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  BFH-Urteil vom 22.1.1993 (III R 4/92) BStBl. 1993 II S. 493

Unterstützt der Steuerpflichtige einheitlich einen Kreis unterhaltsberechtigter, in einem Haushalt zusammenlebender Personen, so sind die Zahlungen zur Berechnung des Unterhaltsfreibetrags nach § 33 a Abs. 1 EStG in Veranlagungszeiträumen ab 1986 auf Personen unter 18 Jahre einerseits und ältere Personen andererseits grundsätzlich im Verhältnis der für diese Personengruppen jeweils geltenden Unterhaltshöchstbeträge aufzuteilen.

EStG § 33 a Abs. 1 in den ab 1986 geltenden Fassungen.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Tochter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger), die im Streitjahr 1987 eine Ausbildung als .... absolvierte, lebte mit ihrem Ehemann, einem arbeitslosen ...., sowie zwei minderjährigen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. In der Zeit von März bis Dezember 1987 wurde die Familie der Tochter vom Kläger mit Zahlungen in Höhe von insgesamt 8.000 DM unterstützt.

In seiner Einkommensteuererklärung für 1987 machte der Kläger diese Zahlungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Den Bruttoarbeitslohn der Tochter im Unterstützungszeitraum bezifferte er auf 2.227 DM, die sonstigen Einkünfte und Bezüge (u. a. Wohngeld, Kindergeld und Erziehungsgeld sowie geringfügige Zinseinkünfte) auf insgesamt 9.190 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte nur zeitanteilig Aufwendungen in Höhe von 3.750 DM für den Schwiegersohn als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Im Einspruchsverfahren erließ das FA einen Teilabhilfebescheid, in dem es die Unterstützungsleistungen in Höhe von 4.000 DM berücksichtigte; im übrigen wies das FA den Einspruch zurück.

Mit der Klage beantragte der Kläger die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen in Höhe von 5.142 DM. Er vertrat die Auffassung, daß nach § 33 a Abs. 1 EStG in der ab 1986 geltenden Fassung Unterhaltsleistungen nicht mehr nach Kopfteilen zu verteilen seien. Die entsprechende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei auf die neue Rechtslage nicht mehr anwendbar. Durch die Neuregelung habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, daß der Unterhaltsbedarf einer volljährigen Person erheblich höher liege als derjenige eines Minderjährigen. Die von ihm, dem Kläger, geleisteten Gesamtzahlungen seien deshalb im Verhältnis 4.500 DM : 2.484 DM auf Eltern und Kinder zu verteilen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Zu Recht sei das FA davon ausgegangen, daß Unterhaltsaufwendungen für die Enkelkinder des Klägers nicht berücksichtigungsfähig seien, da die Tochter und der Schwiegersohn des Klägers insoweit Anspruch auf Kinderfreibeträge hätten. Der Senat sei jedoch der Auffassung, daß die Gesamtleistungen in Höhe von 8.000 DM nicht nach Kopfteilen aufzuteilen seien. Zwar sei nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) 1986/1988 eine einheitlich an mehrere Unterhaltsberechtigte erbrachte Leistung ohne Rücksicht auf einen etwa unterschiedlichen Unterhaltsbedarf gleichmäßig nach Köpfen aufzuteilen. Zur Begründung sei auf die stark typisierende gesetzliche Regelung Bezug genommen worden. Nach der gesetzlichen Neuregelung handele es sich in § 33 a Abs. 1 EStG zwar immer noch um eine typisierende Regelung, jedoch werde hinsichtlich des Unterhaltsbedarfs nunmehr zwischen Personen vor und nach Vollendung des 18. Lebensjahres unterschieden.

Der Senat nehme deshalb eine Verteilung der Gesamtaufwendungen im Verhältnis der Höchstbeträge des § 33 a Abs. 1 EStG (4.500 : 2.484 DM) vor. Auf die Tochter und den Schwiegersohn entfielen danach 64,44 % der insgesamt geleisteten Zahlungen, also 5.155,20 DM; der Senat sei insoweit aber an den auf 5.142 DM beschränkten Antrag gebunden. Dieser Betrag vermindere sich nicht nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG. Denn die nach Abschn. 190 Abs. 3 Nr. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR 1987) für die Tochter und den Schwiegersohn ermittelten Einkünfte und Bezüge beliefen sich auf 9.335 DM und überstiegen damit den zeitanteilig gekürzten anrechnungsfähigen Betrag von 7.500 DM um 1.845 DM. Der ebenfalls zeitanteilig gekürzte abzugsfähige Höchstbetrag betrage deshalb 5.655 DM (7.500 ./. 1.845 DM).

