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  BFH-Urteil vom 5.11.1992 (I R 41/92) BStBl. 1993 II S. 407

1. Überläßt ein im Ausland wohnhafter Erfinder selbst entwickelte Arzneimittelrezepturen einem inländischen Unternehmen zur Nutzung gegen Lizenzgebühren, so erzielt er beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG).

Hatte der Lizenzgeber die Rezepturen seinerseits erworben, so erzielt er beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).

2. Die Steuerbefreiung der Lizenzgebühren gemäß Art. 12 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 schließt die Erhebung einer Abzugsteuer gemäß § 50 a Abs. 4 EStG nicht aus.

EStG §§ 18, 21 Abs. 1 Nr. 3, 49 Abs. 1 Nrn. 3 und 6, 50 a Abs. 4 und Abs. 5; EStDV § 73 g; DBA-Schweiz 1971 Art. 12 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 und 2; AO §§ 144 Abs. 1 Satz 1, 145 Abs. 1; AO 1977 §§ 173 Abs. 2, 191 Abs. 3; EGAO Art. 97 § 1 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

1. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die M-GmbH (GmbH), stellte im Inland Arzneimittel her. Sie schloß in den Jahren 1962, 1963 und 1967 mit dem in der Schweiz wohnhaften N vier Lizenzverträge. In den Verträgen räumte N der GmbH das ausschließliche Recht ein, jeweils auf die Dauer von fünf Jahren die Rezepturen und Herstellungsverfahren für vier verschiedene Medikamente industriell auszuwerten. Als Gegenleistung wurden umsatzabhängige Lizenzgebühren vereinbart. In der Folgezeit zahlte die GmbH an N die vereinbarten Lizenzgebühren.

N hatte im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Er soll einen erheblichen Teil der Zahlungen an die A-Anstalt Vaduz, Liechtenstein, weitergeleitet haben.

Ob N die erhaltenen Lizenzgebühren in der Schweiz versteuerte, ist unbekannt. Er lehnte es gegenüber der GmbH ab, eine Bescheinigung der schweizerischen Steuerbehörden über die zutreffende Versteuerung der erhaltenen Lizenzgebühren vorzulegen. Auch im Inland wurde für die Lizenzgebühren zunächst keine Ertragsteuer entrichtet. Eine Freistellungsbescheinigung der zuständigen inländischen Finanzbehörde wurde ebenfalls nicht vorgelegt.

Mit Wirkung vom 30. Dezember 1969 wurde die GmbH auf die Klägerin, eine KG, umgewandelt. Die Klägerin setzte die Lizenzzahlungen an N fort.

Während einer Außenprüfung in den Jahren 1968 bis 1970 lehnte es N gegenüber der GmbH ab, die ihm vertraglich zugesagten Lizenzgebühren um Steuerabzugsbeträge mindern zu lassen. Nachdem der Hauptgesellschafter der Klägerin gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) eidesstattlich versichert hatte, daß die Lizenzgebühren weder an ihn noch an ihm nahestehende Personen zurückgeflossen seien, und nachdem die Klägerin sich bereit erklärt hatte, von den Lizenzgebühren einen Steuerabzug vorzunehmen und die Abzugsbeträge als zusätzliche Lizenzzahlungen zu übernehmen, erkannte das FA die Zahlungen als Betriebsausgaben der GmbH an. Die Klägerin übernahm auch die auf die Lizenzgebühren entfallenden Umsatzsteuern des N.

In der Folgezeit gab die Klägerin für den Zeitraum 1968 bis 1979 jeweils Steueranmeldungen nach § 50 a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Sie entrichtete die angemeldeten Einkommensteuern, Ergänzungsabgaben und Stabilitätszuschläge. Dabei bezog sie zwar die übernommenen Ertragsteuern, nicht aber die ebenfalls übernommene Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage ein. Die Umsatzsteuererklärungen gab sie für N als dessen Bevollmächtigte ab. Sie entrichtete in den Jahren 1968 bis 1976 die festgesetzten Umsatzsteuern, ohne die an N gezahlten Lizenzgebühren um diese Beträge zu mindern.

