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  BFH-Urteil vom 8.8.1991 (IV R 56/90) BStBl. 1993 II S. 272

1. In der Anfangsbilanz (Übergangsbilanz) eines zur Buchführung übergehenden Schätzungslandwirts sind die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, mit denen sie zu Buche stünden, wenn der Gewinn von Anfang an durch Bestandsvergleich ermittelt worden wäre.

2. Der Mastviehbestand kann - als Umlaufvermögen - in der Übergangsbilanz (1.) mit Durchschnittswerten oder mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden. Das gilt auch für "besonders wertvolle" Tiere.

3. Das Bewertungswahlrecht (2.) kann im Wege der Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeübt werden, wenn die Übergangsbilanz noch nicht einer bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagung zugrunde liegt, andernfalls erst in der nächsten, von der Bestandskraft noch nicht erfaßten Schlußbilanz.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 und 2.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben. Sie bewirtschaften gemeinsam einen zum Gesamtgut gehörenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (rd. 59 ha). Seit dem 1. Juli 1976 sind sie buchführungspflichtig. Dieser Pflicht kommen sie erst seit dem 1. Juli 1979 nach; zuvor hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Gewinn unter Verwendung der Richtsätze der Oberfinanzdirektion (OFD) für Schätzungslandwirte ermittelt. Im Anschluß an eine im Jahr 1982 durchgeführte Betriebsprüfung ermittelte der Prüfer die Gewinne für die Wirtschaftsjahre 1977/78 und 1978/79 durch Betriebsvermögensvergleich. Dabei setzte er den Viehbestand mit Durchschnittswerten an, und zwar zum 1. Juli 1977 mit 35.900 DM, zum 30. Juni 1978 38.475 DM, zum 30. Juni 1979 32.635 DM und zum 30. Juni 1980 mit 55.537 DM. Verkaufsreife Masttiere wurden mit dem Marktpreis abzüglich 15 % angesetzt. Dagegen hatten die Kläger in den bereits vorher eingereichten Bilanzen zum 1. Juli 1979 und zum 30. Juni 1980 den Rindviehbestand mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt. Die Ansätze für den Viehbestand in den Prüferbilanzen lagen zum 30. Juni 1979 um 148.778 DM und zum 30. Juni 1980 um 136.360 DM niedriger. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1979/80 erhöhte sich hierdurch um 12.418 DM. Das FA folgte dieser Behandlung und setzte die Einkommensteuer 1979 dementsprechend, auch wegen anderer hier nicht mehr strittiger Punkte, auf 2.348 DM fest. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.

Mit der Klage wandten sich die Kläger gegen die vom FA vorgenommene Durchschnittsbewertung. Für diese bestehe keine gesetzliche Grundlage. Da es sich bei dem zum 1. Juli 1979 vorhandenen Viehvermögen um Mastbullen gehandelt habe, könnten die Durchschnittswerte für Umlaufvermögen nicht angewendet werden. Im übrigen seien die Durchschnittswerte von 1948 bis 1966 nicht verändert, und nach der Anpassung zum 1. Juli 1966 sei bis heute keine Wertermittlung vorgenommen worden. Sie entsprächen nicht entfernt den tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten.

