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  BFH-Urteil vom 6.11.1991 (XI R 27/90) BStBl. 1993 II S. 391

Bisher betrieblich genutzte und seitdem ungenutzte (freie) Grundstücksflächen, deren spätere betriebliche Nutzung möglich bleibt, verbleiben ohne eine von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung im Betriebsvermögen.

EStG § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Fuhrunternehmerin. Das Geschäft wird auf einem Grundstück betrieben, das der Klägerin und ihrem Ehemann in Form von Miteigentum je zur Hälfte gehört. Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus bebaut, das die Klägerin mit ihrer Familie bewohnt. Bis 1982 wurden 200 qm des Grundstücks (7,5 v. H. der Gesamtfläche) für Betriebszwecke genutzt (LKW-Garage, Einfahrt für den LKW und Umkehrplatz). 1982 wurde dem Wohnhaus ein Privatzwecken dienender Anbau angefügt, der bis an die Grenze des bisherigen LKW-Standplatzes reicht. Die Garage wurde abgerissen und an anderer Stelle ein LKW-Standplatz eingerichtet. Außerdem änderte sich die LKW-Zufahrt. Eine neue Garage wurde nicht errichtet. Der betrieblich genutzte Grundstücksanteil beträgt nach den Veränderungen wie zuvor 200 qm.

Die Klägerin bilanzierte den betrieblichen Anteil an dem Grundstück nicht. Erst auf Veranlassung einer Betriebsprüfung im Jahre 1982 wurde entsprechend dem Miteigentumsanteil der Klägerin nachträglich zum 31. Dezember 1980 eine Einlage nach Anschaffungskosten von .... DM in die Bilanz eingestellt. Ein unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassener Einkommensteuerbescheid für 1982 wurde am 23. März 1984 geändert. Dabei wurden die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb um einen Entnahmegewinn aus der Veränderung der Grundstücksnutzung von .... DM erhöht. Im Einspruchsverfahren verminderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Entnahmegewinn auf .... DM durch Erhöhung des Buchwerts des früher betrieblich genutzten Grundstücksanteils und einer Reduzierung des entnommenen Grundstücksanteils auf 60 qm. Im übrigen blieb der Einspruch erfolglos.

Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, ein Entnahmegewinn dürfe nicht berücksichtigt werden, da durch die bloße Verlegung des Standplatzes und der Zufahrt innerhalb des Grundstücks eine Entnahme nicht erfolgt sei.

Durch Urteil änderte das Finanzgericht (FG) den angegriffenen Einkommensteuerbescheid und führte in den Gründen aus, Betriebsvermögen sei der flächenmäßig bestimmte betrieblich genutzte Teil des Grundstücks, nicht aber die real abgegrenzte Grundstücksfläche. Dies habe zur Folge, daß bei der räumlichen Verlagerung auf demselben Grundstück ohne Nutzungsänderung kein anderes Wirtschaftsgut zu bilanzieren sei. Der betrieblich genutzte Grundstücksteil sei unabhängig von der jeweiligen Lage auf dem Grundstück und unabhängig von einer Aufteilung, Zusammenlegung oder Verlagerung unverändert als ein Wirtschaftsgut zu bilanzieren. Außerdem führe bei Wertgleichheit der Austausch einzelner betrieblich genutzter, wirtschaftlich identischer Teile eines gemischt genutzten Grundstücks ohne Veränderung der Betriebs- und Eigentumsverhältnisse nicht zwangsläufig zu einer Entnahme der bisher betrieblich genutzten Grundstücksteile.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es vertritt den Standpunkt, als Wirtschaftsgut sei der betrieblich genutzte, fest umrissene Grundstücksteil anzusehen, der lediglich katastermäßig nicht abgegrenzt sei, soweit er im Eigentum der Klägerin stehe. Ein Teil dieser Fläche sei durch den Abriß des alten Garagengebäudes und die Verlegung des LKW-Standplatzes aus dem Betriebsvermögen entnommen worden. Dieser, von der Klägerin als Austausch angesehene Vorgang stelle einen Entnahmeakt dar, der zur Gewinnrealisierung geführt habe. Im übrigen seien die ausgetauschten Teilflächen auch nicht funktionsgleich, weil die frühere LKW-Garage gegenüber dem jetzigen Stellplatz eine höherwertige Funktion erfüllt habe.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision. Zur Begründung trägt sie vor, es sei keine ursprünglich bestehende Garage abgebrochen worden, sondern erst auf der neuen Stellfläche eine Garage errichtet worden. Eine Entnahmehandlung liege nicht vor, da kein Abriß getätigt und keine Buchung einer Entnahme erfolgt seien.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat ohne Rechtsverstoß die Verwirklichung eines Entnahmegewinns verneint. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entnahme i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind nicht gegeben. Ein Wirtschaftsgut verliert seine Eigenschaft als Betriebsvermögen durch die Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts wird der sachliche betriebliche Zusammenhang durch die Entnahme gelöst. Eine Entnahme setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Entnahmehandlung voraus, die von einem Entnahmewillen getragen ist (BFH-Urteil vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459). Ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird, reicht dafür aus (BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168). Dazu gehört ein Verhalten des Steuerpflichtigen, das nach außen hin seinen Willen erkennen läßt, ein Wirtschaftsgut nicht mehr für betriebliche, sondern für private Zwecke zu nutzen, also nicht mehr unmittelbar oder mittelbar zur Erzielung von Betriebseinnahmen, sondern in Zukunft zur Erzielung von Privateinnahmen zu verwenden (BFH-Urteil vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395). Dazu gehören insbesondere eine private Nutzung des Wirtschaftsguts oder dessen Vermietung oder Verpachtung.

Im Streitfall ist eine Entnahme nicht erfolgt. Der Teil der bisher betrieblich genutzten Grundstücksfläche, der mit dem Abriß des Garagengebäudes und der Verlegung der Zufahrt freigeworden ist, wird seitdem nicht privat genutzt. Nach den Feststellungen des FG reicht der Anbau an das Wohnhaus der Klägerin nur bis zur Grenze des bisherigen Standplatzes. Der Abriß des Garagengebäudes im zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Wohnhausanbaus läßt einen Schluß auf die tatsächliche Nutzung des freigewordenen Grundstücksteils nicht zu. Vielmehr ist aufgrund der Feststellungen des FG davon auszugehen, daß sich dieser Grundstücksteil nach dem Abriß der Garage als sog. Freifläche darstellt. Gleiches gilt für die durch die Verlegung der LKW-Zufahrt freigewordene Grundstücksfläche. Eine spätere betriebliche Nutzung dieser Grundstücksteile ist objektiv möglich. Die Klägerin hat einen Entnahmewillen in Abrede gestellt. Ihre Auffassung, die betrieblich genutzten Grundstücksteile seien ausgetauscht worden, läßt einen Schluß auf die Absicht einer zukünftigen privaten Nutzung nicht zu. Die Rechtsvorstellungen der Klägerin sind lediglich eine Reaktion auf die steuerliche Behandlung des Grundstücks in der Betriebsprüfung.

Da die durch die Verlegung der betrieblich genutzten Flächen freigewordenen Grundstücksteile nicht entnommen worden sind, sind sie weiterhin dem Betriebsvermögen zuzurechnen mit der Folge, daß ein Entnahmegewinn nicht entstanden ist.