1976 beantragte die Klägerin bei der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) für den Zeitraum 1963 bis zum 2. Halbjahr 1974 eine Fehleraufdeckung zu ihren Gunsten. Sie vertrat die Auffassung, die Einkünfte des Lizenzgebers N unterlägen nicht der inländischen Besteuerung. Die OFD lehnte eine Fehleraufdeckung ab, mit der Begründung, bei den an N gezahlten Vergütungen handle es sich um beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Die OFD wies das FA darüber hinaus an, die im Zeitraum 1968 bis 1974 von der Klägerin für N getragene Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage der Abzugsteuer einzubeziehen.

2. Daraufhin berechnete das FA die durch Einbeziehung der Umsatzsteuer erhöhten Abzugsteuern und nahm die Klägerin für die Mehrsteuern durch Haftungsbescheid vom 13. Dezember 1976 als Haftende in Anspruch. Für den Zeitraum von 1968 bis zum dritten Quartal 1976 ergaben sich Mehrsteuern in Höhe von 297.369,86 DM. Bei der Berechnung der Haftungsbeträge bezog das FA die gegen N festgesetzten Umsatzsteuern (nicht die von der Klägerin tatsächlich gezahlten Umsatzsteuern) in die Bemessungsgrundlage ein.

3. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte teilweise Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hob den Haftungsbescheid auf, soweit darin Mehrsteuern für den Zeitraum 1968 bis 1971 (92.320,95 DM) gefordert wurden. Insoweit seien die Bezüge des Lizenzgebers N durch das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Schweiz 1931/1959 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) steuerbefreit und könnten nicht bei der Klägerin geltend gemacht werden.

Für den Zeitraum 1972 bis zum dritten Quartal 1976 bestätigte das FG den Haftungsanspruch im Grundsatz, setzte aber die Haftungsschuld herab. Es bezog die für N übernommenen Umsatzsteuern nur insoweit in die Bemessungsgrundlage ein, als sie von der Klägerin tatsächlich gezahlt worden waren. Dadurch ermäßigte sich der für diesen Zeitraum geltend gemachte Haftungsbetrag von 205.048,91 DM auf 154.218,35 DM.

Das FG hat die Revision zugelassen, soweit das Urteil die Haftung für Vergütungen der Jahre 1972 bis zum dritten Quartal 1976 betrifft.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -)

....

A. Ein Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 96 Abs. 2 FGO) liegt ebenfalls nicht vor.

a) Einer besonderen Erörterung der Bestandskraft der Umsatzsteuerbescheide 1972 bis 1976 in der mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht. Die Klägerin hatte durch ihren an das FG gerichteten Schriftsatz vom 15. Januar 1992 Zweifel an einer Bevollmächtigung des Geschäftsführers der Klägerin lediglich im Hinblick auf die gegen N gerichteten Prüfungsanordnungen geäußert. Daraus ist unmittelbar kein Zweifel an der Wirksamkeit der Bekanntgabe von Umsatzsteuerbescheiden zu entnehmen. Selbst wenn die Klägerin aber durch den Hinweis auf eine ihrer Auffassung nach fehlende Bevollmächtigung der Klägerin bzw. ihres Geschäftsführers Bedenken gegen die Bestandskraft der Umsatzsteuerbescheide äußern wollte, bedurfte es keiner besonderen Erörterung der Überlegungen des FG hierzu. Durch den im Schriftsatz vom 15. Januar 1992 enthaltenen Hinweis auf die Gerichtsakte V 418/87 U hat die Klägerin das FG auf ihre eigenen Ausführungen zum zwanzig Jahre andauernden Auftreten des Geschäftsführers der Klägerin als Bevollmächtigter und Empfangsbevollmächtigter des Lizenzgebers N hingewiesen (Schriftsatz der Prozeßvertreter der Klägerin vom 9. Mai 1989, Gerichtsakte: V 418/87 U). In der auf Antrag der Klägerin beigezogenen Gerichtsakte V 418/87 U befanden sich ferner Angaben der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin (Schriftsatz vom 9. Mai 1989), wonach N dem Prokuristen F seit 1970 Vollmacht erteilt habe, ihn im Veranlagungs- und außergerichtlichen Verfahren zu vertreten.

