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  BFH-Urteil vom 16.3.1993 (XI R 52/90) BStBl. 1993 II S. 562

1. Der Gesellschafter einer GbR kann allein durch Vermietung eines Gegenstandes an die Gesellschaft Unternehmer werden (Anschluß an BFH-Urteil vom 7. November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269).

2. Der Leistungsaustausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft ist nicht bereits dann zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, diese aber nicht vertragsgemäß vollzogen werden, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913).

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Rechtsanwaltssozietät, schloß am 3. Januar 1982 mit ihren Mitgliedern X und Y Mietverträge, wonach diese der Klägerin je einen PKW zur betrieblichen Nutzung überließen. "Zur Abdeckung des beruflichen Zwecken dienenden Anteils" sollte die Klägerin hierfür an X und Y jährlich jeweils 8.500 DM zuzüglich Umsatzsteuer zahlen. Mit Wirkung ab Juli 1984 sind diese Verträge nach Darlegung der Klägerin wegen der unterschiedlichen Nutzung der Fahrzeuge mündlich geändert worden. X sollte nunmehr einen monatlichen Mietpreis von netto 920,83 DM, Y von 495,83 DM erhalten. Der Gesamtaufwand sollte aber nach wie vor 17.000 DM jährlich nicht überschreiten. Die Mieten wurden zunächst nicht an X und Y ausgezahlt. Nach Darlegung der Klägerin bestand die mündliche Übereinkunft, daß sie als Gesellschaftereinlagen auf dem Betriebskonto stehenbleiben sollten. Dementsprechend wurden sie zwar als Aufwand in der Buchführung der Klägerin erfaßt, sodann aber dem jeweiligen Gesellschafterkapitalkonto gutgebracht.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ in den geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen 1982 bis 1984 die von der Klägerin aus den Mietverträgen geltend gemachten Vorsteuern wegen Gestaltungsmißbrauchs (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) nicht zum Abzug zu. Da die Fahrzeuge von den jeweils vermietenden Eigentümern im wesentlichen eigengenutzt worden seien, fehle es überdies an einer Leistung an die Klägerin bzw. an einer Verwendung durch diese. Außerdem seien die Mietverträge tatsächlich nicht so, wie vereinbart, durchgeführt worden, da keine Zahlungen an X und Y erfolgt seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1991, 20 wiedergegebenen Gründen als unbegründet ab. Es war der Meinung, die Kfz-Überlassung sei unentgeltlich erfolgt, weil die Mietvereinbarungen nicht, wie erforderlich, dem entsprächen, was unter fremden Dritten üblich sei.

Während des Klageverfahrens vor dem FG hat das FA unter dem 23. August 1989 für das Jahr 1982 einen gemäß § 172 AO 1977 geänderten Umsatzsteuerbescheid erlassen, den die Klägerin gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer 1982 bis 1984 unter Abzug der Vorsteuern aus den Kfz-Mietverträgen festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das Kfz wurde der Klägerin nicht unentgeltlich überlassen. Das FG hat zu Unrecht darauf abgestellt, die zwischen ihr und den beiden Sozien geschlossenen Mietverträge entsprächen nicht dem, was unter fremden Dritten üblich sei.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann ein Unternehmer unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen als Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellten Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Unternehmer in diesem Sinne ist, wer nachhaltig (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980) Leistungen gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erbringt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Mai 1988 V R 115/83, BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916; vom 28. September 1988 X R 6/82, BFHE 155, 204, BStBl II 1989, 122; vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH richtet sich die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft danach, ob es sich um Leistungen handelt, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, oder um Leistungen, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden. Steuerbare entgeltliche Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 sind gegeben, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft beruhen, die auf den Austausch der Gesellschafterleistungen gegen Entgelt ausgerichtet sind (BFH-Urteile vom 10. Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757, mit Nachweisen; vom 7. November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269).

