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  BFH-Urteil vom 27.1.1993 (II R 55/89) BStBl. 1993 II S. 322

Ist als Folge der Umwandlung bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der übernehmenden Gesellschaft an Stelle des Werts der wegfallenden Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft das höhere Vermögen dieser Gesellschaft zu erfassen, kommt ein Abzug des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert des übernommenen Vermögens und dem Wert der bisher gehaltenen Beteiligung nach § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 nicht in Betracht.

UmwStG 1977 § 2 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist aufgrund Verschmelzungsvertrags vom 23. Juli 1985 die Rechtsnachfolgerin der T GmbH, die ihrerseits durch Verschmelzungsvertrag vom 4. August 1982 nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (KapErhG) vom 23. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 789) i. d. F. des Art. 7 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli 1980 (BGBl I 1980, 836) die S GmbH aufgenommen hat (Verschmelzung durch Aufnahme). Die Vermögensübertragung auf die T GmbH erfolgte mit Wirkung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1981.

In ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1982 vertrat die T GmbH die Auffassung, daß der Unterschiedsbetrag von 1.556.900 DM zwischen dem Wert von 4.100 DM der in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1981 letztmals aktivierten Beteiligung an der S GmbH und dem Wert des übernommenen Betriebsvermögens der S GmbH in Höhe von 1.561.000 DM gemäß § 2 Abs. 4 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) vom 6. September 1976 (BGBl I 1976, 2641) bei der Feststellung des - durch die Übernahme des Vermögens der S GmbH höheren - Einheitswerts des Betriebsvermögens abgezogen werden müsse.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte dementsprechend unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) den Einheitswert des Betriebsvermögens der T GmbH auf ./. 7.000 DM fest, indem es von dem vorläufig erklärten Betriebsvermögen der T GmbH in Höhe von 1.550.000 DM den erklärten Unterschiedsbetrag von 1.556.900 DM abzog. Am 17. Oktober 1984 erließ das FA aufgrund von Mitteilungen der Betriebsfinanzämter über den gemeinen Wert der von der T GmbH an anderen Gesellschaften gehaltenen Beteiligungen einen Änderungsbescheid, in dem es den Einheitswert des Betriebsvermögens der T GmbH auf (abgerundet) 17.430.000 DM feststellte. Hierbei zog das FA den geltend gemachten Unterschiedsbetrag von 1.556.000 DM jedoch nicht mehr ab. In den Erläuterungen zum Bescheid wies es darauf hin, daß § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 nicht anzuwenden sei, weil keine doppelte Erfassung von Vermögen vorliege.

Die nach erfolglosem Einspruch von der T GmbH erhobene und - nach der Verschmelzung - von der jetzigen Klägerin fortgeführte Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte den Einheitswert des Betriebsvermögens der T GmbH auf den 1. Januar 1982 unter Abzug des Unterschiedsbetrags von 1.556.900 DM nach § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 auf (abgerundet) 15.873.000 DM herab.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1982 der von der Klägerin begehrte Abzug des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert des von der S GmbH übernommenen Vermögens und dem Wert der bisherigen Beteiligung der Klägerin an der S GmbH nicht gewährt werden.

a) Geht durch Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach § 19 KapErhG im Wege der Übertragung das Vermögen der übertragenden GmbH auf die übernehmende GmbH über (Verschmelzung durch Aufnahme), so bestimmen sich die Auswirkungen der steuerlichen Rückwirkung der Gesamtrechtsnachfolge auf die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der übernehmenden GmbH nach § 2 UmwStG 1977. Danach ist das Vermögen der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob das Vermögen der übertragenden GmbH mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrundeliegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), auf die Übernehmerin übergegangen und die übertragende Körperschaft gleichzeitig aufgelöst wäre (§ 2 Abs. 1 UmwStG 1977). Im Streitfall hat die S GmbH durch den Verschmelzungsvertrag vom 4. August 1982 ihr Vermögen zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1981 auf die Klägerin übertragen. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist damit der 31. Dezember 1981; denn die maßgebende Bilanz auf den 31. Dezember 1981 ist - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - nicht auf einen mehr als acht Monate vor der Anmeldung zum Handelsregister liegenden Stichtag aufgestellt worden (vgl. § 24 Abs. 3 KapErhG). Für den Streitfall bedeutet die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 1 UmwStG 1977, daß bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin das Betriebsvermögen der S GmbH mit dem bei Ablauf dieses Stichtags, d. h. zum 1. Januar 1982, maßgeblichen Wert in das Betriebsvermögen der Klägerin einzubeziehen ist, während gleichzeitig ein Ansatz des Wertes der bisher von der Klägerin an der S GmbH gehaltenen Beteiligung ebenso entfällt wie die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1982 bezüglich der rückwirkend als aufgelöst anzusehenden S GmbH. Der Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin hat sich folglich durch die Verschmelzung rückwirkend auf den 1. Januar 1982 um den zwischen den Beteiligten unstreitigen Wert des Betriebsvermögens der S GmbH in Höhe von 1.561.000 DM erhöht, während gleichzeitig die bisherige Beteiligung an der S GmbH im Werte von 4.100 DM nicht mehr angesetzt werden darf.