Alle für das FG wesentlichen Gesichtspunkte waren damit Gegenstand besonderer Hinweise der Klägerin. Das FG hat lediglich aus den von der Klägerin selbst hervorgehobenen Tatumständen auf ein widersprüchliches Handeln der Klägerin geschlossen. Es hat damit nicht aus bisher nicht erörterten Tatumständen rechtliche Folgerungen gezogen, sondern gerade die Umstände rechtlich gewürdigt, die die Klägerin als wesentlich hervorgehoben hatte. Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner besonderen Erörterung der von der Klägerin nahegelegten rechtlichen Folgerungen. Das Gericht braucht nicht alle Schlußfolgerungen mit den Beteiligten zu erörtern, die es aus den allen Beteiligten bekannten Tatsachen zieht (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 30. Januar 1985 1 BvR 876/84, BVerfGE 69, 145, 148; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Februar 1976 I R 77/74, BFHE 118, 361, BStBl II 1976, 431, 433; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Tz. 16; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 119 FGO Tz. 16).

b) Ein Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs liegt auch insoweit nicht vor, als das FG die aus der Beiziehung der Umsatzsteuerakten und von Vermerken in den Betriebsprüfungsakten gewonnenen Erkenntnisse nicht mit den Beteiligten erörterte.

Zwar müssen die Verfahrensbeteiligten in Kenntnis gesetzt werden, wenn das Gericht die Akten eines anderen gerichtlichen Verfahrens beizieht (BFH-Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 71/87, BFH/NV 1990, 296). Das gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nicht für die Beiziehung von Steuerakten der Verwaltung (BFH-Urteil vom 18. April 1975 III R 159/72, BFHE 115, 527, BStBl II 1975, 741; a. A. wohl Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Rz. 15). Im Streitfall war die Klägerin durch Verfügung des Berichterstatters des FG vom 20. Dezember 1991 davon unterrichtet, daß das FG die Prüfungsanordnung für die bei der Klägerin im Jahre 1974 durchgeführte Betriebsprüfung angefordert hatte. Der Klägerin wurde auch der Schriftsatz des FA vom 14. Januar 1992 zugeleitet, mit dem das FA diese Prüfungsanordnung übersandte. Was die in der Umsatzsteuersache entstandenen Gerichtsakten V 418/87 U angeht, hatte die Klägerin deren Beiziehung im Schriftsatz vom 15. Januar 1992 selbst beantragt.

B. 1. Gegen die Klägerin bestand dem Grunde nach ein Haftungsanspruch gemäß § 50 a Abs. 5 Satz 4 EStG 1971/1974. Nach dieser Vorschrift haftet der inländische Schuldner der Vergütungen i. S. des § 50 a Abs. 4 EStG für die Einbehaltung und Abführung der vom beschränkt Steuerpflichtigen geschuldeten Abzugsteuer.

2. N schuldete eine Abzugsteuer gemäß § 50 a Abs. 4 EStG für die von ihm in den Jahren 1972 bis zum dritten Quartal 1976 bezogenen Lizenzgebühren.

a) Nach den Feststellungen des FG hatte N in den Jahren ab 1972 im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Er bezog in den Streitjahren die in den Lizenzverträgen der Jahre 1962, 1963 und 1967 vereinbarten Lizenzgebühren. Diese Einkünfte unterliegen als inländische Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 49 Abs. 1 EStG. Dabei konnte das FG offenlassen, ob die Einkünfte auf eigener Erfindungstätigkeit des N beruhten oder ob er die an die Klägerin überlassenen Erfahrungen seinerseits erworben hatte. Die Bezüge waren entweder den Einkünften gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 6 EStG zuzuordnen.

b) Hatte N die überlassenen Rezepturen selbst erfunden, so sind die von ihm bezogenen Lizenzgebühren Einkünfte aus einer im Inland verwerteten selbständigen Arbeit i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 EStG setzen eine freiberufliche Tätigkeit voraus. Es muß sich um die Früchte persönlicher qualifizierter Arbeitsleistung des Berufsträgers handeln und nicht um die Erbringung einer gewerblichen Leistung (Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 18 Anm. 3, 5). Da nach den Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß N einen Gewerbebetrieb unterhielt, können von ihm selbst entwickelte Pharmazeutika nur das Ergebnis einer qualifizierten "ähnlichen" Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sein. Die Entwicklung pharmazeutischer Präparate der von N lizenzierten Art erfordert eine wissenschaftliche Tätigkeit und entspricht deshalb den an eine "ähnliche" Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu stellenden Anforderungen.

N hatte die Tätigkeit durch Überlassung der Rezepte an den Gewerbebetrieb der Klägerin auch im Inland verwertet. Der Tatbestand einer Verwertung setzt einen über die Arbeitsleistung der Entwicklung hinausgehenden Vorgang voraus, mit dem das Ergebnis der Arbeitsleistung vom Steuerpflichtigen selbst dem Inland zugeführt wird. Da § 49 Abs. 1 Nr. 3 (ebenso wie Nr. 4) EStG den Tatbestand des Verwertens neben den Tatbestand der Ausübung stellt, kann unter Verwerten nur eine Nutzbarmachung zu verstehen sein, die an einem Ort geschieht, der nicht mit dem Ort der Ausübung identisch ist (vgl. BFH-Urteile vom 12. November 1986 I R 69/83, BFHE 148, 295, BStBl II 1987, 379; I R 320/83, BFHE 148, 299, 301, BStBl II 1987, 381). Hatte N die Rezepturen und Herstellungsverfahren selbst erarbeitet, so liegen beide Voraussetzungen vor. Da N im Inland nicht tätig wurde und er die Nutzung der Rezepturen und Herstellungsverfahren der Klägerin gegen Entgelt überließ, "verwertete" er die Ergebnisse seiner freiberuflichen Tätigkeit. Er verwertete diese Ergebnisse auch an einem Ort, der von dem in der Schweiz liegenden Ort seiner freiberuflichen Tätigkeit verschieden war.

c) Hatte N die Rezepturen und Verfahren von einem Dritten erworben, so sind die von ihm bezogenen Lizenzgebühren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG und damit inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von gewerblichen Urheberrechten und von Erfahrungen. Derartige Einkünfte sind inländische Einkünfte, wenn die Rechte in einer inländischen Betriebsstätte verwertet werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Diese Voraussetzungen liegen vor. N überließ der Klägerin fertige Rezepturen für Medikamente und ein entwickeltes Herstellungsverfahren auf eine begrenzte Dauer von fünf Jahren zur Nutzung. Es ist insoweit ohne Bedeutung, daß die Rezepturen patentrechtlich noch nicht geschützt waren. Im wesentlichen Gehalt unterscheiden sich die Lizenzverträge des Streitfalls nicht von Lizenzverträgen über patentierte Entwicklungen. In beiden Fällen ist Gegenstand des Vertrages ein fertig entwickeltes Produkt und das dazugehörige Produktionsverfahren (vgl. auch BFH-Urteil vom 4. März 1970 I R 86/69, BFHE 99, 116, BStBl II 1970, 567, 569). Der Senat weicht mit dieser Auffassung nicht von den BFH-Urteilen in BFHE 99, 116, BStBl II 1970, 567, und vom 4. März 1970 I R 140/66 (BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428) ab. Die in diesen Urteilen geäußerten Zweifel an der Möglichkeit zeitlicher Überlassung fortlaufender Beratungspflichten und der Verpflichtung zum Sammeln technischer Unterlagen greifen im Streitfall nicht, da abgeschlossene Entwicklungen für einen klar begrenzten Zeitraum überlassen und nicht lediglich laufende Unterstützungspflichten begründet wurden.

