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  BFH-Urteil vom 16.3.1993 (XI R 103/90) BStBl. 1993 II S. 531

§ 14 Abs. 3 Satz 2 UStG setzt voraus, daß die in einer Urkunde als Aussteller bezeichnete Person in irgendeiner Weise an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat.

UStG 1980 § 14 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) meldete am 28. Februar 1983 bei der Stadt K einen Gewerbebetrieb "Holz- und Bautenschutz" an; als Beginn der Tätigkeit wurde der 1. März 1983 angegeben, als Betriebsstätte die Adresse H-Straße 18, in K. Laut Mitteilung der Stadt K vom 31. Mai 1983 wurde der Betrieb am 3. Mai 1983 eingestellt.

Aufgrund von Kontrollmitteilungen lagen dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) Rechnungen vor, die im Kopf die Aufschrift "Akustikbau G. F. (= Name des Klägers)" trugen. Unter der Adressenangabe war vermerkt: Bauleitung: G. S. + J. Z. Das FA veranlagte den Kläger im Wege der Schätzung zur Umsatzsteuer. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung; ein vom Kläger eingelegter Einspruch blieb mangels Begründung erfolglos.

Im weiteren Verlauf des Besteuerungsverfahrens kam das FA zu der Auffassung, daß die in Rechnung gestellten Leistungen nicht vom Kläger, sondern von einer aus S und Z bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ausgeführt worden seien. Das FA änderte daraufhin den gegen den Kläger ergangenen Bescheid gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und zog ihn in Höhe der in den Abrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) zur Umsatzsteuer heran.

Der Einspruch blieb erfolglos; das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit folgender Begründung statt:

§ 14 Abs. 3 UStG sei nicht anwendbar. Dem FA sei zwar darin zu folgen, daß der Kläger nach dem äußeren Bild der Abrechnungen als leistender Unternehmer erscheine. Die Beweisaufnahme habe indessen ergeben, daß der Kläger weder die Abrechnung persönlich erstellt noch entsprechende Blankopapiere in den Verkehr gebracht habe. Der Senat sehe es als erwiesen an, daß der Kläger weder bei dem Entwurf und Druck der Abrechnungen beteiligt gewesen sei noch den als Zeugen vernommenen Z und S Blankopapiere überlassen habe.

Nach den übereinstimmenden Äußerungen beider Zeugen, die der Senat als glaubhaft ansehe, hätten diese die Rechnungsvordrucke selbst und ohne Beteiligung des Klägers fertigen lassen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Kläger bereits ausgeschieden gewesen sei.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne ferner nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, daß der Kläger S und Z ausdrücklich dazu ermächtigt habe, auf ihn lautende Rechnungen in den Verkehr zu bringen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, weder die Rechnungsvordrucke gekannt noch von der Führung des Unternehmens unter seinem Namen gewußt zu haben. Auch wenn man diese Äußerungen als nicht glaubhaft betrachte, so habe die Beweisaufnahme gleichwohl keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür geliefert, daß der Kläger die Zeugen zur Verwendung seines Namens ermächtigt und hierzu sein Einverständnis erteilt habe. Halte man die Einlassungen der Zeugen und des Klägers insoweit für nicht glaubhaft, als der Kläger zumindest Kenntnis davon erlangt habe, daß die Rechnungen auf seinen Namen lauteten, so reiche dies für die Tatbestandserfüllung des § 14 Abs. 3 UStG nicht aus. Denn ein schlichtes, hinnehmendes Dulden der Namensverwendung genüge nicht, um die Rechnungserteilungen dem Kläger zuzurechnen.

Mit der Revision rügt das FA, daß das Urteil des FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche und daß das FG nicht habe offenlassen dürfen, ob der Kläger von der Verwendung seines Namens gewußt habe.

