verboten, ein Konkurrenzgeschäft zu betreiben oder für ein solches tätig zu sein. In § 16 des Gesellschaftsvertrags war vorgesehen, daß die Kommanditistenversammlung einen Verwaltungsrat bestellt, der aus mindestens sechs, höchstens neun Personen besteht. Dem Verwaltungsrat oblag die Genehmigung der von den persönlich haftenden Gesellschaftern vorzulegenden Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte (§ 18 des Gesellschaftsvertrags). Auf Verlangen des Verwaltungsrats hatten die Komplementäre in jeder Verwaltungsratssitzung über den Gang der Geschäfte zu berichten (§ 23 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags).

Mit Vereinbarung vom 29. November/1. Dezember 1967 wurde die Pensionszusage zugunsten des Klägers auf monatlich 3.000 DM erhöht.

Am 12. Juni 1972 schloß die B mit dem Kläger sowie den drei anderen Komplementären einen Treuhandvertrag ab, durch den die B allen Komplementären einen Kapitalanteil von je 1.000 DM treuhänderisch übertrug. Dies geschah, um den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) zu genügen, wonach bei Umwandlung einer KG in eine AG sämtliche Gesellschafter an der AG beteiligt sein müssen; dementsprechend müsse eine Beteiligung auch schon an der KG bestehen.

Im übrigen war der Kläger am Kapital der KG von insgesamt 20 Mio DM nicht beteiligt. Im Innenverhältnis war der Kläger von der Haftung als Komplementär freigestellt.

Die KG wurde mit Gesellschafterbeschluß vom 12. Juni 1972 rückwirkend zum 1. Januar 1972 in eine AG umgewandelt. Gleichzeitig wurde der Kläger zum ordentlichen Mitglied des Vorstandes bestellt. Der zwischen der AG und dem Kläger am 7./27. November 1973 abgeschlossene Dienstvertrag bestimmte in § 9, daß der mit der KG am 29. November/1. Dezember 1967 abgeschlossene Pensionsvertrag Bestandteil des Dienstvertrags sei. Am 31. März 1975 ist der Kläger in den Ruhestand getreten.

Nach einer bei der AG durchgeführten Betriebsprüfung, bei der auch Feststellungen bezüglich der Pensionsbezüge des Klägers getroffen wurden, vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß der Kläger von Oktober 1934 bis Dezember 1966 als Arbeitnehmer, danach bis zu seinem Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter (Mitunternehmer) tätig gewesen sei. Die gezahlte Pension sei daher als zusätzliche Vergütung für die Gesamtdienstzeit in nachträgliche Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb in der Weise aufzuteilen, daß die bis zum Zeitpunkt des Wechsels vom Arbeitnehmer zum Mitunternehmer zeitanteilig erdienten Pensionsanwartschaften den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet würden. Soweit dies nicht der Fall sei, müßten sie bei der Ermittlung des sonstigen Vermögens berücksichtigt werden.

Das FA führte dementsprechend auf den 1. Januar 1979 eine Neuveranlagung durch und änderte gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Vermögensteuerbescheide auf die Hauptveranlagungszeitpunkte 1. Januar 1980 und 1. Januar 1983. Bezüglich der Stichtage 1. Januar 1981, 1. Januar 1982 und 1. Januar 1984 sah das FA mangels Überschreitens der Wertgrenzen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) von einer Neuveranlagung ab. Dabei legte das FA folgende anteilige Kapitalwerte der Gesamtpension als sonstiges Vermögen zugrunde:

1.1.1979 499.948 DM

1.1.1980 505.581 DM

1.1.1981 520.483 DM

1.1.1982 525.314 DM

1.1.1983 534.834 DM

1.1.1984 508.581 DM

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte der Kläger, den Vermögensteuerbescheid (Neuveranlagung) auf den 1. Januar 1979 vom 23. September 1986 sowie die Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1980 und auf den 1. Januar 1983 (Änderungsbescheide vom 23. September 1986) jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 1987 aufzuheben. Er machte geltend, daß entgegen der Auffassung des FA auch die während der "Mitunternehmer-Dienstzeit" (1. Januar 1967 bis Juni 1972) erdienten Rentenansprüche nicht zum sonstigen Vermögen gehörten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Denn der gegenüber der AG bestehende Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Altersrente gehöre gemäß § 111 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in vollem Umfang - also auch hinsichtlich der umstrittenen "Mitunternehmer-Dienstzeit" - nicht zum sonstigen Vermögen des Klägers.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 111 Nr. 1 und § 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG) und beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz die Klage als unbegründet abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zutreffend hat das FG entschieden, daß der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Altersrente gemäß § 111 Nr. 1 BewG auch insoweit nicht als sonstiges Vermögen (§ 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG) zu erfassen ist, als dieser Anspruch auf der Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 1967 bis Juni 1972 als sog. "angestellter Komplementär" beruht.

1. Nach § 111 Nr. 1 BewG gehören Ansprüche auf Renten und ähnliche Bezüge, die auf ein früheres Arbeits- oder Dienstverhältnis zurückzuführen sind, nicht zum sonstigen Vermögen.

a) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in ständiger Rechtsprechung zu der im Wortlaut mit § 111 Nr. 1 BewG übereinstimmenden Vorschrift des § 68 Nr. 1 BewG 1934 entschieden, daß der Begriff des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nach der steuerlichen Zweckbestimmung auszulegen sei. Das führe dazu, daß unter einem Arbeits- oder Dienstverhältnis im Sinne dieser Vorschrift nur eine unselbständige Tätigkeit zu verstehen sei. Dabei sei die Entscheidung darüber, ob eine arbeitnehmerähnliche Stellung vorliegt, nach dem Gesamtbild des Vertragsverhältnisses zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1970 III R 103/68, BFHE 101, 120, BStBl II 1971, 194, und vom 20. Juni 1969 III R 64/66, BFHE 96, 120, BStBl II 1969, 544, mit weiteren Nachweisen). Der Senat schließt sich dieser vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gebilligten Rechtsprechung an (BVerfG-Beschluß vom 16. Dezember 1969 1 BvR 523/69, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1970, 129).