Die von der Klägerin zur Nutzung überlassenen Rezepturen und Herstellungsverfahren wurden auch in einer inländischen Betriebsstätte verwertet. Die Produktionsanlagen der Klägerin waren inländische Betriebsstätten. Es ist ohne Bedeutung, daß N im Inland keine Betriebsstätte unterhielt. Die überlassenen Rechte müssen lediglich in einer inländischen Betriebsstätte ohne Rücksicht auf deren Eigentümer verwertet werden (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 49 EStG Rz. 51; Blümich/Krabbe, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 49 Rz. 156; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 49 Anm. 15 d).

d) Der nach innerstaatlichem Recht bestehende Steueranspruch gegen N ist nicht durch Art. 12 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (DBA-Schweiz 1971) ausgeschlossen. Diese Vorschrift gewährt für Lizenzgebühren dem Wohnsitzstaat des Zahlungsempfängers ein ausschließliches Besteuerungsrecht. Da N in der Schweiz wohnhaft war, steht der Bundesrepublik damit grundsätzlich kein Besteuerungsrecht für die an N gezahlten Lizenzgebühren zu. Die Steuerbefreiungen des Abkommens berühren jedoch nicht das Recht beider Vertragstaaten, Steuern von Lizenzgebühren nach nationalem Steuerrecht an der Quelle zu erheben (Art. 28 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971). Zwar ist die an der Quelle erhobene Abzugsteuer auf Antrag zu erstatten (Art. 28 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971). Das Erstattungsverfahren setzt jedoch einen Antrag voraus, der im Streitfall weder von der Klägerin noch von N gestellt wurde. Fehlt es an einem solchen Antrag, so kann sich weder der Haftungsschuldner noch der Steuerschuldner auf die grundsätzlich bestehende Steuerbefreiung berufen (BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 61/85, BFHE 154, 473, BStBl II 1989, 99).

3. Die Haftung der Klägerin für die von N geschuldeten Abzugsteuern ist auch nicht durch Verjährung des Haftungsanspruchs erloschen.

Für die Haftungsansprüche gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 97 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) eine fünfjährige Verjährungsfrist. Die Festsetzungsfristen des § 191 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) sind im Streitfall nicht anwendbar, da die haftungsbegründenden Tatbestände vor dem 31. Dezember 1976 verwirklicht wurden (Art. 97 § 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). Die Verjährungsfrist begann mit Ablauf der Kalenderjahre 1972 bis 1976 (§ 145 AO) und endete frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres 1977, also nach Erlaß des Haftungsbescheids. Der Ablauf der Verjährungsfristen wurde jeweils durch Anfechtung der Haftungsbescheide gehemmt (§ 146 a AO).

4. Der Haftungsanspruch ist auch nicht durch Erlöschen der zugrunde liegenden Steueransprüche - Primäransprüche - gegenstandslos geworden.

Zwar kann ein Haftungsanspruch wegen der Akzessorietät der Haftung grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der zugrunde liegende Steueranspruch verjährt ist. Da der Haftungsschuldner für fremde Schuld einzustehen hat, setzt seine Inanspruchnahme voraus, daß der Primäranspruch bei Erlaß des Haftungsbescheids noch besteht (BFH-Urteile vom 17. Oktober 1980 VI R 136/77, BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138, 140; vom 24. Januar 1989 VII B 188/88, BFHE 155, 497, BStBl II 1989, 315; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 191 AO 1977 Anm. 3 c; Tipke/Kruse, a. a. O., § 191 AO 1977 Tz. 3; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 191 AO 1977, Anm. 16).

