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  BFH-Urteil vom 21.1.1993 (V R 30/88) BStBl. 1993 II S. 384

1. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 an die Bezeichnung des Leistungsgegenstandes im Abrechnungspapier keine strengeren Anforderungen stellt als § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973, sondern lediglich besagt, daß das Abrechnungspapier Angaben tatsächlicher Art enthalten muß, die - ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel - die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist.

2. Es ist grundsätzlich zulässig, daß der Rechnungsaussteller, statt die Leistungshandlung zu beschreiben, mit Angaben tatsächlicher Art den auf Grund der Leistungshandlung beim Leistungsempfänger eintretenden Erfolg bezeichnet.

3. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann es bei einer Arbeitnehmerüberlassung genügen, daß im Abrechnungspapier diejenigen Gewerke angegeben werden, die der Leistungsempfänger durch die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer hat ausführen lassen.

4. Da das Umsatzsteuerrecht an tatsächliche Leistungsvorgänge anknüpft, ohne daß auf das Vorhandensein wirksamer vertraglicher oder sonstiger Leistungspflichten abgestellt würde, vermag die sog. Umqualifizierung nach dem AÜG (Art. 1 § 1 Abs. 1, § 9 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Satz 1) das Vorliegen eines entsprechenden Umsatzes des Arbeitnehmerverleihers gegenüber dem -entleiher nicht auszuschließen.

AO 1977 § 41; AÜG Art. 1 § 1 Abs. 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1; UStG 1973 § 14 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1980 § 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in den Streitjahren (1978 bis 1981) ein Unternehmen, das .... häuser errichtete. Hierbei bediente er sich mehrerer Subunternehmer, mit denen er zwar Werkverträge über die Ausführung bestimmter Gewerke schloß, die ihm aber statt dessen Arbeitnehmer überließen, welche die Gewerke ausführten.

Von den Subunternehmern wurden dem Kläger die vereinbarten Werkleistungen unter gesondertem Steuerausweis in Rechnung gestellt. Der Kläger machte die Steuerbeträge als Vorsteuer geltend.

Auf Grund einer Außenprüfung ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die von den Subunternehmern gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug zu.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, der Kläger dürfe gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973 und 1980) die ihm von den Subunternehmern für sonstige Leistungen gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Art und Umfang der sonstigen Leistungen seien in den Rechnungen nicht falsch bezeichnet worden. Aus den Rechnungen gehe eindeutig hervor, daß die von den Subunternehmern zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte für den Kläger Gewerke hergestellt hätten.

Für die umsatzsteuerliche Beurteilung spiele es keine Rolle, ob die den Leistungen zugrundeliegende vertragliche Gestaltung als Werkvertrag oder als - unerlaubte - Arbeitnehmerüberlassung i. S. von Art. 1 § 9 Nr. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vom 7. August 1972 (BGBl I 1972, 1393) mit der Folge anzusehen sei, daß die Verträge nichtig seien und zwischen dem Kläger (Entleiher) und den Arbeitnehmern durch Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG Arbeitsverhältnisse fingiert würden. Denn auf Grund der besonderen Bedeutung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gemäß § 41 der Abgabenordnung (AO 1977) für das Umsatzsteuerrecht sei darauf abzustellen, ob trotz der evtl. Unwirksamkeit der Kausalgeschäfte die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl hätten eintreten und bestehen lassen.

Selbst wenn mit dem FA angenommen würde, das Vorliegen von unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung führe dazu, daß die Art der sonstigen Leistung i. S. von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UStG 1973 bzw. 1980 unrichtig bezeichnet sei, hätte dies für den Vorsteuerabzug keine Bedeutung, weil der Rechnungsbegriff des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 bzw. 1980 mit dem des § 14 Abs. 1 UStG 1973 bzw. 1980 nicht identisch sei und nicht die Angabe aller Merkmale aus den zitierten Vorschriften erfordere. Dies gelte auch für § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 trotz dessen gegenüber § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 geänderten Wortlautes.

