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  BFH-Urteil vom 19.2.1993 (III R 42/92) BStBl. 1993 II S. 495

1. Einheitliche Unterhaltszahlungen an mehrere in einem Haushalt zusammenlebende Personen sind zur Berechnung des Unterhaltsfreibetrags nach § 33 a Abs. 1 EStG in Veranlagungszeiträumen ab 1986 so aufzuteilen, daß sie dem Verhältnis der gesetzlichen Unterhaltshöchstbeträge für Personen unter 18 Jahre einerseits und für Personen über 18 Jahre andererseits entsprechen.

2. Zur Berechnung im Einzelfall, wenn ein Erwachsener und zwei Minderjährige einheitlich unterstützt werden (Anschluß an Urteil vom 22. Januar 1993 III R 4/92).

EStG § 33 a Abs. 1 in den ab 1986 geltenden Fassungen.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 1988 Unterstützungszahlungen an ihre geschiedene Tochter sowie deren zwei minderjährige Kinder in Höhe von 6.000 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid jedoch lediglich einen auf die Tochter entfallenden Betrag von 2.000 DM; die beiden Enkelkinder ließ das FA unberücksichtigt, weil der Mutter hierfür Kinderfreibeträge zuständen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, daß die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG hinsichtlich der Leistungen an die Enkelkinder nicht erfüllt seien. Denn die Mutter der beiden Enkelkinder habe einen Anspruch auf Kinderfreibeträge gehabt; daß diese sich wegen fehlender Einkünfte nicht ausgewirkt hätten, sei unerheblich. Auch eine Berücksichtigung der Unterhaltsleistung nach § 33 EStG komme nicht in Betracht, da § 33 a EStG eine abschließende Sonderregelung darstelle.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen im wesentlichen vor:

Das FG stütze sich bei der vorgenommenen Pro-Kopf-Aufteilung des Unterstützungsbetrages von 6.000 DM offensichtlich auf Rechtsprechung, bei der es darum gegangen sei, eine einheitliche Unterstützungsleistung jeweils auf den Ehegatten und die eigenen Kinder des Steuerpflichtigen zu verteilen. Im Streitfall hätten sie, die Kläger, jedoch ihre eigene Tochter unterstützt. Nach der Auffassung des FG blieben nicht nur die der Tochter an sich zustehenden Kinderfreibeträge ohne Auswirkung, sondern auch die rechnerisch auf die Enkelkinder entfallenden Unterhaltsleistungen.

Im übrigen widerspreche eine Aufteilung der Unterhaltsleistungen beim Zusammentreffen von Unterhaltsansprüchen bei Abkömmlingen ersten und zweiten Grades überhaupt dem Grundsatz des § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Denn der Anspruch ihrer Tochter gehe den Ansprüchen der Abkömmlinge der Tochter vor. Da die Tochter andererseits ihren Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet sei, umfasse deren Unterhaltsanspruch alles, was notwendig sei, um ihr und ihren Kindern ein angemessenes Auskommen zu ermöglichen.

Verfahre man so, werde jedoch der Höchstbetrag nach § 33 a Abs. 1 Nr. 2 EStG überschritten. § 33 a EStG sei insoweit verfassungswidrig.

Zu prüfen sei aber auch, ob die von den Vorinstanzen und der herrschenden Meinung vertretene Ansicht, daß § 33 a EStG die Anwendung des § 33 EStG in seinem Bereich ausschließe, zutreffend sei. Richtiger Ansicht nach dürfe die Berücksichtigung von Sachverhalten, die von § 33 a EStG nicht umfaßt seien, im Rahmen des § 33 EStG nicht ausgeschlossen sein.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder er noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 4.500 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene volljährige Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33 a Abs. 1 EStG 1988).

Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, haben die Kläger insgesamt Unterhaltsleistungen in Höhe von 6.000 DM an ihre geschiedene Tochter und deren zwei minderjährige Kinder erbracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann bei einem Zusammenleben der unterstützten Personen in einem Haushalt grundsätzlich nicht darauf abgestellt werden, an welchen der Angehörigen jeweils einzelne Teilbeträge überwiesen oder übergeben worden sind, da dies häufig zu sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen und zufälligen Ergebnissen führen würde. Derartige Unterhaltsleistungen sind vielmehr nach einem abstrakten Aufteilungsmaßstab auf die einzelnen unterstützten Personen zu verteilen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 15. November 1991 III R 21/88, BFH/NV 1992, 375).

Von einer Aufteilung kann auch nicht deshalb abgesehen werden, weil die Tochter der Kläger den eigenen Kindern gegenüber ebenfalls unterhaltspflichtig ist. Denn § 33 a Abs. 1 EStG umfaßt den Unterhaltsbedarf der unterhaltsberechtigten Person typisierend und ohne Rücksicht auf deren tatsächlich entstandene Unterhaltskosten. Für die Anwendung des § 33 a Abs. 1 EStG ist es deshalb erst recht unerheblich, ob und inwieweit die unterstützte Person ihrerseits unterhaltspflichtig ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1990 III R 111/86, BFHE 162, 231, 234, BStBl II 1991, 62).