Der Primäranspruch gegen N ist jedoch nicht durch Verjährung erloschen. Für die in den Jahren 1972 bis 1976 gezahlten Vergütungen entstanden die Steueransprüche mit Ablauf dieser Jahre (§ 145 Abs. 1 AO). Da sich die Verjährung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß Art. 97 § 10 EGAO 1977 noch nach § 144 Abs. 1 Satz 1 AO richtete, beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Sie endete somit frühestens mit Ablauf des Jahres 1977 und damit nach dem Erlaß des Haftungsbescheids.

5. Der Haftungsbescheid ist nicht wegen Verstoßes gegen eine gesetzliche Änderungssperre rechtswidrig.

a) Dem Erlaß des Haftungsbescheides stand § 173 Abs. 2 AO 1977 nicht entgegen.

Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 gilt nur für Verwaltungsakte, durch die nach dem 31. Dezember 1976 ein Verwaltungsakt aufgehoben und geändert wird. Gemäß Art. 97 § 9 EGAO 1977 sind die Änderungsbestimmungen der AO 1977 nur anwendbar, wenn der ändernde Verwaltungsakt nach dem 31. Dezember 1976 ergeht. Art. 97 § 9 EGAO 1977 geht als besondere Vorschrift der allgemeinen Regelung des Art. 97 § 1 Abs. 1 EGAO 1977 vor (BFH-Urteil vom 11. März 1981 I R 158/80, BFHE 133, 5, 8, BStBl II 1981, 552). Der im Streitfall als ändernder Bescheid in Betracht kommende Haftungsbescheid erging bereits am 13. Dezember 1976. Er fällt somit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich des § 173 Abs. 2 AO 1977.

b) Nach den im Streitfall anwendbaren Vorschriften der AO bestand keine Änderungssperre.

Gemäß § 223 AO waren Nachforderungen von Steuern bis zum Ablauf der Verjährungsfrist jederzeit möglich, soweit nicht die Vorschriften des § 222 AO anzuwenden waren. § 222 AO sah eine Änderungssperre nur vor, wenn das FA einen schriftlichen Bescheid erlassen hatte. Diese Voraussetzung liegt bei Steueranmeldungen über Abzugsteuern nicht vor (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1968 II 53/63, BFHE 94, 79, 85, BStBl II 1969, 86, 89; vom 27. Juni 1973 II R 179/71, BFHE 110, 213, BStBl II 1973, 807, 810; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 222 A. 6; Mattern/Meßmer, Abgabenordnung, Kommentar, § 223 Tz. 1749; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Kommentar, 1. bis 6. Aufl., § 223 Rz. 12). Eine Nachforderung der Abzugsteuern im Haftungsbescheid war somit selbst dann zulässig, wenn man dem Haftungsbescheid einen die Steueranmeldung ändernden Charakter beimißt (so für Lohnsteuer-Haftungsbescheide: BFH-Urteil vom 15. Mai 1992 VI R 106/88, BFHE 168, 532).

6. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Haftungsansprüche im Haftungsbescheid vom 13. Dezember 1976 fehlerhaft berechnet wurden.

a) Zwar hat das FA bei der Berechnung der dem Haftungsanspruch zugrunde liegenden Abzugsteuerschuld zu Recht die von der Klägerin für N übernommene Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage einbezogen.

Die Abzugsteuer ist nach den Einnahmen des beschränkt Steuerpflichtigen zu bemessen (§ 50 a Abs. 4 Satz 2 EStG). Zu den Einnahmen gehören neben den Netto-Lizenzeinnahmen auch die von N geschuldete Umsatzsteuer, soweit sie von der Klägerin übernommen und gezahlt wurde. Der Einnahmebegriff des § 50 a Abs. 4 Satz 2 EStG richtet sich nach § 8 Abs. 1 EStG (BFH-Urteil vom 30. Mai 1990 I R 6/88, BFHE 163, 24, BStBl II 1991, 235). Einnahmen sind danach alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart zufließen. Dazu gehört auch die von der Klägerin übernommene Umsatzsteuer des N. Die vom ausländischen leistenden Unternehmer geschuldete Umsatzsteuer gilt auch dann als dessen Einnahme, wenn sie vom inländischen Leistungsempfänger nicht an den ausländischen Unternehmer gezahlt, sondern für ihn an das FA abgeführt wird (BFH in BFHE 163, 24, BStBl II 1991, 235).

