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  BFH-Urteil vom 16.3.1993 (V R 65/89) BStBl. 1993 II S. 473

Überläßt ein ausländischer Unternehmer einem inländischen Unternehmer einen Gegenstand zur Nutzung, ohne ihm die Verfügungsmacht an dem Gegenstand zu verschaffen, ist der inländische Unternehmer nicht zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.

UStG 1973/1980 § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG München (EFG 1989, 602)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Handelsvertreter in M (Inland, Erhebungsgebiet). Im wesentlichen war er für die Firma D aus M (Italien) tätig. In den Streitjahren (1979 und 1980) überließen ihm seine ausländischen Auftraggeber einen Messestand, Warenkollektionen und Gerätschaften. Der Kläger entrichtete hierfür die Einfuhrumsatzsteuer (1979 3.035,46 DM und 1980 2.444,92 DM) und machte diese als Vorsteuer geltend.

Die eingeführten Gegenstände waren für Messen bestimmt. Eigentümer blieben die Auftraggeber des Klägers. Diese hatten dem Kläger die Gegenstände in Rechnung gestellt; sie wurden von ihm aber nicht bezahlt. Nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der Firma D übergab der Kläger seinem Nachfolger den Messestand und die dieser Firma gehörende Warenkollektion. Auch im übrigen wurden die Warenkollektionen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - dem Auftraggeber wieder zurückgegeben.

Nach einer Umsatzsteuerprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Vorsteuerabzug. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Nach der Auffassung des FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 602 veröffentlicht ist, waren die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980 für den geltend gemachten Vorsteuerabzug erfüllt.

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Es meint, die in Frage stehenden Gegenstände seien nicht für das Unternehmen des Klägers eingeführt worden, da er bei der Einfuhr nicht die Verfügungsmacht an den Gegenständen erlangt habe.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Klagabweisung.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1973/1980 kann der Unternehmer die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Eine Einfuhr "für sein Unternehmen" ist gegeben, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand seinem im Inland (Erhebungsgebiet) belegenen Unternehmensbereich zuordnet, um ihn zur Ausführung von Umsätzen einzusetzen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind diese Voraussetzungen erfüllt, wenn der Unternehmer im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand besitzt (BFH-Urteile vom 24. April 1980 V R 52/73, BFHE 130, 564, BStBl II 1980, 615, und vom 12. September 1991 V R 118/87, BFHE 165, 312, BStBl II 1991, 937). Die Verfügungsmacht an den eingeführten Gegenständen hatte - nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG - indessen nicht der Kläger, sondern seine Auftraggeber. Der Kläger durfte deshalb die Einfuhrumsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen.

Während der Bezug eines Gegenstandes im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973/1980 auf einem Liefervorgang beruht, kann die Einfuhr eines Gegenstandes i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1973/1980 sowohl im Rahmen eines Liefervorgangs als auch außerhalb eines solchen durch bloßes Verbringen des Gegenstandes aus dem Ausland (Außengebiet) in das Inland (Erhebungsgebiet) erfolgen. In beiden Fällen ist nur derjenige Unternehmer zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt, der die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand hat, weil in diesem Falle der Gegenstand "für sein Unternehmen" eingeführt worden ist. Nicht entscheidend ist, wer Schuldner der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer war, wer diese entrichtet hat und wer den für den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer eingeführten Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat. Dies gilt auch dann, wenn ein vermieteter Gegenstand eingeführt wird. Auch in diesem Fall wird der Gegenstand gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1973/1980 für das Unternehmen des Vermieters und nicht für das Unternehmen des Mieters eingeführt, selbst wenn der Mieter die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet hat (vgl. BFHE 130, 564, BStBl II 1980, 615). Der Vermieter führt mit den eingeführten Gegenständen Mietumsätze im Erhebungsgebiet aus (§ 3 a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980).

Nach diesen Grundsätzen sind die bezeichneten Gegenstände nicht für das Unternehmen des Klägers eingeführt worden, da er nicht die Verfügungsmacht an den eingeführten Gegenständen hatte. In diesem Zusammenhang ist gleichgültig, ob die ausländischen Auftraggeber dem Kläger die Gegenstände vermietet, geliehen oder aufgrund eines ähnlichen Rechtsverhältnisses zur Nutzung überlassen haben.

Die Erwägungen des FG veranlassen den Senat nicht, von diesen Rechtsgrundsätzen abzugehen.

Dem FG ist zwar einzuräumen, daß es Einfuhren gibt, bei denen der zum Vorsteuerabzug berechtigte Abnehmer die Verfügungsmacht an dem gelieferten Gegenstand erst nach der Einfuhr erlangt (vgl. §§ 41, 42 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1980 und BFH-Urteil in BFHE 165, 312, BStBl II 1991, 937). Dies ändert aber nichts an dem Grundsatz, daß nur derjenige Unternehmer einen Gegenstand gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1973/1980 für sein Unternehmen einführt, der die Verfügungsmacht an dem Gegenstand im Zeitpunkt der Einfuhr besitzt. In jedem Fall muß der gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1973/1980 zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Einfuhr haben oder im Zusammenhang mit der Einfuhr erlangen.

Aus Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) vom 17. Mai 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 145, 1) folgt nichts anderes. Vielmehr unterscheidet auch diese Vorschrift zwischen den Gegenständen und den Dienstleistungen, die der Steuerpflichtige für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet. Deshalb ist nach dieser Vorschrift ebenfalls davon auszugehen, daß ein Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand für sein Unternehmen mietet, leiht oder aufgrund eines ähnlichen Rechtsverhältnisses vom Verfügungsberechtigten zur Nutzung erhält, die Vermietungsleistung oder die sonstige Dienstleistung, aber nicht den Gegenstand für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet.