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  BFH-Urteil vom 20.1.1993 (I R 54/92) BStBl. 1993 II S. 483

Erzielt die inländische Zweigniederlassung einer amerikanischen Körperschaft Zinsen von anderen amerikanischen Körperschaften, so steht der Bundesrepublik das Besteuerungsrecht gemäß Art. III Abs. 5 DBA-USA 1954/66 zu (abweichend von BFH-Urteil vom 9. Oktober 1985 I R 128/80, BFHE 145, 341, BStBl II 1988, 810).

DBA-USA 1954/66 Art. III Abs. 5, Art. VII, Art. XIV Abs. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1992, 654)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Körperschaft amerikanischen Rechts, die im Streitjahr 1977 ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), jedoch eine in das Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) hatte. In ihrer hiesigen Zweigniederlassung betrieb die Klägerin Bankgeschäfte. Sie erzielte u. a. Zinsen aus Krediten, die sie den inländischen Niederlassungen anderer in den USA ansässiger Körperschaften gewährte.

Bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1977 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) geltend, daß die Zinseinnahmen in Höhe von .... DM abzüglich der durch die Kreditgeschäfte veranlaßten Betriebsausgaben wegen Art. XIV Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 i. d. F. des Protokolls vom 17. September 1965 - DBA-USA 1954/66 - (BGBl II 1966, 746, BStBl I 1966, 866) in der Bundesrepublik steuerfrei seien.

Das FA folgte dieser Auffassung nicht. Es setzte durch Bescheid vom 29. November 1979 die Körperschaftsteuer 1977 unter Einbeziehung der genannten Zinsen in die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns fest. Seine Auffassung entspricht dem erst später ergangenen Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. September 1988 IV C 5 - S 1301 USA - 51/88 (BStBl I 1988, 410).

Der Einspruch und die sich anschließende Klage blieben erfolglos. Die Vorentscheidung, mit der das Finanzgericht (FG) von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Oktober 1985 I R 128/80 (BFHE 145, 341, BStBl II 1988, 810) bewußt abgewichen ist, ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 654 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des Art. XIV Abs. 2 DBA-USA 1954/66.

Sie beantragt, der Klage unter Aufhebung des Urteils des Hessischen FG vom 4. Juni 1992 4 K 3138/90 stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 sind Körperschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Welche Einkünfte inländische i. S. des § 2 Nr. 1 KStG 1977 sind, bestimmt sich nach § 8 Abs. 1 KStG 1977 i. V. m. § 49 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zählen zu den inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb solche, für die im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird.

Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin im Streitjahr 1977 eine nach amerikanischem Recht gegründete Körperschaft war, die im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung hatte. Sie verfügte jedoch im Inland über eine im hiesigen Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung. Eine solche ist Betriebsstätte i. S. des § 12 Satz 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und damit auch i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. In der Zweigniederlassung betrieb die Klägerin das Bankgeschäft. Dies ist eine gewerbliche Tätigkeit i. S. des § 15 EStG 1977. Zu den Einkünften der Zweigniederlassung zählten Zinseinnahmen, die die Klägerin von anderen in den USA ansässigen Körperschaften erzielte, die ebenfalls Niederlassungen in der Bundesrepublik unterhielten. Damit war die Klägerin eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft, die im Streitjahr 1977 inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erzielte.

2. Für diese Einkünfte stand der Bundesrepublik das Besteuerungsrecht nach dem DBA-USA 1954/66 zu.

a) Das DBA-USA 1954/66 ist auf den Streitfall anzuwenden, weil dieser einerseits das Streitjahr 1977, andererseits die Körperschaftsteuer (Art. II Abs. 1 Buchst. b DBA-USA 1954/66) und außerdem eine nach amerikanischem Recht errichtete Körperschaft betrifft, die in der Bundesrepublik steuerpflichtige Einkünfte erzielte (Art. II Abs. 1 Buchst. e DBA-USA 1954/66).

b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), stellen sich die im Streitfall interessierenden Zinseinkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als "Zinsen aus anderen Schuldverpflichtungen" i. S. des Art. VII Abs. 2 DBA-USA 1954/66 dar, die eine amerikanische Körperschaft erzielte. Auf diese Zinsen ist jedoch die Rechtsfolge des Art. VII Abs. 2 DBA-USA 1954/66 (= Steuerbefreiung in der Bundesrepublik) nicht anzuwenden, weil die Voraussetzungen des Art. VII Abs. 3 DBA-USA 1954/66 ebenfalls erfüllt sind. Die Klägerin unterhielt im Streitjahr eine Betriebsstätte i. S. des Art. II Abs. 1 Buchst. c (bb) DBA-USA 1954/66. Die Darlehensforderungen, für welche die Zinsen gezahlt wurden, gehörten tatsächlich zu der Betriebsstätte, weil sie als Forderungen des Betriebsstättenvermögens zu aktivieren waren. Dann aber gebietet Art. VII Abs. 3 DBA-USA 1954/66 die Nichtanwendung des Abs. 2.