b) Es sind jedoch nur die tatsächlich von der Klägerin gezahlten Umsatzsteuerbeträge in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Nur insoweit befreite die Klägerin N von einer Umsatzsteuerschuld. Nur insoweit lagen deshalb bei ihm Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 1 EStG vor. Aus den dem angefochtenen Urteil beigefügten Berechnungen ist zu entnehmen, daß das FG auch nur die tatsächlich gezahlten Beträge in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Soweit in Umsatzsteuer-Jahresbescheiden höhere Beträge festgesetzt wurden, blieben sie unberücksichtigt.

c) Auf die Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzungen gegen N kommt es nicht an. Entscheidend ist lediglich, daß die Klägerin durch Übernahme einer Verpflichtung des Lizenzgebers N eine zusätzliche Vergütung erbrachte. Die Umsatzsteuerschulden N's entstanden unabhängig von ihrer Festsetzung. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß N mit der Duldung der Verwertung der Rezepturen eine berufliche Tätigkeit selbständig ausübte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967/1973). Er erbrachte mit der Duldung der Verwertung der Rezepturen und des Herstellungsverfahrens eine sonstige Leistung. Die Leistung wurde auch im Inland erbracht, da eine sonstige Leistung in Form des Duldens dort ausgeführt wird, wo die geduldete Handlung erfolgt (§ 3 Abs. 10 UStG 1967/1973).

Selbst wenn jedoch die Befreiung N's von einer Steuerverbindlichkeit deren bestandskräftige Festsetzung voraussetzen sollte, ergäbe sich nichts anderes. Das FG hat zu Recht ausgeführt, daß die Berufung der Klägerin auf eine angeblich fehlende Bekanntgabe der Umsatzsteuerbescheide gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstößt. Wenn die Klägerin zwanzig Jahre lang sämtliche Steuerangelegenheiten des Lizenzgebers im Inland durch ihren Geschäftsführer als Bevollmächtigten N's erledigen ließ und sich nunmehr auf eine fehlende Vollmacht beruft, setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem jahrelangen Verhalten. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in ihrem Schriftsatz im Klageverfahren wegen der Umsatzsteuer N's (FG-Akte V 418/87 U, Schriftsatz vom 9. Mai 1989) vorgetragen haben, daß der Geschäftsführer der Klägerin seit Jahren von N bevollmächtigt gewesen sei. Die Klägerin bestreitet auch nicht die tatsächlichen Feststellungen des FG, wonach sie mehrere für N bestimmte und an den Geschäftsführer der Klägerin adressierte Schreiben der Betriebsprüfungsstelle in den Jahren 1975, 1981 und 1982 widerspruchslos hingenommen hat.

7. Die Inanspruchnahme der Klägerin beruht nicht auf einem Ermessensfehler.

a) § 50 a Abs. 5 EStG i. V. m. § 73 g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sieht sowohl eine Inanspruchnahme des Steuerschuldners als auch des Haftungsschuldners vor. Für das dabei zu treffende Auswahlermessen gilt § 191 AO 1977. Diese Vorschrift ist anwendbar, da die Einsprüche gegen die Haftungsbescheide am 1. Januar 1977 noch anhängig waren (Art. 97 §§ 1, 11 EGAO 1977).

