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  BFH-Urteil vom 10.12.1992 (IV R 17/92) BStBl. 1993 II S. 344

Beim Wechsel von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zum Bestandsvergleich bestimmen sich die in die Übergangsbilanz einzustellenden Buchwerte landwirtschaftlicher Betriebsgebäude nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemindert um die im Zeitpunkt der Errichtung und im Laufe der Nutzung der Gebäude üblichen AfA. Die besonderen betrieblichen Verhältnisse sind auch dann unbeachtlich, wenn für diesen Zeitraum amtliche AfA-Tabellen nicht zur Verfügung gestanden haben.

EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 7 Abs. 4, § 13 a.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), im Streitjahr 1982 zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, betreiben gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gewinn bis zum Wirtschaftsjahr 1980/81 nach Durchschnittssätzen (§ 13 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) ermittelt wurde. Am 2. April 1981 wurden sie vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) zur Buchführung aufgefordert und ermittelten daher ihren Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1981/82 durch Bestandsvergleich.

Bei einer die Wirtschaftsjahre 1980/81 bis 1982/83 umfassenden Betriebsprüfung stellte das FA u. a. fest, daß die Kläger die Wirtschaftsgebäude in der Anfangsbilanz zum 1. Juli 1981 unter Berücksichtigung von Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 2 v. H. angesetzt hatten. Diese AfA nahmen die Kläger auch nach dem Übergang zum Bestandsvergleich weiterhin in Anspruch. Unter Berücksichtigung des baulichen Zustands des im Jahre 1962 errichteten Stalls gingen der Prüfer und ihm folgend das FA jedoch von einer Nutzungsdauer von 30 Jahren aus.

Der Einspruch gegen die geänderte Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr hatte insoweit Erfolg, als das FA die AfA für das Wirtschaftsgebäude mit 3 v. H. ansetzte. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien die in die Übergangsbilanz zu übernehmenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten abnutzbarer Wirtschaftsgüter um die Absetzungen zu mindern, die sich aus den amtlichen AfA-Tabellen ergäben. Davon aber sei das FA im Streitfall ausgegangen. Den Klägern sei zwar zuzugeben, daß die AfA für Gebäude gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG grundsätzlich 2 v. H. betrage. Die Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer sei aber nicht ausgeschlossen. Wähle der Landwirt aber die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen, so wähle er damit zwangsläufig auch die Berücksichtigung der üblichen AfA, die sich aus den amtlichen AfA-Tabellen ergebe.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die angefochtenen Steuerbescheide sind zu ändern (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

I.

Die Revision ist zulässig.

Die Kläger sind auch insoweit beschwert, als sie für das Streitjahr eine höhere Steuerfestsetzung beantragen. Ein Steuerpflichtiger kann auch durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein; dies ist dann der Fall, wenn die beanstandete Festsetzung sich in späteren Veranlagungszeiträumen zu seinen Ungunsten auswirken kann (vgl. BFH-Urteile vom 7. August 1979 VIII R 153/77, BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181; vom 27. Mai 1981 I R 123/77, BFHE 133, 412, BStBl II 1982, 211, und vom 29. August 1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158).

Die Kläger begehren zwar für das Streitjahr 1982 eine Steuerfestsetzung auf der Grundlage einer geringeren AfA und dementsprechend höherer Gewinne für die Wirtschaftsjahre 1981/82 und 1982/83. Ihr eigentliches Klagebegehren ist jedoch auf Ansatz eines möglichst hohen Restbuchwerts für das Stallgebäude gerichtet, so daß sich insgesamt gesehen für die Zukunft höhere Absetzungen ergeben. Damit aber ist eine Rechtsverletzung durch die angefochtenen Bescheide und die Vorentscheidung ausreichend dargetan.

II.

Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß das Stallgebäude beim Übergang zum Bestandsvergleich mit den um eine AfA von 3 v. H. geminderten Herstellungskosten zu bilanzieren ist.

Wie der Senat mit Urteil vom 12. Dezember 1985 IV R 225/83 (BFHE 145, 533, BStBl II 1986, 392) entschieden hat, ist beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zum Bestandsvergleich das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Betriebsvermögen in einer Übergangsbilanz auszuweisen. Dabei sind die der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um die üblichen AfA nach § 7 EStG anzusetzen. Als übliche AfA in diesem Sinne hat der Senat bei beweglichen Anlagegütern eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs die AfA in gleichen Jahresbeträgen angesehen und zur Bestimmung der betrieblichen Nutzungsdauer die amtlichen AfA-Tabellen für verbindlich erklärt (BFH-Urteil in BFHE 145, 533, BStBl II 1986, 392). Dabei kann nicht unterstellt werden, daß der Landwirt während der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß VOL, GDL oder § 13 a EStG Wahlrechte ausgeübt hat, die allein dem buchführenden Landwirt vorbehalten sind (BFH-Urteile vom 17. März 1988 IV R 82/87, BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770, und vom 14. April 1988 IV R 96/86, BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672).

Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte das FG für das im Jahre 1962 errichtete Stallgebäude nicht von einer betrieblichen Nutzungsdauer ausgehen, die sich erstmals aus den amtlichen AfA-Tabellen für Veranlagungszeiträume nach dem Übergang der Kläger zum Bestandsvergleich ergeben hat. Für Ställe in Massivbauweise ist eine betriebliche Nutzungsdauer von 25 Jahren erstmals in der AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft und Tierzucht angegeben, die für alle nach dem 30. Juni 1984 angeschafften oder hergestellten Anlagegüter gilt (AfA-Tabelle A. Landwirtschaft und Tierzucht Nr. 5.201, abgedruckt bei Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., 1983, Anlage 5). Die genannte AfA-Tabelle ist daher als Grundlage für die zum 1. Juli 1981 vorzunehmende Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nicht geeignet (gl. A. Urteil des FG München vom 14. März 1991 10 K 10260/84, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 120). Andererseits widerspräche es dem Wesen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen als eigenständiger typisierender Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Reinertrags (BFH-Urteil in BFHE 145, 533, BStBl II 1986, 392, zu 1. b) für solche Wirtschaftsgüter, die nicht in den amtlichen AfA-Tabellen enthalten sind, für die aber auch eine entsprechende Anwendung der Tabelle nicht in Betracht kommt (vgl. Mathiak, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1982, 305), die Nutzungsdauer nach den jeweiligen betrieblichen Verhältnissen zu schätzen (so aber Leingärtner/Zaisch, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., 1991, Rdnr. 1312). In solchen Fällen ist vielmehr von der Nutzungsdauer auszugehen, die für den Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsgutes und der folgenden Bilanzstichtage unabhängig von etwaigen Wahlrechten maßgebend war. Für landwirtschaftlich genutzte Gebäude läßt sich daher auch nicht aus dem im Jahre 1955 eingeführten Wahlrecht einer Sonderabschreibung nach § 76 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - (i. V. m. § 51 Abs. 1 b Nr. 2 k EStG) eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 30 Jahren herleiten (a. A. Biedermann, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1981, 487).

Nach alledem haben die Kläger der Ermittlung des Buchwerts für die Übergangsbilanz zu Recht eine Nutzungsdauer von 50 Jahren zugrundegelegt. Denn vor der Einfügung des § 7 Abs. 4 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 16. Juni 1964 (BGBl I 1964, 353, BStBl I 1964, 384) wurde die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer gewerblich genutzter Gebäude nach § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG 1961 in der Regel auf 50 Jahre geschätzt (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 20. Aufl., § 7 EStG Anm. 381 f.). Für landwirtschaftliche genutzte Gebäude gab es lediglich Nichtbeanstandungswerte, die je nach Bauweise zwischen 1 v. H. und 2 v. H. für Stallgebäude in Massiv- oder Fachwerkbauweise lagen (Reichsminister der Finanzen vom 5. Juli 1935, RStBl S. 953); diese Werte hat der Bundesminister der Finanzen (BMF) noch im Jahre 1957 als brauchbaren Anhalt für land- und forstwirtschaftlich genutzte Betriebsgebäude gehalten, die nach dem 20. Juni 1948 (Tag der Währungsumstellung) errichtet worden sind (BMF vom 24. März 1957, Der Betrieb - DB - 1957, 367). Mangels verbindlicher Regelungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebsgebäude ist die damals für gewerbliche Gebäude übliche Nutzungsdauer nach Auffassung des Senats bis zur Neuregelung des § 7 Abs. 4 EStG auch für ein freistehendes, in Massivbauweise errichtetes Stallgebäude maßgebend (gl. A. FG München in EFG 1992, 120). Mit der Einfügung des § 7 Abs. 4 EStG 1964 wurde die Nutzungsdauer für Gebäude, die nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, mit 50 Jahren typisierend festgelegt. Zwar konnten bei einer geringeren tatsächlichen Nutzungsdauer nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG 1964 auch die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden AfA vorgenommen werden. Dabei handelte es sich jedoch um ein Wahlrecht (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 7 EStG Anm. 421), dessen Inanspruchnahme nach der Rechtsprechung des Senats (BFH in BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770, und in BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672) für den Zeitraum der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nicht unterstellt werden kann (gl. A. Felsmann, a. a. O., B 884; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6. Aufl., 1992, Rdnr. 132).

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; seine Entscheidung war daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Sache ist spruchreif. Die Einkommensteuer für das Streitjahr ist antragsgemäß um 236 DM höher auf 8.206 DM festzusetzen.

Da die Vorentscheidung bereits aus anderen Gründen aufzuheben war, mußte über die Verfahrensrüge unzureichender Sachaufklärung nicht mehr entschieden werden.