b) Dieses Ergebnis ist - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht gemäß § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 zu korrigieren. Nach dieser Vorschrift ist bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens ein entsprechender Betrag abzuziehen, soweit die Regelung des Abs. 1 an dem auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Feststellungszeitpunkt (§§ 21 bis 23 BewG) zu einem höheren Einheitswert des Betriebsvermögens führt. Aus dem durch die Entstehungsgeschichte belegten Sinn und Zweck der dem § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 entsprechenden Vorschrift des § 3 Abs. 3 UmwStG 1969 (BGBl I 1969, 1163) ergibt sich, daß nur in den Umwandlungsfällen "ein entsprechender Betrag abzuziehen" ist, in denen die in § 2 Abs. 1 UmwStG 1977 (§ 3 Abs. 1 UmwStG 1969) angeordnete Rückwirkung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Erhöhung des Einheitswerts des Betriebsvermögens führen würde, weil einzelne Vermögenswerte vorzeitig oder doppelt erfaßt werden (vgl. BTDrucks V/4245 zu § 3 Abs. 3 UmwStG 1969). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die übernehmende Gesellschaft mit den am steuerlichen Übertragungsstichtag vorhandenen Geldmitteln nach dem Stichtag eine Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft erwirbt; aufgrund der nachfolgenden Verschmelzung würde die übernehmende Gesellschaft neben dem am Stichtag bereits vorhandenen Vermögen einschließlich der für den Erwerb der Beteiligung vorhandenen Geldmittel durch die in § 2 Abs. 1 UmwStG 1977 (§ 3 Abs. 1 UmwStG 1969) angeordnete Rückwirkung auch das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft ansetzen müssen. Die hierdurch eintretende, vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollte doppelte Vermögenserfassung als Folge der Rückbeziehung soll durch einen besonderen Kürzungsbetrag nach § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 (§ 3 Abs. 3 UmwStG 1969) ausgeglichen werden (s. Senatsurteil vom 2. März 1988 II R 153/85, BFHE 153, 56, BStBl II 1988, 573). Eine sachlich nicht gerechtfertigte Erhöhung des Vermögens liegt jedoch dann nicht vor, wenn - wie im Streitfall - als Folge der Umwandlung anstelle des niedrigeren Werts der mit Rückwirkung zum steuerlichen Übertragungsstichtag wegfallenden Beteiligung das höhere Vermögen dieser Gesellschaft im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft zu erfassen und der Vermögensteuer zu unterwerfen ist (vgl. Loos, Kommentar zum Umwandlungs-Steuergesetz 1969, Tz. 495; Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 97 BewG, Anm. 40.2 unter Hinweis auf Tz. 5 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 16. Juni 1978 IV B/2 - S 1909 - 8/78, BStBl I 1978, 235, 237). Ein Abzug des Unterschiedsbetrags zwischen dem Ansatz des übernommenen Vermögens und dem Wert der bisher gehaltenen Beteiligung nach § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 kommt folglich nicht in Betracht. Soweit sich aus dem Urteil des früher für die Einheitsbewertung zuständigen III. Senats vom 21. Dezember 1978 III R 41/76 (BFHE 127, 50, BStBl II 1979, 294) etwas anderes ergibt, hält der erkennende Senat hieran nicht mehr fest.

Sollte der Wortlaut des § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 - wie die Vorinstanz meint - auch eine andere Auslegung zulassen, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Sie führt zu sachlich nicht vertretbaren Ergebnissen; denn sie würde die in Abs. 1 ausdrücklich geregelte wesentliche Folge der Umwandlung, d. h. die Erfassung des Vermögens der übertragenden Körperschaft im Betriebsvermögen der übernehmenden Körperschaft, ohne sachlichen Grund in ihren betragsmäßigen Auswirkungen für die Dauer eines Jahres bis zum nächsten Bewertungsstichtag immer dann rückgängig machen, wenn der Wert der Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft unter dem Wert des übernommenen Vermögens liegt. Daß dieses Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann, zeigt sich insbesondere am Beispiel der Verschmelzung zweier Körperschaften, bei denen die aufnehmende Körperschaft an der übertragenden Körperschaft nicht beteiligt war. Da sich in diesem Fall zwangsläufig bei der Übernahme des (positiven) Vermögens der übertragenden Gesellschaft eine Erhöhung des Betriebsvermögens der übernehmenden Gesellschaft ergibt, würde nach der von der Vorinstanz vorgenommenen Auslegung das übernommene Vermögen entgegen der insoweit eindeutigen Grundsatzregelung des § 2 Abs. 1 UmwStG 1977 (§ 3 Abs. 1 UmwStG 1969) für ein Jahr nicht der Vermögensteuer unterworfen sein. Der Senat vermag daher der Auffassung, daß als Folge des § 2 Abs. 4 UmwStG 1977 eine gewisse "Pause" der Vermögensbesteuerung in Kauf genommen werden müsse (s. Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 2 UmwStG 1977 Tz. 4639), nicht zu folgen (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 153, 56, BStBl II 1988, 573).