1. Mit Urteil vom 5. August 1988 X R 66/89 (BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019) habe der BFH entschieden, daß § 14 Abs. 3 UStG auch dann einschlägig sei, wenn neben ein "stillschweigendes Hinnehmen" eine Handlung trete, die eine Zurechnung der ausgestellten Rechnung erlaube. Im Streitfall habe der Kläger durch die Anmeldung des Gewerbebetriebs, durch die Absprache mit den Zeugen S und Z sowie durch die angebliche Gewinnung von Kunden zur Ausstellung von Rechnungen unter seinem Namen beigetragen.

Der Kläger habe von der Ausstellung der Rechnungen gewußt, da sein gesamtes Vorgehen darauf gerichtet gewesen sei, "Abdeckrechnungen" für die GbR zu ermöglichen. Die Aussage des Zeugen Z, die Firmenbezeichnung "Akustikbau G. F." sei mit Rücksicht auf die Kundschaft benutzt worden, sei unglaubhaft, da im wesentlichen nur ein Abnehmer, eine Firma Sch, vorhanden gewesen sei, der - wie der Kläger selbst habe vortragen lassen - von der Unternehmereigenschaft der GbR gewußt habe. Auffällig sei zudem, daß die Aussagen der Zeugen bis ins Detail übereinstimmten. Den Zeugenaussagen könne deshalb nicht gefolgt werden. Ggf. hätten weitere Zeugen, wie etwa der Geschäftsführer der Firma Sch, gehört werden müssen.

2. Gehe man davon aus, daß ein schlichtes Dulden der Verwendung des eigenen Namens für fremde Rechnungen für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG ausreiche, hätte entschieden werden müssen, ob der Kläger hiervon gewußt habe.

3. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trägt das FA mit Schriftsatz vom 27. Dezember 1990 weiter vor, daß das angegriffene Urteil gegen Denkgesetze und gegen das Urteil in BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019 verstoße. Das Urteil habe offengelassen, ob der Kläger von der Ausstellung auf seinen Namen gewußt habe; diese Frage sei aber entscheidungserheblich.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen, und trägt vor:

1. Die Revisionsschrift lasse nicht erkennen, daß ein Verstoß gegen Bundesrecht gerügt werde.

2. Das zitierte BFH-Urteil betreffe einen anderen Sachverhalt; in diesem Fall habe ein Nichtunternehmer durch Hingabe eines blanko unterschriebenen Blattes die Verwendung als Rechnung durch dritte Personen hingenommen.

3. Das FA greife unzulässigerweise den festgestellten Sachverhalt an. Soweit das FA ausführe, daß der Kläger von der Ausstellung von Rechnungen gewußt habe, widerspreche dies den tatsächlichen Feststellungen des FG. Zu der Verwendung der Rechnungen habe der Kläger nichts beigetragen. Weder habe er die Zeugen Z und S dazu ermächtigt, noch habe er ein Blankopapier in Umlauf gebracht, noch die Rechnungsformulare erstellt, noch in irgendeiner Form auf die Erstellung und Erteilung der Rechnungen hingewirkt. Er habe davon nichts gewußt. Diese Beurteilung habe das FG nicht offengelassen, denn - so das FG - es sei als glaubhaft anzusehen, daß die beiden Zeugen die Rechnungsvordrucke selbst und ohne Beteiligung des Klägers hätten fertigen lassen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Kläger bereits ausgeschieden gewesen sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zulässig. In der Revisionsbegründungsschrift bringt das FA mit noch hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß die fehlerhafte Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG gerügt wird.

Die Revision ist aber gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß § 14 Abs. 3 UStG im Streitfall nicht anwendbar ist.

1. Führt jemand eine Lieferung oder Leistung nicht aus, so schuldet er gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG den in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag.