2. Diese Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch haben X und Y durch Vermietung ihrer Fahrzeuge an die Klägerin gegen (Miet-)Entgelt verwirklicht.

a) Nach den zwischen der Klägerin und ihren beiden Gesellschaftern getroffenen Abmachungen sollten die Kfz gegen Zahlung eines Entgeltes "zur Abdeckung des beruflichen Zwecken dienenden Anteils" zur Nutzung überlassen werden. Zu zahlen war im Ergebnis damit der Unterschiedsbetrag zwischen dem eigentlichen Nutzungsentgelt und dem X und Y durch die private Nutzung der Fahrzeuge entstandenen Aufwand. Haben sich die Beteiligten in dieser Weise über Leistung und Gegenleistung geeinigt, so geschieht das eine - die Erbringung der Leistung - um des anderen - der Gegenleistung - willen. Dafür, daß die Überlassung der Fahrzeuge nur als Gesellschafterbeitrag erfolgte, ist demgegenüber nichts ersichtlich (vgl. auch Senatsurteil vom 16. März 1993 XI R 44/90, BStBl II 1993, 529, mit Nachweisen).

b) Das FG hat sich auf den Standpunkt gestellt, die getroffenen Abmachungen widersprächen dem, was unter Fremden üblich ist. Sie seien nicht in der vereinbarten Weise vollzogen worden. Es fehle deshalb an der erforderlichen wechselseitigen Verknüpfung. Die erbrachte Nutzungsüberlassung sei steuerlich als unentgeltlich zu behandeln. Dem ist nicht zu folgen. Wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913 ausgeführt hat, kommt es im Umsatzsteuerrecht anders als im Ertragsteuerrecht auf eine derartige an einem Fremdvergleich orientierte Beurteilung von Leistungsbeziehungen, selbst wenn es sich um die Beurteilung von Leistungsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen handelt, nicht an. Das Umsatzsteuerrecht besteuert nicht gegenseitige Leistungspflichten, sondern tatsächliche Vorgänge (in der Regel die Erfüllung der Leistungspflichten); Gegenstand des umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs ist, was der Leistende tatsächlich erbracht hat. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorgenannte Entscheidung.

c) Allerdings ist es erforderlich, daß der Leistende bei Erbringung seiner Leistung von vornherein als sicher damit rechnen muß, ein Entgelt als Gegenleistung zu erhalten. Daran kann es fehlen, wenn die bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen nicht ernsthaft vereinbart worden sind oder ggf. ein Scheingeschäft vorliegt (vgl. BFH-Urteile vom 10. Februar 1988 X R 16/82, BFHE 153, 150, BStBl II 1988, 640; in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913). Die vom FG getroffenen Feststellungen geben indes keinen Anlaß, von einem derartigen Sachverhalt auszugehen. Der Umstand, daß die Klägerin sich in den Streitjahren in Liquiditätsschwierigkeiten befand, genügt hierfür jedenfalls nicht. Der Tatbestand des Leistungsaustauschs setzt zwar voraus, daß eine Leistung, nicht aber auch, daß das Entgelt tatsächlich erbracht wird. Bleibt die tatsächliche Gegenleistung - etwa wegen Zahlungsunfähigkeit - hinter dem versprochenen Umfang zurück, so kann dies lediglich Korrekturen bei der Bemessung des Entgelts gegenüber dem ursprünglich Vereinbarten auslösen (§ 17 Abs. 1 UStG 1980; vgl. BFH-Urteile in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913, unter II. 1. a der Entscheidungsgründe; vom 28. Januar 1988 V R 112/86, BFHE 152, 360, BStBl II 1988, 473, unter II. 1. d). Bloße - vorübergehende - Liquiditätsschwierigkeiten des Entgeltsschuldners ändern hieran regelmäßig nichts. Im übrigen haben die Gesellschafter der Klägerin über die Gutschriften auf den Eigenkapitalkonten tatsächlich ein Entgelt erhalten. Das Gesetz schreibt nicht vor, in welcher Weise ein auf eine Geldleistung gerichtetes Entgelt zu erbringen ist.

d) Die Unternehmerstellung von X und Y scheitert nicht daran, daß diese allein der Klägerin gegenüber tätig gewesen sind. Das FA beruft sich insoweit zu Unrecht darauf, die beiden Sozien hätten sich nicht, wie bei einem Kfz-Vermieter erforderlich, nachhaltig "am Markt" beteiligt.