Mit der - vom erkennenden Senat durch Beschluß vom 16. Dezember 1987 V B 74/87 (BFH/NV 1988, 537) zugelassenen - Revision beantragt das FA - sinngemäß -, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 bzw. 1980 und macht vor allem geltend, der Rechnungsbegriff des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 bzw. 1980 entspreche im wesentlichen dem des § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973 bzw. 1980, so daß die Rechnungen über sonstige Leistungen deren Art und Umfang angeben müßten. Aus dem Vorhandensein einer solchen gesetzlichen Regelung folge weiter, daß die diesbezüglichen Angaben richtig zu sein hätten.

Für die Forderung nach zutreffender Angabe des Leistungsgegenstandes lägen einleuchtende Gründe vor. Solche Angaben seien oft für die Klärung unerläßlich, ob eine bezogene Leistung gerade für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt worden sei. Die genaue Bezeichnung des Leistungsgegenstandes könne ferner notwendig sein, um Leistungsbezüge abzugsschädlichen bzw. nichtabzugsschädlichen Ausgangsumsätzen zuzuordnen. Schließlich komme in Betracht, daß die Art der Leistung für die Bestimmung des Leistungsortes Bedeutung haben könne. Dies alles möge zwar in einer Vielzahl von Fällen unproblematisch sein. Gleichwohl müsse aber wegen der im Einzelfall möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten verlangt werden, den Rechnungsbegriff i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 in Beziehung auf die anderen einschlägigen Regelungen des Gesetzes einheitlich zu interpretieren.

Die eben angeführten Erwägungen fänden für die mit 1980 beginnenden Besteuerungszeiträume eine zusätzliche Stütze darin, daß die Neufassung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 ausdrücklich auf § 14 UStG 1980 Bezug nehme. Da die Inbezugnahme keinen bestimmten Absatz des § 14 UStG 1980 nenne, sei davon auszugehen, daß an den engsten der im Gesetz festgelegten Rechnungsbegriffe angeknüpft werde, d. h. an den aus § 14 Abs. 1 UStG 1980.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen stand.

Das FG hat zu Recht angenommen, daß das FA dem Kläger den umstrittenen Vorsteuerabzug nicht hätte verweigern dürfen, weder im Hinblick auf die nach dem UStG 1973 bzw. 1980 erforderlichen Leistungsbeschreibungen in den entsprechenden Rechnungen noch mit Rücksicht auf die Regelungen des AÜG.

a) Nach der für die Streitjahre 1978 und 1979 maßgebenden Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 kann der Unternehmer - unter hier nicht umstrittenen weiteren Voraussetzungen - die ihm von anderen Unternehmern "gesondert in Rechnung gestellte Steuer" für sonstige Leistungen als Vorsteuerbeträge abziehen. Die für die Streitjahre 1980 und 1981 geltende Bestimmung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 bezeichnet die entsprechenden abziehbaren Vorsteuerbeträge als die "in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer" für sonstige Leistungen.

Beide zitierten Vorschriften setzen voraus, daß die Abrechnungspapiere den Leistungsgegenstand bezeichnen. Insoweit geht der Senat seit seinen beiden Urteilen vom 24. September 1987 V R 50/85 (BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688) und V R 125/86 (BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694) in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Senats-Beschlüsse vom 7. Juli 1988 V B 72/86, viertletzter Absatz, BFHE 154, 197, BStBl II 1988, 913, und vom 26. Mai 1988 V B 26/86 - unter 1. b cc -, BFH/NV 1989, 403) davon aus, daß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 hinsichtlich der Bezeichnung des Leistungsgegenstandes keine strengeren Anforderungen als § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 stellt, sondern lediglich (wie bisher) besagt, daß die Abrechnungspapiere (Belegnachweis) Angaben tatsächlicher Art enthalten müssen, welche - ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel - die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Hierbei hat es der Senat für grundsätzlich zulässig angesehen, daß der Rechnungsaussteller, statt die Leistungshandlung zu beschreiben, mit Angaben tatsächlicher Art den beim Leistungsempfänger eintretenden Erfolg der Leistungshandlung bezeichnet. Dementsprechend kann es je nach den Umständen des Einzelfalles genügen, daß bei einer Arbeitnehmerüberlassung in den Abrechnungspapieren diejenigen Gewerke angegeben sind, die der Leistungsempfänger durch die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer hat ausführen lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeitnehmer für die Herstellung bestimmter Gewerke überlassen werden und diese Gewerke auch erstellt haben.