Zweck des § 14 Abs. 3 UStG ist es, Mißbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern (vgl. den Bericht des Finanzausschusses über den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes - Nettoumsatzsteuer -, BTDrucks 5/1581, S. 15). Dementsprechend ist die Vorschrift als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Derjenige, der mit einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 UStG) oder einer anderen Urkunde das Umsatzsteueraufkommen gefährdet oder schädigt, muß hierfür einstehen. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es nicht an. Der gesetzliche Tatbestand verlangt weder, daß der Aussteller der Rechnung (bzw. der Urkunde) die mißbräuchliche Verwendung der Rechnung durch den Rechnungsempfänger kennt, noch ist eine dahin gehende Absicht erforderlich (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile in BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019, und vom 30. Juli 1992 V R 73/88, nicht veröffentlicht - n. v. -; BFH-Beschluß vom 23. Juli 1992 V B 90/91, n. v.).

§ 14 Abs. 3 UStG setzt voraus, daß jemand eine Urkunde erstellt (Ausstellung) und diese an den Adressaten aushändigt (Begebung). Damit betätigt der Aussteller seinen Willen, die Urkunde in den Verkehr zu bringen. Bei dieser Willensbetätigung genügt es, wenn der Aussteller in Kauf nimmt, daß der Adressat von dem Papier als Rechnung Gebrauch macht. Ist der Adressat bereits im Besitz des Papiers, steht es der Begebung gleich, wenn der Aussteller in die Verwendung des Papiers als Rechnung (ausdrücklich oder durch konkludentes Handeln) einwilligt. Hat der Aussteller eine Abrechnung mit den Merkmalen einer Rechnung im Entwurf angefertigt, ohne entschlossen zu sein, die Lieferung oder Leistung zu erbringen, und gerät das Papier ohne Begebung in die Hand des in ihm genannten Adressaten, so steht das Wissen um diesen Sachverhalt und die Inkaufnahme einer etwaigen Verwendung als Rechnung einer Begebung gleich (BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 146/73, BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283).

Eine in den Regelungsbereich des § 14 Abs. 3 UStG fallende Gefährdung liegt z. B. auch dann vor, wenn dem Empfänger ein blanko unterschriebenes Papier ausgehändigt und dieser in die Lage versetzt wird, es für umsatzsteuerliche Zwecke zu verwenden (BFH-Urteil in BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019) oder wenn in eine nicht eigenhändig gefertigte Abrechnung Einsicht genommen und anschließend wieder dem Leistungsempfänger zur beliebigen Verwendung überlassen wird (BFH-Urteil vom 16. März 1988 X R 7/80, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1989, 382).

Im Streitfall hat der Kläger nach den vom FG getroffenen Feststellungen weder ein Rechnungspapier ausgestellt noch hat er ein solches Papier in den Verkehr gebracht. Die Ausstellung einer solchen Urkunde - und sei es nur in Form eines mit einer Blankounterschrift versehenen Papiers oder eines Entwurfs oder in Gestalt der Erstellung von Rechnungsformularen - ist notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG. Da der Kläger - wiederum nach den Feststellungen des FG - an der Erstellung der Urkunden in keiner Weise mitgewirkt hat - auch nicht durch ausdrückliche oder konkludente Bevollmächtigung oder Ermächtigung von S und Z -, kann er nicht als Aussteller der Papiere in Anspruch genommen werden. Ob der Kläger von deren Verwendung Kenntnis hatte, ist - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - in diesem Fall unerheblich.

Die auf den Namen des Klägers ausgestellten Abrechnungen können ihm - entgegen der Auffassung des FA - auch nicht deshalb zugerechnet werden, weil er auf seinen Namen ein Gewerbe angemeldet hatte. Dieser Umstand allein berechtigt nicht, dem Kläger die unter seinem Namen ausgestellten Papiere zuzurechnen. Wie dargestellt setzt die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG voraus, daß der Kläger in irgendeiner Weise an der Ausstellung der Urkunden beteiligt war.

2. Der Senat ist an die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden; das FA hat in bezug auf diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Denkgesetze vor (dazu vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Tz. 20, 39 f.). Das FG konnte im Streitfall offenlassen, ob der Kläger von der Verwendung auf seinen Namen lautender Abrechnungen Kenntnis hatte.