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung materiellen Rechts rügt. Es trägt im wesentlichen vor:

Maßgebend für die Verteilung einheitlicher Unterhaltsleistungen müsse nach wie vor die Rechtsprechung des BFH sein, nach der eine gleichmäßige Aufteilung nach Köpfen auf alle Familienmitglieder vorzunehmen sei. Die Änderung des § 33 a Abs. 1 EStG durch das StSenkG 1986/1988 stehe dem nicht entgegen. Grund für die Gesetzesänderung sei gewesen, daß sich für beschränkt einkommensteuerpflichtige Kinder keine höhere Steuerentlastung ergeben solle, als sie für Inlandskinder durch die Kinderfreibeträge gewährt werde.

Der auf 2.484 DM abgesenkte Unterhaltshöchstbetrag für Minderjährige korrespondiere seinem Sinn und Zweck nach in keiner Weise mit dem für erwachsene Personen geltenden Höchstbetrag. Das ergebe sich auch daraus, daß nach dem Steueränderungsgesetz 1992 der berücksichtigungsfähige Höchstbetrag für Erwachsene auf 6.300 DM und für Minderjährige auf 4.104 DM angehoben worden sei, was einer Steigerung von 40 bzw. 60 v. H. entspreche. Ferner sei zu berücksichtigen, daß die Eltern minderjähriger Kinder wegen des Unterhaltsbedarfs noch ein Kindergeld erhielten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß dem Kläger der beantragte Unterhaltsfreibetrag in Höhe von 5.142 DM zusteht.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder er noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag in Höhe von 4.500 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene volljährige Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33 a Abs. 1 EStG 1987).

Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, hat der Kläger insgesamt Unterhaltsleistungen in Höhe von 8.000 DM an seine in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann und zwei minderjährigen Kindern lebende Tochter erbracht. Der Kläger hat mithin durch seine Zahlungen einheitlich einen Kreis unterhaltsberechtigter Personen unterstützt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann bei einem Zusammenleben der unterstützten Personen in einem Haushalt grundsätzlich nicht darauf abgestellt werden, an welchen der Angehörigen jeweils einzelne Beträge oder Teilbeträge überwiesen oder übergeben worden sind, da dies häufig zu sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen und zufälligen Ergebnissen führen würde. Derartige Unterhaltsleistungen sind vielmehr nach einem abstrakten Aufteilungsmaßstab auf die einzelnen unterstützten Personen zu verteilen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 15. November 1991 III R 21/88, BFH/NV 1992, 375).

Hinsichtlich des Maßstabs für die Aufteilung derartiger einheitlicher Unterhaltsleistungen geht der BFH - für die Rechtslage vor 1986 - in ständiger Rechtsprechung von einer gleichmäßigen Aufteilung nach Köpfen aus (vgl. insbesondere Urteile vom 14. Mai 1982 VI R 136/80, BFHE 136, 213, BStBl II 1982, 776, und vom 30. Juni 1989 III R 258/83, BFHE 157, 422, 425, BStBl II 1989, 1009). Diese Rechtsprechung stützt sich auf die stark typisierende Regelung in § 33 a Abs. 1 EStG in den Fassungen vor 1986, die hinsichtlich des Alters und des Unterhaltsbedarfs der unterstützten Personen keinerlei Differenzierung vorsah. Diesem typisierenden Charakter des § 33 a Abs. 1 EStG entspreche es, an mehrere Unterhaltsempfänger einheitlich erbrachte Unterhaltsleistungen ohne Rücksicht auf einen etwaigen unterschiedlichen Unterhaltsbedarf des einzelnen Empfängers gleichmäßig nach Köpfen aufzuteilen.

Mit Inkrafttreten des StSenkG 1986/1988 hat der Gesetzgeber die vorstehend gekennzeichnete sehr weit gehende Typisierung aufgegeben. Mit der Einführung unterschiedlicher Höchstbeträge für Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs und für ältere Personen hat er dem unterschiedlichen Unterhaltsbedarf der unterstützten Personen und damit gleichzeitig dem Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit (wenigstens in etwa) Rechnung getragen. Die Splittung des Höchstbetrags ist zwar auch darauf zurückzuführen, daß für noch nicht 16 Jahre alte (ab 1992: 18 Jahre alte) Kinder eine betragsmäßige Parallelität zwischen dem Unterhaltsfreibetrag und dem Kinderfreibetrag geschaffen werden sollte, um bei sog. Auslandskindern einen gesetzlichen Ausgleich für die Nichtgewährung des Kinderfreibetrags zu schaffen. Dieser Gesichtspunkt kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch unberücksichtigt bleiben, zumal ihm Bedeutung nur im Verhältnis zwischen Steuerpflichtigem und eigenen minderjährigen Kindern zukommt, um das es hier ebensowenig geht wie um eine Auslandsbeziehung.

