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  BFH-Urteil vom 4.3.1993 (V R 68/89) BStBl. 1993 II S. 527

Gibt eine Sparkasse Werbeartikel unentgeltlich ab, sind die Umsatzsteuern, die ihr für die Lieferung der Werbeartikel berechnet worden sind, im Verhältnis ihrer steuerfreien Umsätze zu den gesamten Umsätzen i. S. von § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG 1980 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

UStG 1980 § 15 Abs. 2 und 4.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1989, 433)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine Sparkasse - führte in den Streitjahren 1981 zu 99,75 v. H. und 1982 zu 99,91 v. H. steuerfreie, im übrigen steuerpflichtige Umsätze aus. Sie gab unentgeltlich Werbeartikel mit einem Wert von weniger als 50 DM je Gegenstand an Kunden ab. Aus Rechnungen über die Lieferung dieser Werbeartikel machte sie den Vorsteuerabzug geltend, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1981 und 1982 versagte. Das FA vertrat - auch in der Einspruchsentscheidung - die Auffassung, der Vorsteuerabzug sei ausgeschlossen, weil die Werbeartikel für steuerfreie Umsätze i. S. von § 15 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 verwendet würden.

Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 433 veröffentlicht worden ist, folgte dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Juli 1988 X R 50/82 (BFHE 154, 390, BStBl II 1988, 1015), wonach der mit der Weitergabe der Werbeartikel unmittelbar angestrebte steuerbare Verwendungsumsatz durch steuerfreie Bankgeschäfte (§ 4 Nr. 8 UStG) den Vorsteuerabzug ausschließe (§ 15 Abs. 2 UStG 1973). Diese Beurteilung hielt das FG auch für die seit 1980 geänderte Rechtslage für maßgeblich. Die Regelung in § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 über den Ausschluß vom Vorsteuerabzug bei unentgeltlichen Lieferungen, die im Falle der Entgeltlichkeit steuerfrei wären, stehe dem Vorsteuerausschluß bei derartigen Lieferungen, die bei Entgeltlichkeit steuerpflichtig wären, nicht entgegen, wenn die unentgeltliche Weitergabe von Leistungsbezügen wirtschaftlich mit steuerfreien, den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 ausschließenden Hauptumsätzen zusammenhänge.

Das FG teilte die Vorsteuerbeträge aus dem Bezug der Werbeartikel gemäß § 15 Abs. 5 UStG nach dem Verhältnis der Ausschlußumsätze zu den übrigen Umsätzen auf und ließ für 1981 Vorsteuerbeträge von 0,25 v. H. und für 1982 Vorsteuerbeträge von 0,09 v. H. zum Abzug zu.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 15 Abs. 2 UStG 1980.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung bei der Steuerfestsetzung für 1981 und 1982 den Abzug der streitigen Vorsteuerbeträge für den Bezug von Werbeartikeln zuzulassen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der unentgeltlich abgegebenen Werbeartikel ausgeschlossen ist, soweit er den steuerfreien Umsätzen der Klägerin nach § 4 Nr. 8 UStG 1980 wirtschaftlich zuzurechnen ist. Die Aufteilung der nichtabziehbaren und der abziehbaren Vorsteuerbeträge ist zwar nicht nach § 15 Abs. 5 UStG 1980, aber als Schätzung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG 1980 vertretbar.

1. Die Klägerin hat die Lieferung der Werbeartikel für ihr Unternehmen bezogen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980), weil sie diese ihre Umsatztätigkeit fördernden Gegenstände ihrem Unternehmen zugeordnet hat.

2. Der Vorsteuerabzug ist jedoch nicht insgesamt, sondern nur zum Teil möglich, weil die Klägerin die für ihr Unternehmen gelieferten Werbeartikel teils für Umsätze verwendet hat, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (z. B. für steuerpflichtige Lieferungen von Gold und Silber als Barren oder Münzen, vgl. § 4 Nr. 8 Buchst. b Satz 2 UStG 1980), teils für Umsätze eingesetzt hat, die den Vorsteuerabzug ausschließen (z. B. für steuerfreie Kreditgewährung, vgl. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1980).