Hinsichtlich des Maßstabs für die Aufteilung derartiger einheitlicher Unterhaltsleistungen geht der BFH - für die Rechtslage vor 1986 - in ständiger Rechtsprechung von einer gleichmäßigen Aufteilung nach Köpfen aus (vgl. insbesondere Urteile vom 14. Mai 1982 VI R 136/80, BFHE 136, 213, BStBl II 1982, 776, und vom 30. Juni 1989 III R 258/83, BFHE 157, 422, 425, BStBl II 1989, 1009). Diese Rechtsprechung stützt sich auf die stark typisierende Regelung in § 33 a Abs. 1 EStG i. d. F. vor 1986, die hinsichtlich des Alters und des Unterhaltsbedarfs der unterstützten Personen keinerlei Differenzierungen vorsah. Diesem typisierenden Charakter des § 33 a Abs. 1 EStG entspreche es, an mehrere Unterhaltsempfänger einheitlich erbrachte Unterhaltsleistungen ohne Rücksicht auf einen etwaigen unterschiedlichen Unterhaltsbedarf des einzelnen Empfängers gleichmäßig nach Köpfen aufzuteilen.

Mit Inkrafttreten des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 hat der Gesetzgeber die vorstehend gekennzeichnete sehr weit gehende Typisierung aufgegeben und mit der Einführung unterschiedlicher Höchstbeträge für Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einerseits und erwachsenen Personen andererseits dem unterschiedlichen Unterhaltsbedarf der unterstützten Personen - wenigstens in etwa - Rechnung getragen.

Mit Rücksicht hierauf hat der Senat durch Urteil vom 22. Januar 1993 III R 4/92 (BFHE 170, 378, BStBl II 1993, 493) entschieden, daß das für die betreffenden Personengruppen jeweils geltende Verhältnis der Unterhaltshöchstbeträge annäherungsweise auch bei der Aufteilung einheitlicher Unterhaltszahlungen auf die betreffenden Personen zugrunde zu legen ist. Der Senat ist deshalb in dem genannten Urteil bei Zugrundelegung des auch in dem hier zu beurteilenden Streitjahr maßgebenden Verhältnisses von 4.500 DM zu 2.484 DM zu einer Aufteilung im Verhältnis von 2 : 1 auf Erwachsene einerseits und minderjährige, nicht zu den eigenen minderjährigen Kindern des Steuerpflichtigen zählende Personen andererseits gelangt. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil III R 4/92 (a. a. O.) Bezug.

Die Anwendung des vorstehend gekennzeichneten Aufteilungsmaßstabs führte im Urteil III R 4/92 auch im Verhältnis beider Personengruppen zu einer Aufteilung 2 : 1, weil beide Gruppen aus je zwei Personen bestanden. Im hier zu beurteilenden Streitfall stehen einer erwachsenen Person jedoch zwei minderjährige Personen gegenüber. Dies muß zu einer Aufteilung der Gesamtleistung von 6.000 DM in Höhe von 3.000 DM auf die Mutter und von je 1.500 DM auf die beiden Kinder führen; denn nur so ist der Maßstab 2 : 1 im Verhältnis jedes der beiden Kinder zur Mutter gewahrt. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wirken sich die Zahlungen an die Enkelkinder nicht aus, da der Mutter für diese jeweils ein Kinderfreibetrag zusteht.

Der danach auf die (erwachsene) Tochter der Kläger entfallende Unterstützungsbetrag von 3.000 DM liegt innerhalb des Unterhaltshöchstbetrages nach § 33 a Abs. 1 EStG. Die von den Klägern offenbar auch für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob der im Streitjahr für erwachsene Unterstützungsempfänger geltende Höchstbetrag von 4.500 DM in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen ist, stellt sich mithin im vorliegenden Fall nicht.

Ob den Klägern tatsächlich wegen der Unterstützung ihrer erwachsenen Tochter ein Unterhaltsfreibetrag in Höhe von 3.000 DM zusteht, kann der Senat nicht entscheiden, da dies gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG von der Höhe der eigenen anderen Einkünfte und (anrechenbaren) Bezüge der Tochter abhängt. Dazu fehlen entsprechende Feststellungen des FG.

Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache, die nicht spruchreif ist, ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholt.

Soweit danach der Klageantrag nach § 33 a Abs. 1 EStG nicht begründet ist, kann er auch nach § 33 EStG keinen Erfolg haben. Denn für typische Unterhaltsaufwendungen ist § 33 a EStG eine spezialgesetzliche Regelung, die die Anwendung des § 33 EStG daneben ausschließt. Besondere Unterhaltsaufwendungen für die Enkelkinder, wie etwa Krankheitskosten, die auch dann gemäß § 33 EStG berücksichtigungsfähig sein können, wenn sie von Dritten getragen werden (vgl. auch insoweit Urteil in BFHE 162, 231, 235, BStBl II 1991, 62), haben die Kläger nicht geltend gemacht.