Ein Ermessensfehlgebrauch liegt nicht vor. Ist der Steuerschuldner beschränkt steuerpflichtig, so kann in der Regel der inländische Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Einer besonderen Darlegung des Auswahlermessens im Haftungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung bedarf es in derartigen Fällen nicht. Es genügt der Hinweis auf die beschränkte Steuerpflicht und den Aufenthalt im Ausland (BFH-Urteile vom 22. Oktober 1986 I R 261/82, BFHE 148, 143, BStBl II 1987, 171, 174; vom 20. Juli 1988 I R 61/85, BFHE 154, 473, BStBl II 1989, 99). Das gilt um so mehr, wenn - wie im Streitfall - der inländische Vergütungsschuldner die Abzugsteuer übernommen hat.

Das FA hat auch insoweit nicht gegen die für Ermessensentscheidungen geltenden Grundsätze verstoßen, als es im Haftungsbescheid keine Ausführungen zu der Frage machte, ob eine Inanspruchnahme der Klägerin trotz der nach dem DBA-Schweiz grundsätzlich bestehenden Steuerfreiheit angebracht sei (BFH in BFHE 154, 473, 476, BStBl II 1989, 99). Wenn nach nationalem Recht und nach DBA der Steuerabzug grundsätzlich angeordnet ist, kann im Haftungsbescheid von einer Begründung der Ermessensausübung abgesehen werden, wenn dem Empfänger des Bescheids die Auffassung der Finanzbehörde bekannt oder ohne weiteres erkennbar ist (BFH in BFHE 154, 473, 476, BStBl II 1989, 99). Diese Voraussetzung ist durch die im Fehleraufdeckungsverfahren ergangene Verfügung der OFD vom 21. Dezember 1976 und durch die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung erfüllt.

Für die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens ist im übrigen von Bedeutung, daß die von den Behörden des Wohnsitzstaates auf dem Freistellungsantrag zu erteilende Wohnsitzbescheinigung auch dazu dient, eine doppelte Freistellung zu vermeiden. Im Streitfall war die Möglichkeit einer doppelten Freistellung nicht auszuschließen, da kein Freistellungsantrag vorlag und N es ablehnte, eine Bescheinigung der schweizerischen Steuerbehörden vorzulegen.

b) Die Klägerin vertritt zu Unrecht die Auffassung, daß im Sinne eines Mitverschuldens zu berücksichtigen sei, daß das FA erkennbar zunächst - wie die Klägerin - der Auffassung war, daß die übernommene Umsatzsteuer nicht Teil der Bemessungsgrundlage des Steueranspruchs gegen N gewesen sei. Eine Berücksichtigung eigenen Verschuldens des FA ist zwar im Rahmen einer Ermessensentscheidung nicht ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 6. Oktober 1982 II R 34/81, BFHE 137, 88, BStBl II 1983, 135; vom 4. Mai 1983 II R 108/81, BFHE 138, 487, 491, BStBl II 1983, 592). Grundsätzlich sind jedoch die Vorschriften der AO über die Bestandskraft von Bescheiden in derartigen Fällen Richtschnur auch für die Ausübung des Auswahl- und des Entschließungsermessens. Wenn die Verfahrensvorschriften der AO eine Korrektur früherer Rechtsirrtümer zulassen, verstößt die Steuerbehörde in der Regel nicht gegen pflichtgemäßes Ermessen, wenn sie die daraus resultierenden Steuernachforderungen auch geltend macht. Das gilt im Streitfall um so mehr, als der Rechtsirrtum der Steuerbehörde auch der Klägerin selbst bei der Berechnung der Abzugsteuern unterlaufen ist. Das FG hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Klägerin aus den amtlichen Vordrucken für die Steueranmeldungen hätte erkennen können, daß dem Steuerabzug gemäß § 73 b EStDV der volle Betrag der Einnahmen einschließlich einer vom Vergütungsschuldner übernommenen Umsatzsteuer unterlag (vgl. Nr. 4 der Anmerkungen des Vordrucks "§ 50 a EStG 1"). Andererseits konnte das FA aus den Steueranmeldungen nicht entnehmen, daß die Klägerin die Umsatzsteuer nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen hatte.