Da der Gesetzgeber nunmehr den unterschiedlichen Unterhaltsbedarf der unterstützten Personen berücksichtigt, liegt es nahe - insoweit in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung -, diesen Gesichtspunkt auch bei der Aufteilung einheitlicher Unterhaltsleistungen heranzuziehen. Einer Typisierung, wie sie die Rechtsprechung für Veranlagungszeiträume bis 1986 vornimmt, ist durch die gesetzliche Neuregelung der Boden entzogen, weil der Grundsatz der steuerlichen Leistungsfähigkeit zugunsten einer typisierenden Vereinfachung jedenfalls dann nicht mehr zurückgestellt werden kann, wenn der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, daß er die Typisierung nicht (mehr) für gerechtfertigt hält.

Bei der Aufteilung einheitlicher Unterhaltsleistungen an einen Kreis unterhaltsberechtigter Personen - jedenfalls wenn dazu keine Personen gehören, denen gegenüber der Steuerpflichtige gesteigert unterhaltspflichtig ist (Ehegatte, minderjährige Kinder) - ist deshalb ebenfalls der Maßstab anzulegen, den der Gesetzgeber der Bemessung der unterschiedlichen Unterhaltshöchstbeträge zugrunde gelegt hat. Für das hier zu beurteilende Streitjahr 1987 ergibt sich mithin - bei je zwei erwachsenen und minderjährigen Personen - eine annäherungsweise Aufteilung im Verhältnis von 4.500 DM : 2.484 DM, also rund 2 : 1 (so auch Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 33 a EStG Anm. 53; vgl. ferner Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Anm. 55; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 33 a Anm. 2 g, sowie das Berechnungsbeispiel im Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 2. Mai 1990, BStBl I 1990, 226, 230, unter 3. II, 3).

Eine noch weitergehende Berücksichtigung des (möglicherweise auch gesteigerten) Unterhaltsbedarfs eines Kindes, wie er z. B. bei auswärtiger Unterbringung oder höherem Alter im Ausbildungsfreibetrag zum Ausdruck kommt, hält der Senat dagegen nicht für angezeigt, weil dies nicht nur zu einer den Rahmen der hier zu beurteilenden Vorschrift überschreitenden Komplizierung führen würde, sondern wegen anderer Ausgleichsmechanismen auch nicht geboten ist.

Gegen die vorstehende - der Staffelung der Höchstbeträge Rechnung tragende - Auffassung hat Oepen (in Blümich/Oepen Einkommensteuergesetz, § 33 a Rz. 145) Bedenken geäußert. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Hinweis Oepens, daß der Unterhaltshöchstbetrag in Höhe des Kinderfreibetrags ab Veranlagungszeitraum 1988 auch für erwachsene Auslandskinder und ab Veranlagungszeitraum 1990 ferner für zwischen 27 und 29 Jahre alte Kinder in Betracht kommt (die gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst leisten), ist zwar zutreffend. Hieraus läßt sich jedoch nicht folgern, daß für Kinder stets der gleiche Unterhaltsfreibetrag wie für Erwachsene angesetzt werden müßte. Denn bei den vorerwähnten Beispielen, die in dem hier zu beurteilenden Streitjahr ohnehin noch keine Rolle spielen, handelt es sich um Sonderfälle. Daß ab Veranlagungszeitraum 1988 auch für volljährige Kinder, für die weder dem Steuerpflichtigen noch einer anderen Person ein Kinderfreibetrag zusteht, teilweise ein auf die Höhe des Kinderfreibetrags abgesenkter Unterhaltshöchstbetrag gilt, beruht auf der zum gleichen Zeitpunkt vorgenommenen Koppelung an den Ausbildungsfreibetrag, der als zusätzlicher Kinderfreibetrag für Fälle anzusehen ist, in denen typischerweise erhöhte Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes erwachsen (insoweit zutreffend Oepen, a. a. O., Rz. 205). In diesen Fällen beruht die Absenkung des Unterhaltshöchstbetrages also nicht auf dem geringeren Unterhaltsbedarf der Person, sondern letztlich auf der betragsmäßigen Angleichung an den Kinderfreibetrag.

Gehören zu dem Kreis einheitlich unterstützter Personen auch eigene minderjährige Kinder des Steuerpflichtigen, so wird sich vorrangig die Frage stellen, ob für diese Kinder nicht vorab ein Betrag in Höhe der für sie geltenden Unterhaltsfreibeträge zu berücksichtigen ist (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 226, 229, unter 2.4). Zu dieser Frage braucht der Senat hier aber nicht abschließend Stellung zu nehmen. Für den hier zu beurteilenden Normalfall der Aufteilung eines einheitlichen Unterhaltsbetrages ist jedenfalls die gesetzliche Staffelung der Unterhaltshöchstbeträge in § 33 a Abs. 1 EStG zu beachten.

Da es im Streitfall auch nicht um die Unterhaltsbeträge als solche geht, die sich, worauf das FA hingewiesen hat, inzwischen erheblich nach oben entwickelt haben, sondern um das - bislang im wesentlichen gleich gebliebene - Verhältnis der Unterhaltshöchstbeträge für Kinder zu denjenigen für Erwachsene, bestehen gegen die Berücksichtigung dieses Maßstabes in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang auch insoweit keine Bedenken.