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  BFH-Urteil vom 3.3.1993 (II R 89/89) BStBl. 1993 II S. 453

§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG setzt voraus, daß der Berechtigte das Kaufangebot zum Nutzen eigener wirtschaftlicher Interessen verwertet. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn der Benennungsberechtigte nicht in Ausübung unmittelbar eigenen wirtschaftlichen Interesses handelt, sondern in Verfolgung wirtschaftlicher Interessen Dritter (d. i. nicht des Grundstücksveräußerers oder -erwerbers), denen gegenüber er im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts vertraglich gebunden ist.

GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 7 (= GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 7).

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1989, 527)

Sachverhalt

I.

Die Kirchengemeinde A ist Eigentümerin eines Grundstücks. Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 7. Oktober 1980 bot sie von dem Kläger zu benennenden Dritten den Abschluß eines Erbbaurechtsvertrages an. Der als Treuhänder bezeichnete Kläger sollte berechtigt und bevollmächtigt sein, im Falle der Parzellierung des Erbbaugrundstücks die einzelnen Berechtigten zu bezeichnen, mit denen wegen jeder Parzelle getrennte Erbbaurechtsverträge zustande kommen sollten. Insgesamt sollten höchstens 50 Wohneinheiten entstehen. Der Treuhänder wurde darüber hinaus berechtigt und bevollmächtigt, ggf. für die Erbbauberechtigten und die Grundstückseigentümerin das Erbbaurecht nach § 3 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) zu teilen und/oder das Grundstück zu parzellieren. Der Treuhänder sollte nicht berechtigt sein, sich selbst zu benennen. Er war verpflichtet, sich neben seinen Treuhandgebühren keine zusätzlichen Vorteile von den Berechtigten gewähren oder versprechen zu lassen. Die Annahme des Angebots sollte nur durch den Treuhänder als Bevollmächtigten der von ihm benannten Erbbauberechtigten erfolgen. Sie konnte weiterhin nur dann erfolgen, wenn durch sie gleichzeitig Erbbaurechtsverträge über die gesamte Fläche abgeschlossen wurden. Die Grundstückseigentümerin band sich an dieses Angebot unwiderruflich bis zum 31. Dezember 1981. Der Inhalt der abzuschließenden Erbbaurechtsverträge war in der Urkunde festgelegt. Danach bestellte die Kirchengemeinde den jeweiligen Berechtigten zu bestimmten Bruchteilen an dem genannten Grundstück ein Erbbaurecht. Dieses sollte für 99 Jahre bestehen. Der Erbbauzins sollte jährlich 140.000 DM betragen.

Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 25. September 1981 benannte der Kläger die zur Annahme des Angebots auf Abschluß von Erbbaurechtsverträgen Berechtigten. Die benannten Berechtigten nahmen - vertreten durch den Kläger - das Angebot an. Die Eintragung der Bestellung des Erbbaurechts zugunsten der benannten Erbbauberechtigten wurde bewilligt und beantragt.

Die Erwerber wollten im Rahmen ihres Erbbaurechts Ein- oder Zweifamilienhäuser auf Grund eines "Bauherrenmodells" errichten. Die Auswahl der Berechtigten wurde von einem dem Initiator verbundenen Unternehmen vorgenommen, das für das Objekt eine Prospektwerbung betrieb. Die von dem Vertriebsunternehmen geworbenen und ausgesuchten Erwerber mußten dann zunächst einen sog. Vermittlungsauftrag an den Initiator unterschreiben. Sie mußten sodann "als Zugangsvoraussetzung zum Grundstückskaufvertrag" einen Treuhandvertrag, der einen Steuerberatungsvertrag mitenthielt, mit dem Kläger abschließen und diesem umfassende Vollmacht erteilen. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger ein Entgelt. Neben der Steuerberatung der Erwerber hatte er die Durchführung des Zahlungsverkehrs und die Abrechnung der treuhänderisch veranlaßten Zahlungen vorzunehmen. Der Kläger hatte "im Rahmen der Einbindung in das einheitliche Vertragswerk" die Pflicht, ihm von dem Vertriebsunternehmen benannte Erwerber dann seinerseits zu benennen.