Die umsatzsteuerliche Würdigung der Leistungen der Gesellschafter beruht auf dem Grundsatz, daß die Gesellschaft selbst Unternehmer ist und daß Gesellschaft und Gesellschafter sich als verschiedene Rechtssubjekte gegenüberstehen. Zwischen diesen Rechtssubjekten können Geschäfte wie unter Fremden getätigt werden (vgl. im einzelnen BFH-Urteil in BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269). Auch die Finanzverwaltung geht im Grundsatz davon aus, daß die Gesellschafter allein durch Vermietung an die Gesellschaft zu Unternehmern werden können (vgl. Abschn. 6 Abs. 10 und Abschn. 213 Abs. 1 und 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1988). In dieser Weise haben auch X und Y im Streitfall eine gewerbliche oder berufliche, d. h. nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen selbständig ausgeübt. Für die Frage, ob jemand in diesem Sinne nachhaltig tätig war, ist nach dem BFH-Urteil vom 18. Juli 1991 V R 86/87 (BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776) das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Die Nachhaltigkeit bestimmt sich aus einer Reihe verschiedener Merkmale, die je nach Einzelfall unterschiedlich ausgeprägt sein können. Zu diesen Merkmalen gehört die längerfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis, wie sie bei einer auf Dauer angelegten Vermietung regelmäßig gegeben ist. Eine solche Duldung ist von der Rechtsprechung deshalb wiederholt als nachhaltig i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 angesehen worden (vgl. BFH-Urteile vom 16. Dezember 1971 V R 41/68, BFHE 104, 262, BStBl II 1972, 238; in BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269; vgl. auch Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - 6. EG-Richtlinie - vom 17. Mai 1977, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 1977, Nr. L 145, 1). Dem ist auch für den Streitfall zu folgen. Die jahrelange Vermietung von Kfz gegen ein jährliches Entgelt von 17.000 DM ist gewichtig genug, um eine unternehmerische Betätigung annehmen zu können. Eine an ein breiteres Publikum gerichtete Marktbeteiligung der Vermieter ist angesichts dessen nicht erforderlich. Daß die Fahrzeuge tatsächlich im wesentlichen allein von X und Y als den vermietenden Eigentümern genutzt worden sind, steht der Unternehmereigenschaft nicht entgegen.

3. Die Entscheidung des FG läßt sich nicht aus anderen Gründen aufrechterhalten. Insbesondere liegt kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) vor. Wie der BFH in BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269 entschieden hat, steht es den Gesellschaftern einer Gesellschaft frei, dieser einen Gegenstand entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Jedem Steuerpflichtigen, auch den Gesellschaftern einer Gesellschaft, ist es unbenommen, sein Verhalten so einzurichten, daß es zu einer möglichst geringen steuerlichen Belastung kommt. Diesem Ziel dient in zulässiger Weise die Vermietung von Gegenständen an die Gesellschaft, da das Umsatzsteuergesetz anderenfalls der Gesellschaft als auch den Gesellschaftern den Abzug der bei Anschaffung und Nutzung des Gegenstandes anfallenden Umsatzsteuer als Vorsteuer versagt (vgl. BFH-Beschluß vom 9. März 1989 V B 48/88, BFHE 156, 535, BStBl II 1989, 580).

4. Die Vorinstanz ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ihre Entscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - nicht geprüft und festgestellt, ob die Klägerin von ihren Gesellschaftern über die Vermietungsleistungen Rechnungen mit ordnungsgemäßem Steuerausweis i. S. des § 14 UStG 1980 erhalten hat. Das FA stellt dies in Frage. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.