c) Da auf die Zinsen Art. VII Abs. 2 DBA-USA 1954/66 nicht anzuwenden ist, fallen diese unter die gewerblichen Gewinne i. S. des Art. III Abs. 5 DBA-USA 1954/66. Es handelt sich um Einkünfte aus der aktiven Ausübung von Banktätigkeit (= Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit i. S. des Art. III Abs. 5 Halbsatz 1 DBA-USA 1954/66). Für die die Zinsen umfassenden gewerblichen Gewinne steht der Bundesrepublik das Besteuerungsrecht gemäß Art. III Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1954/66 zu. Die Klägerin ist ein amerikanisches Unternehmen i. S. des Art. II Abs. 1 Buchst. e DBA-USA 1954/66, das in der Bundesrepublik durch eine hier gelegene Betriebsstätte i. S. des Art. II Abs. 1 Buchst. c (bb) DBA-USA 1954/66 gewerblich tätig wurde. Die erzielten Zinsen sind der Betriebsstätte zuzurechnen (Art. III Abs. 5 Halbsatz 1 DBA-USA 1954/66). Zwar sind die Betriebsstätteneinkünfte auch in den USA steuerpflichtig (Art. XV Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1954/66). Jedoch wird die Doppelbesteuerung dadurch vermieden, daß die USA die deutsche Körperschaftsteuer auf die amerikanische Steuer anrechnen (Art. XV Abs. 1 Buchst. a Satz 2 DBA-USA 1954/66).

d) Art. XIV Abs. 2 DBA-USA 1954/66 steht dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik nicht entgegen. Die Vorschrift betrifft einen im Streitfall nicht einschlägigen Sachverhalt.

Art. XIV Abs. 2 DBA-USA 1954/66 stellt lediglich ein Verbot der extraterritorialen Besteuerung auf. Die Vorschrift ist mit Art. 10 Abs. 5 des OECD-Musterabkommens aus 1977 vergleichbar. Sie verbietet den Vertragsstaaten die Erhebung (in der Regel) einer (Quellen-)Steuer auf Zinsen und Dividenden nur deshalb, weil die den Zinszahlungen und Ausschüttungen zugrunde liegenden Gewinne aus dem die Steuer erhebenden Vertragsstaat stammen. Ein solcher Sachverhalt ist jedoch im Streitfall nicht gegeben, weil die Betriebsstättenbesteuerung der Bundesrepublik gemäß Art. III Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1954/66 keine extraterritoriale Besteuerung ist.

Der hier wiedergegebene Regelungsinhalt des Art. XIV Abs. 2 DBA-USA 1954/66 kommt im Wortlaut der Vorschrift insoweit zum Ausdruck, als dieser an die Ansässigkeit bzw. an das Gründungsstatut der die Dividenden oder Zinsen zahlenden Gesellschaft anknüpft. Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Zinsen von einer natürlichen Person oder einer Personengesellschaft gezahlt werden, die in den USA ansässig ist. Aus der Differenzierung folgt, daß nur die zahlende Körperschaft geschützt werden soll. Entsprechend bezieht sich Art. XIV Abs. 2 DBA-USA 1954/66 nur auf den Fall, daß in der Bundesrepublik eine Steuer auf den Gewinn einer amerikanischen Körperschaft erhoben werden sollte, die Zinsen an einen nicht in der Bundesrepublik ansässigen Gläubiger zahlt. Eine solche Steuer gibt es jedoch in der Bundesrepublik nicht. Sie wurde auch nicht in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid festgesetzt. Art. XIV Abs. 2 DBA-USA 1954/66 geht deshalb zur Zeit ins Leere. Die Vorschrift schränkt die Betriebsstättenbesteuerung durch die Bundesrepublik gemäß Art. III Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1954/66 nicht ein (vgl. Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Art. 10 Rdnr. 275). Für diese Auffassung spricht nicht zuletzt die Tatsache, daß die Verhandlungsdelegationen schon beim Abschluß des DBA-USA 1954 davon ausgingen, daß die Vorschrift keine aktuelle Bedeutung habe (vgl. BTDrucks 1953/894 S. 11 und BFH in BFHE 145, 341, BStBl II 1988, 810, unter 5.). Der Senat hält deshalb an seiner in BFHE 145, 341, BStBl II 1988, 810 vertretenen Auffassung nicht länger fest.

3. Die Vorentscheidung entspricht im Ergebnis der vom erkennenden Senat nunmehr vertretenen Rechtsauffassung. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht. Entsprechend war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.