Dem hielt das FA entgegen, der Ansatz der Viehdurchschnittswerte in der Anfangsbilanz sei aus Vereinfachungsgründen sowohl für Tiere des Anlage- als auch des Umlaufvermögens vorzunehmen. Etwas anderes gelte nur für besonders wertvolle Tiere und für verkaufsreifes Mastvieh. Beim Übergang eines sog. Schätzungslandwirts zur Buchführung müsse in der Anfangsbilanz der Viehbestand zwingend mit Durchschnittswerten angesetzt werden, weil auch für die Zeit bis zum Übergang zur Buchführung die Fiktion der allgemeinen Anwendung der Viehdurchschnittswerte bestehe.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, daß das FA zu Unrecht den Viehbestand der Kläger mit Durchschnittswerten angesetzt habe. Die zum Umlaufvermögen gehörenden Tiere seien mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder mit dem Teilwert zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2 und 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Die Durchschnittswerte seien für Viehbestände bestimmt, die zum Anlagevermögen gehörten (vgl. Abschn. 125 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1987). Sie gälten jedenfalls nicht für besonders wertvolle Tiere (Hinweis auf Abschn. 125 Abs. 1 Satz 4 EStR). Zu den besonders wertvollen Tieren rechneten nicht nur Zuchttiere, sondern auch solche Tiere, deren Anschaffungskosten erheblich über den Durchschnittswerten lägen. Die Kläger hätten unwidersprochen vorgetragen, daß es sich bei den in ihrem Betrieb gehaltenen Tieren um zugekaufte Bullenkälber handele, für die ein Preis von 800 DM bis 1.000 DM je Stück zu entrichten gewesen sei. Nach den Durchschnittswerten wäre das zugekaufte Stück (Kälber bis 1/2 Jahr) jedoch nur mit 150 DM zu bewerten. Die Kläger hätten kein Bewertungswahlrecht gehabt. Danach ergebe sich im Streitjahr 1979 als anteilig zu erfassende Bestandserhöhung statt, wie vom FA angesetzt 22.902 DM, eine solche von nur 10.484 DM.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht nehme das FG an, die Mastkälber der Kläger seien besonders wertvoll. Tatsächlich lägen die Preise der Bullenkälber im üblichen Rahmen. Der Landwirt könne in der Übergangsbilanz den gesamten Viehbestand einheitlich entweder mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder mit den Durchschnittswerten bewerten. Die Inanspruchnahme dieser Bewertungswahlrechte müsse jedoch jenem Landwirt versagt sein, der bereits bisher zur Führung von Büchern verpflichtet war, diese gesetzliche Verpflichtung jedoch nicht erfüllt habe. Mit der Schätzung nach Richtsätzen müßten die von vergleichbaren buchführenden Betrieben üblicherweise in Anspruch genommenen Bewertungswahlrechte als ausgeübt gelten und daher in der Übergangsbilanz beim Viehvermögen nur die Durchschnittswerte, nicht aber die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zum Ansatz kommen.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision. Sie führen aus, daß die im Streitfall zu bewertenden Masttiere Umlaufvermögen gewesen seien. Daher habe ein Bewertungswahlrecht hinsichtlich des Ansatzes von Durchschnittswerten nicht bestanden. Die Tiere könnten nur mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden. Es sei unbestritten, daß der Einkaufswert etwa das Sechsfache des Durchschnittswertes betragen habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Geht ein Schätzungslandwirt von der Schätzung nach Richtsätzen (§ 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -) zur Buchführung über, so ist eine Anfangsbilanz (Übergangsbilanz) aufzustellen, die das vorhandene Betriebsvermögen ausweist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Dezember 1985 IV R 112/85, BFHE 145, 537, BStBl II 1986, 390 - nur Leitsatz -, Gründe in BFH/NV 1986, 402). Für Fälle des Übergangs von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß in der Übergangsbilanz die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen sind, mit denen sie zu Buche stünden, wenn der Gewinn von Anfang an durch Bestandsvergleich ermittelt worden wäre (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1987 IV R 49/86, BFHE 151, 386, BStBl II 1988, 327; vom 17. März 1988 IV R 82/87, BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770; vom 14. April 1988 IV R 96/86, BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672). Dieser Grundsatz muß auch dann gelten, wenn ein Schätzungslandwirt zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich übergeht (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., 1991, Rdnr. 1328).

a) Das FA war entgegen der Absicht der Kläger, erst mit einer Übergangsbilanz zum 1. Juli 1979 zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich überzugehen, berechtigt, diesen Übergang bereits mit dem 1. Juli 1977 anzunehmen. Denn die Kläger waren schon seit dem 1. Juli 1976 buchführungspflichtig gewesen.