Durch Bescheid vom 9. Februar 1984 setzte das beklagte Finanzamt (FA) Grunderwerbsteuer in Höhe von 22.348 DM gegen den Kläger fest. Als Bemessungsgrundlage zog es einen eigens ermittelten Einheitswert in Höhe von 1.117.400 DM heran. Auf diesen wandte es den Steuersatz von 2 v. H. an. Als Sachverhalt wurde bezeichnet "Zwischenerwerb des Benennungsberechtigten". Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA - nach vorheriger Ankündigung der Verböserungsabsicht - Grunderwerbsteuer in Höhe von nunmehr 78.218 DM fest. Es hat nunmehr den Steuersatz von 7 v. H. angewendet und im übrigen den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machte der Kläger geltend, er habe keinen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang verwirklicht.

Das Finanzgericht (FG) hat mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 527 veröffentlichten Urteil der Klage stattgegeben und die Einspruchsentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid aufgehoben. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 bzw. 7 des damals geltenden nordrhein-westfälischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sei im Streitfall nicht erfüllt. Der Kläger habe sich zwar ein Käufer-Benennungsrecht einräumen lassen, nach der Gestaltung und tatsächlichen Abwicklung des Vertragswerks habe er jedoch keine Möglichkeit gehabt, über den Treuhand- und Steuerberatungsvertrag hinaus mit den zu benennenden Erbbauberechtigten weitere Verträge gegen Honorar abzuschließen. Ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG relevantes Eigeninteresse sei nicht gegeben gewesen. Das Benennungsrecht bzw. dessen Ausübung sei lediglich ein unselbständiger Teil der Treuhänderpflichten des Klägers nach der gewählten vertraglichen Gestaltung gewesen.

Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Dieses rügt Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Im Streitfall ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG erfüllt. Zu Unrecht hat das FG dies verneint. Seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG (= § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG 1983) unterliegt der Grunderwerbsteuer die Abtretung u. a. der Rechte aus einem Kaufangebot, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot begründet. Zur Erfüllung dieses Steuertatbestands ist es erforderlich, daß ein rechtswirksames Kaufangebot eingeräumt, die Rechte daraus vom Berechtigten an einen Dritten abgetreten werden und der Kauf zwischen dem Dritten und dem Grundstückseigentümer auch tatsächlich zustande kommt (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1972 II R 162/66, BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Auf Grund der notariell beurkundeten Erklärungen vom 7. Oktober 1980 erhielt der Kläger eine Rechtsposition, die als Kaufangebot i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG zu werten ist (zur zivilrechtlichen Problematik dieses Begriffs vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juli 1974 II R 89/68, BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, daß der Kläger selbst das Angebot nicht annehmen konnte (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1981 II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269). Auf Grund der Benennung durch den Kläger sind die Verträge über die Bestellung (Übertragung) des Erbbaurechts zwischen dem Grundstückseigentümer und den vom Kläger Benannten auch zustande gekommen. Damit ist der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG insoweit erfüllt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 oder 7 GrEStG jedoch von der weiteren Voraussetzung abhängig, daß der Berechtigte das Kaufangebot zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet (vgl. dazu BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269, m. w. N.). Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn der Benennungsberechtigte eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, und sei es auch nur durch Ausübung der sonstigen Veräußerern gegebenen Möglichkeit, den jeweiligen benannten Angebotsempfänger und Annehmenden zum Abschluß weiterer Verträge zu bestimmen (vgl. Urteil vom 16. April 1980 II R 141/77, BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525).