Da die Werbegeschenke den bezeichneten Verwendungsumsätzen nicht ausschließlich zugerechnet werden können, sind die Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 bis 6 UStG 1980 aufzuteilen (vgl. zur Vorsteueraufteilung BFH-Urteil vom 12. März 1992 V R 70/87, BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755, unter II. 1. a). Gemäß § 15 Abs. 4 UStG 1980 ist der Vorsteuerabzug im Streitfall nur in dem Umfang zugelassen, in dem die angeschafften (bezogenen) Werbegeschenke wirtschaftlich den Verwendungsumsätzen zuzurechnen sind, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Wirtschaftlich ist eine für das Unternehmen angeschaffte Leistung den "Umsätzen" (vgl. § 15 Abs. 4 UStG 1980) - das sind die in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG 1980 bezeichneten Tatbestände - zuzurechnen, die durch sie gefördert werden und die den Leistungsbezug nach den objektiven Gegebenheiten veranlaßt haben. Durch die unentgeltliche Abgabe einer bezogenen Leistung aus unternehmerischen Gründen führt der Unternehmer keinen Umsatz i. S. von § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG 1980 aus. Das Gesetz fingiert lediglich in § 15 Abs. 2 vor Nummer 1 UStG 1980 für den Ausschluß vom Vorsteuerabzug auch die unentgeltliche Lieferung oder sonstige Leistung, die steuerfrei wäre, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würde (§ 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980), als Umsatz. Dies geschieht durch die in das UStG 1980 neu eingefügte Vorschrift nur, um den Vorsteuerabzug über § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 hinaus auszuschließen. In der Erweiterung des Vorsteuerausschlusses erschöpft sich die Beurteilung der unentgeltlichen Verwendung als Umsatz (vgl. dazu auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum UStG 1980, B. zu § 15 Abs. 2 Nr. 3, BRDrucks 145/78, BTDrucks 8/1779). Darüber hinaus gilt die unentgeltliche Verwendung nicht als Verwendungsumsatz. Deshalb ist der von der Klägerin gezogene Umkehrschluß nicht gerechtfertigt, daß unentgeltliche Lieferungen, die steuerpflichtig wären, wenn sie entgeltlich ausgeführt würden, Verwendungsumsätze seien, die den Vorsteuerabzug zulassen.

a) Im Streitfall ist der Teil der Vorsteuerbeträge für die Lieferung von Werbeartikeln nicht abziehbar (§ 15 Abs. 2 UStG 1980), der den zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden steuerfreien Umsätzen der Klägerin nach § 4 Nr. 8 UStG 1980 wirtschaftlich zuzurechnen ist. Die Unternehmertätigkeit der Klägerin ist - ganz überwiegend - auf entgeltliche steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 UStG 1980 gerichtet, die den Vorsteuerabzug ausschließen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Die Abgabe der Werbeartikel sollte diese Umsätze fördern.

b) § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Vorschrift ist nicht anwendbar. Danach ist vom Vorsteuerabzug u. a. ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen von Gegenständen, die der Unternehmer zur Ausführung von unentgeltlichen Lieferungen verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden. Da die Lieferung der Werbeartikel gegen Entgelt nicht steuerfrei, sondern steuerpflichtig wäre, schließt die bezeichnete Vorschrift den Vorsteuerabzug nicht aus. Sie eröffnet den Vorsteuerabzug aber auch nicht - wie ausgeführt - durch Umkehrschluß.

c) Dies wäre auch mit der Regelung des Vorsteuerabzugs in Art. 17 Abs. 2 der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie (UStR EWG), die durch § 15 Abs. 2 und 3 UStG 1980 umgesetzt werden sollte (vgl. Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs zum UStG 1980, a. a. O., zu § 15 Abs. 2), unvereinbar. Nach Art. 17 Abs. 2 der 6. UStR EWG ist der Steuerpflichtige befugt, Vorsteuerbeträge abzuziehen, soweit er Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner "besteuerten Umsätze" verwendet.

Die unentgeltliche Abgabe von Werbegeschenken ist kein besteuerter Umsatz, weil Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens einer Lieferung gegen Entgelt nach Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der 6. UStR EWG nicht gleichgestellt werden. Der Ausschluß der Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Muster nach Art. 5 Abs. 6 der 6. UStR EWG setzt gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 der 6. UStR EWG voraus, daß der Vorsteuerabzug zulässig war und daß sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrages berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben.

3. Der Senat entscheidet abschließend. Zwar stand eine Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 5 UStG 1980 nur dem Unternehmer zu. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die vom FG vorgenommene Aufteilung der Vorsteuerbeträge nicht auch als sachgerechte Schätzung der nichtabziehbaren Teilbeträge nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG 1980 anerkannt werden kann; denn es ist nicht anzunehmen, daß die Klägerin mit den Werbeartikeln für steuerpflichtige Umsätze (0,25 v. H. im Jahr 1981 und 0,09 v. H. im Jahr 1982) in höherem Umfang geworben hat, als dies dem Umsatzverhältnis entspricht.