b) In der aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung aufgestellten Übergangsbilanz zum 1. Juli 1977 hat das FA ohne Rechtsfehler den Mastviehbestand mit Durchschnittswerten gemäß Abschn. 125 EStR bewertet und lediglich die verkaufs- oder schlachtreifen Tiere hiervon ausgenommen. Denn die Tiere gehörten zum Umlaufvermögen, für welches Durchschnittswerte zugelassen waren (vgl. jetzt Abschn. 125 Abs. 4 EStR 1990, und OFD Stuttgart, Vfg. vom 18. Februar 1982, Steuererlasse in Karteiform, § 4, Buchf., Nr. 1 unter 7). Entgegen der Ansicht des FG war die Bewertung zu Durchschnittswerten nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um "besonders wertvolle Tiere" gehandelt habe. Denn die Bestimmung, daß besonders wertvolle Tiere stets nach den Grundsätzen der Einzelbewertung mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder mit dem Teilwert zu bewerten sind, bezieht sich nur auf Tierbestände, die zum Anlagevermögen gehören (Abschn. 125 Abs. 1 EStR).

c) Der Senat kann die der Vereinfachung der Gewinnermittlung dienende Regelung der EStR über den Ansatz von Durchschnittswerten seiner Entscheidung zugrunde legen (§ 148 AO 1977). Er geht dabei davon aus, daß ebenso wie die Kläger das FA berechtigt war, in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1977 und in den Folgebilanzen die Viehdurchschnittswerte anzuwenden.

2. Die Kläger waren indes nicht gezwungen, in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1977 Durchschnittswerte anzusetzen. Sie hatten ein Wahlrecht, den gesamten Tierbestand nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder mit dem Teilwert zu bewerten.

a) Der erkennende Senat hat in den Urteilen in BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770, und in BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672 ein solches Wahlrecht dem Steuerpflichtigen in den Fällen des Übergangs von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich zugesprochen (vgl. Abschn. 125 Abs. 3 EStR 1990). Es ist kein Grund ersichtlich, ein solches Wahlrecht in Fällen des Übergangs eines Schätzungslandwirts zur Buchführung zu versagen (vgl. auch Leingärtner/Zaisch, a. a. O., Rdnrn. 1307, 1328). Denn die typisierende Vollschätzung nach Richtsätzen ist in wichtigen Beziehungen mit der Durchschnittssatzgewinnermittlung vergleichbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 537, BStBl II 1986, 390).

b) Das Bewertungswahlrecht kann allerdings nicht mehr ausgeübt werden, soweit die Einkommensteuerveranlagungen der Vorjahre bestandskräftig sind. Denn insoweit sind die Kläger nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhanges (§ 4 Abs. 1 EStG) an die Wertansätze in den Bilanzen gebunden, welche diesen Veranlagungen zugrunde gelegt wurden. Das Wahlrecht kann daher erst in der nächsten, von der Bestandskraft noch nicht erfaßten Schlußbilanz ausgeübt werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 6. Dezember 1990 IV R 129/89, BFHE 163, 130, BStBl II 1991, 356). Bis zur Bestandskraft der vorausgegangenen Veranlagungen kann das Wahlrecht im Wege der Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG noch ausgeübt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. April 1990 I R 136/85, BFHE 160, 529, BStBl II 1990, 905, m. w. N.). Bei der Beurteilung der Zustimmungsbedürftigkeit einer Bilanzänderung wäre im Streitfall zu beachten, daß das FA in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1977 und in den Folgebilanzen den Klägern die Bewertung des Viehbestandes mit Durchschnittswerten aufgenötigt hatte.

c) Im Streitfall hängt deshalb der Ansatz des Viehbestandes zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder zum Teilwert in der Anfangsbilanz zum 1. Juli 1979 (Streitjahr) davon ab, ob die Ansätze in den vorausgegangenen Bilanzen, insbesondere in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1979 noch geändert werden können. Im letzten Falle sind die geänderten Werte nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhanges als Anfangswerte für das Wirtschaftsjahr 1979/1980 maßgebend. Ist eine solche Änderung nicht mehr möglich, können die Kläger erst in der nächsten Schlußbilanz zum 30. Juni 1980 zur Bewertung des Viehbestandes nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG übergehen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird an das FG zurückverwiesen, welches zu prüfen haben wird, ob unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen und ggf. einer entsprechenden Ausübung des Bewertungswahlrechts durch die Kläger schon in den vorausgehenden Bilanzen oder erst in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1980 eine Bewertung des Mastviehbestandes im Sinne der Anträge der Kläger vorzunehmen ist.