Für den Streitfall ist danach entscheidend, ob der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1967 bis zum Zeitpunkt der Umwandlung der KG in eine AG (Juni 1972) nach dem Gesamtbild der vertraglichen Vereinbarungen und seiner tatsächlichen Stellung bei der KG eine unselbständige Tätigkeit für die KG als Arbeitgeberin ausgeübt oder ob er in diesem Zeitraum eine selbständige Stellung als Mitunternehmer bekleidet hat.

b) Nach den Feststellungen der Vorinstanz entsprach die Stellung des Klägers in der KG der eines sog. "angestellten Komplementärs", der "lediglich im Außenverhältnis als Gesellschafter auftritt, im Innenverhältnis aber wie ein Angestellter gegenüber den die Gesellschaft beherrschenden Kommanditisten gebunden ist" (BFH-Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 252/80, BFHE 144, 357, BStBl II 1987, 33). Dies ergibt sich nach Auffassung des FG daraus, daß der Kläger vor und nach der Zeit, in der er Komplementär war, zunächst bei der KG, später bei der AG als leitender Angestellter tätig war, daß er am Gesellschaftskapital nicht oder - anläßlich der Umwandlung der KG in eine AG - nur kurzfristig, geringfügig und lediglich treuhänderisch beteiligt sowie im Innenverhältnis von der Haftung als Komplementär freigestellt war. Mit diesen Einschränkungen habe "die Stellung des Klägers nicht dem Regelstatut eines Komplementärs, sondern dem eines angestellten Geschäftsführers" entsprochen.

c) Diese Schlußfolgerung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze (BFH-Urteil vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, 482, BStBl II 1982, 442, 443). Die Vorinstanz ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger nach dem Gesamtbild des Vertragsverhältnisses und seiner tatsächlichen Durchführung in der Zeit vom 1. Januar 1967 bis Juni 1972 eine arbeitnehmerähnliche unselbständige Stellung bekleidet hat und insoweit "dem angestellten Geschäftsleiter eines Unternehmens in jeder Hinsicht vergleichbar" war (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 1. Juni 1981 II ZR 140/80, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1981, 814).

d) Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger nach Auffassung der Vorinstanz in der Zeit vom 1. Januar 1967 bis Juni 1972 einkommensteuerrechtlich als Mitunternehmer anzusehen war. Denn der persönlich haftende Gesellschafter kann selbst dann eine Mitunternehmerstellung bekleiden, wenn er keine Kapitaleinlage erbracht hat, im Innenverhältnis wie ein Angestellter behandelt und von der Haftung freigestellt wird (vgl. BFH in BFHE 144, 357, BStBl II 1987, 33). Diese Grundsätze gelten zwar auch für das Bewertungsrecht mit der Folge, daß der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1967 bis zur Umwandlung der KG in eine AG nicht nur einkommensteuerrechtlich, sondern auch bewertungsrechtlich als Mitunternehmer anzusehen ist. Denn die Frage der Mitunternehmerstellung beurteilt sich in beiden Rechtsgebieten nach denselben Merkmalen (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 97 BewG Anm. 43 ff.). Bei einer Personengesellschaft i. S. des § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG ist bewertungsrechtlich die gesamte Tätigkeit der Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft als selbständige Unternehmertätigkeit anzusehen (s. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1984 III R 82/79, BFHE 143, 97, BStBl II 1985, 239). Der persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft kann daher regelmäßig nicht als Angestellter angesehen werden. Etwas anderes gilt jedoch für die Beurteilung der in der Zeit seiner Stellung als persönlich haftender Gesellschafter erworbenen Ansprüche des Klägers auf Gewährung einer Altersrente. Es entspricht verfassungskonformer Auslegung der Befreiungsregelung des § 111 Nr. 1 BewG, die Rentenansprüche des Klägers als eines sog. "angestellten Komplementärs" ungeachtet seiner formalen Stellung als persönlich haftender Gesellschafter und Mitunternehmer nicht beim sonstigen Vermögen (§ 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG) zu erfassen (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 1989 II R 31/89, BFHE 159, 223, 226, BStBl II 1990, 325, 327, zur erbschaftsteuerrechtlichen Beurteilung von Rentenbezügen der Witwe eines sog. "angestellten Komplementärs"). Unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 9. November 1988 1 BvR 243/86 (BStBl II 1989, 938, 943) zur erbschaftsteuerlichen Behandlung von Hinterbliebenenversorgungen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage hält es der Senat auch bezüglich der vermögensteuerrechtlichen Behandlung der Versorgungsrenten für geboten, nicht rein schematisch auf die Gesellschaftsform und die sich daraus für das Außenverhältnis ergebende Gesellschafterstellung, sondern darauf abzustellen, welche rechtliche Stellung der Kläger als sog. "angestellter Komplementär" im Innenverhältnis hatte und welcher Art die Dienste waren, die den Versorgungsanspruch begründet haben. Auf die einkommensteuerrechtliche Umqualifizierung der Vergütungen, die der Kläger für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen hat, in Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes) kommt es insoweit nicht an. Entscheidend ist, daß der Kläger gegenüber den die Gesellschaft beherrschenden Kommanditisten wie ein Angestellter gebunden war und damit seine Stellung im Innenverhältnis der eines Angestellten entsprach.