Diese Rechtsgrundsätze sind vom FG beachtet worden. Weder die Feststellungen des FG im angefochtenen Urteil noch das erstinstanzliche Vorbringen des FA bieten einen Anhalt dafür, daß auf Grund der besonderen Umstände des Streitfalles zum Zwecke der Identifizierung der abgerechneten Leistungen an deren Beschreibung in den Abrechnungspapieren strengere Anforderungen gestellt werden müßten. Auch mit seinen Revisionsangriffen hat das FA derartiges nicht geltend gemacht.

Angesichts dessen bestehen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken dagegen, daß das FG die umstrittenen Rechnungen als tauglich für den Vorsteuerabzug des Klägers angesehen hat, obwohl nach den Feststellungen des FG die von den Subunternehmern erbrachten Leistungen in der Überlassung von Arbeitnehmern bestanden haben, während in den Abrechnungspapieren die durch die überlassenen Arbeitskräfte für den Kläger hergestellten Gewerke angegeben sind.

b) Das angefochtene Urteil ist ferner nicht im Hinblick darauf rechtsfehlerhaft, daß das FG es offengelassen hat, ob die Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern gegenüber dem Kläger als unerlaubt i. S. des Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG mit der Folge aus Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG anzusehen ist. Denn auch bejahendenfalls wäre die Verweigerung des umstrittenen Vorsteuerabzugs durch das FA nicht gerechtfertigt.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) besteht für die Zeit vor dem Erlaß des AÜG kein Zweifel daran, daß die sog. Arbeitnehmergestellung umsatzsteuerrechtlich als ein Bewirken sonstiger Leistungen durch den die Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmer anzusehen war (vgl. BFH-Urteil vom 8. Mai 1969 V R 11/66, BFHE 95, 563, BStBl II 1969, 512; s. hierzu auch BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 199/83, unter 1., BFH/NV 1987, 756).

bb) Hieran hat sich durch das Inkrafttreten des AÜG nichts geändert. Zwar bestimmen dessen Art. 1 § 9 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Satz 1, daß Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam sind, wenn der Verleiher nicht die erforderliche Erlaubnis hat (Art. 1 § 1 AÜG), und daß - arbeitsrechtlich - ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gilt (sog. Umqualifizierung des Arbeitsverhältnisses des Leiharbeitnehmers mit dem bisherigen Arbeitgeber - Verleiher - in ein fingiertes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher; s. hierzu BFH-Urteile in BFH/NV 1987, 756, unter 1., und vom 2. April 1982 VI R 34/79, BFHE 135, 501, BStBl II 1982, 502). Diese Regelung gebietet aber keine von der bisherigen abweichende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung.

Das Umsatzsteuerrecht knüpft an tatsächliche Leistungsvorgänge an, ohne daß auf das Vorhandensein wirksamer zugrundeliegender Verträge oder sonstiger Leistungspflichten abgestellt würde (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 756, unter 1.). Dementsprechend hat es der Senat z. B. für die Frage, ob von einer Rechtsanwaltssozietät Leistungen als Testamentsvollstrecker gegenüber den Erben ausgeführt worden sind, für unerheblich gehalten, daß zivilrechtlich eine Sozietät in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht wirksam als Testamentsvollstrecker eingesetzt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1987 V R 33/79, unter 1., BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524). Der Senat hat ferner in seinem Urteil vom 1. Juni 1989 V R 72/84 - unter II. 2. b - (BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677) ausgesprochen, daß im umsatzsteuerrechtlichen Sinne Leistender sein kann, wer einen Umsatz im eigenen Namen wirklich ausgeführt hat, obwohl er eine entsprechende Leistung nicht schuldete.

In Anbetracht dessen braucht der Senat nicht zusätzlich darauf einzugehen, ob eine Umqualifizierung auf Grund des AÜG (s. oben) umsatzsteuerrechtlich gemäß § 41 AO 1977 unberücksichtigt zu bleiben hätte (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 756, unter 1.).