Die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen durch den Benennungsberechtigten setzt nicht voraus, daß dieser bei der Ausübung des Benennungsrechts den erhofften wirtschaftlichen Vorteil auch tatsächlich erzielt (vgl. Senatsurteil vom 6. September 1989 II R 135/86, BFHE 158, 135, BStBl II 1989, 984). Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG ist auch dann erfüllt, wenn der Benennungsberechtigte zwar nicht in Ausübung unmittelbar eigenen wirtschaftlichen Interesses handelt, wohl aber in Verfolgung wirtschaftlicher Interessen Dritter (d. i. nicht des Grundstücksveräußerers oder -erwerbers), denen gegenüber er im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts vertraglich gebunden ist. Auch eine derartige Gestaltung ist als Handel mit Kaufangeboten zu werten, die vom Tatbestand der Vorschrift erfaßt wird.

Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger danach bei Einräumung und Ausübung des Benennungsrechts in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen gehandelt. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der Kläger nur solche Bewerber benannt hat, die zuvor einen Treuhand- und Steuerberatungsvertrag mit ihm abgeschlossen hatten, für den er ein Entgelt erhielt. Damit hat der Kläger die sonst dem Veräußerer gegebene Möglichkeit, den jeweilig benannten Angebotsempfänger und Annehmenden zum Abschluß weiterer Verträge zu bestimmen, ausgenützt (vgl. BFH in BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525). Die Tatsache, daß diese zusätzlichen Verträge von den Erwerbern vorher abgeschlossen werden mußten und der Kläger erst dann sein Benennungsrecht zu ihren Gunsten ausgeübt hat, steht der Annahme der Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen nicht nur nicht entgegen, sondern bestätigt sie geradezu. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang auch, daß der Kläger die Bewerber selbst nicht ausgesucht hat, sondern dies durch ein von ihm unabhängiges Vertriebsunternehmen erfolgte. Entscheidend ist, daß der Kläger im Ergebnis nur solche Bewerber benannt hat, die zuvor mit ihm einen über den Abschluß und die Vermittlung des Grundstückskaufvertrags hinausgehenden Dienstleistungsvertrag (z. B. Steuerberatung) abgeschlossen hatten. Die Tatsache, daß der Kläger als Steuerberater standesrechtlichen Bindungen unterlag, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Sein Interesse bei Ausübung des Benennungsrechts erschöpfte sich jedenfalls nicht in der bloßen Vermittlung des Abschlusses der Verträge.

Der Kläger war ferner seinerseits vertraglich eingebunden in ein von einer Initiatoren- und Vertriebsgruppe entwickeltes Gesamtkonzept, das darauf abzielte, nur solche Bewerber zu benennen und damit den Zugang zum Erbbaurecht zu ermöglichen, die zuvor eine ganze Reihe von in Bauherrenmodellen üblichen Verträgen mit der oder auf Veranlassung der Initiatorengruppe abgeschlossen hatten. Das Handeln des Klägers im wirtschaftlichen Interesse der Initiatoren- und Vertriebsgruppe ist in die Beurteilung miteinzubeziehen, auch wenn der Kläger seinerseits diesen gegenüber vertraglich gebunden war und sich sein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse auf einen Ausschnitt des Gesamtinteresses (Treuhand- und Steuerberatervertrag) beschränkte.

Die Tatbestandsmäßigkeit des Erwerbs des Klägers wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357, m. w. N.) als Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Erbbaurechtserwerber jeweils das Erbbaurecht in bebautem Zustand anzusehen sein wird. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG wird - unter bestimmten Voraussetzungen - die Mitwirkung am Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts besteuert, das seinerseits den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Werden zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Erwerbsvorgangs i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG weitere Verträge herangezogen, so steht dies der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG nicht entgegen.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH zutreffend hingewiesen hat -, ausgehend von seiner Rechtsauffassung, keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die eine Überprüfung der Berechnung der Bemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 2 Nr. 1, § 12 Abs. 4 GrEStG) ermöglichen. Die Sache ist daher deswegen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.