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  BFH-Urteil vom 24.3.1993 (I R 27/92) BStBl. 1993 II S. 637

Stiftungszweck i. S. des § 10 Nr. 1 KStG einer durch Testament errichteten Stiftung kann neben den im Testament als Stiftungszweck bezeichneten Aufgaben auch eine laufende Rente zugunsten einer natürlichen Person sein. Das gilt jedenfalls dann, wenn beide Ziele im Testament festgelegt sind, beide Aufgaben aus den Überschüssen der Stiftung zu erfüllen sind und der Rentenzahlung neben den im Testament als Stiftungszweck genannten Aufgaben eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt.

KStG § 10 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine nichtrechtsfähige private Stiftung. Sie wurde durch Testament des am 23. November 1982 verstorbenen Dr. X errichtet. Laut Erbschein des Amtsgerichts W vom 6. Mai 1983 ist Erbin die Gemeinde N "als Verwalter einer unselbständigen Stiftung (Sondervermögen)".

Das Stiftungsvermögen besteht im wesentlichen aus umfangreichem Grundbesitz (ursprünglich ca. 150 Wohnungen und weitere Ländereien), der Miet- und Pachterträge abwirft. Laut Testament ist Stiftungszweck die Erhaltung und Verschönerung der Kurparkanlagen der Gemeinde, die Förderung des Fremdenverkehrs, die Verschönerung des Ortes N sowie ähnliche Maßnahmen. Diesem Zweck sollen die Erträge der Stiftung dienen (Punkt 6 des Testaments Dr. X vom 2. Oktober 1979).

Unter Punkt 11 des Testaments verfügte der Erblasser weiter: "Mein Mitarbeiter, Freund und Lebensretter K erhält zu Lasten der Stiftung ein lebenslängliches unentgeltliches nicht übertragbares Wohnrecht am Hause ...., sowie unentgeltliche Nutzung der damit zusammenhängenden Wald- und Weideparzellen in Richtung S, sowie des Grundbesitzes in .... Auf seinen Wunsch kann dieses Nutzungsrecht grundbuchlich abgesichert werden. Eintragung zu Lasten der Stiftung. Die Stiftung hat zur Entlastung des Nutzungsberechtigten die Kosten der Ölheizung im Hause .... zu tragen. K erhält darüber hinaus lebenslänglich zu Lasten der Stiftungserträge, beginnend mit dem Monat meines Ablebens und weiter zahlbar jeweils am Monatsersten, das Gehalt eines Gemeindeoberamtmanns, verheiratet mit zwei Kindern und mit 5 Dienstjahren mit der Ortsklasse A".

In Punkt 13 des Testaments ist außerdem bestimmt: "Etwaige Erbschaftsteuern, die zu Lasten des Herrn K anfallen, sind aus Mitteln des Stiftungsvermögens zur Entlastung des an sich steuerpflichtigen Herrn K mit diesen Verpflichtungen (?) zu zahlen."

In ihren Körperschaftsteuererklärungen für die Streitjahre 1983 bis 1987 zog die Klägerin bei der Ermittlung ihres steuerpflichtigen Einkommens die in jedem Jahr für K gezahlten Beträge (Monatsbezüge und Erbschaftsteuer) als Aufwendungen ab.

2. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Zahlungen für K seien weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) abziehbar. Dementsprechend erhöhte das FA die Einkommen 1983 bis 1987 um 48.026 DM, 133.124 DM, 73.415 DM, 74.938 DM und 72.582 DM und erließ am 6. März 1989 geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1986 und am 16. Mai 1989 einen erstmaligen Bescheid für 1987.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Nicht abziehbarer Satzungsaufwand i. S. des § 10 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 liege nicht vor, weil die Zuwendungen an K nicht dem Stiftungszweck entsprochen hätten. Das FG hielt § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG auch im Körperschaftsteuerbereich für anwendbar.

3. Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A) Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Zulässigkeit nicht darauf an, ob die in der Revisionsbegründung vorgetragenen Revisionsgründe mit den Überlegungen übereinstimmen, die das FG zur Zulassung der Revision veranlaßt haben. Ist eine Revision zugelassen, so ist das Revisionsgericht weder an die materiell-rechtlichen Überlegungen der Vorinstanz gebunden noch an die Gründe, die zur Zulassung geführt haben (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rz. 54).

B) 1. Die Klägerin ist unbeschränkt steuerpflichtig.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG 1977 sind nichtrechtsfähige Stiftungen des privaten Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sich ihre Geschäftsleitung oder ihr Sitz im Inland befinden.

a) Die Klägerin ist nach den Feststellungen des FG eine nichtrechtsfähige Stiftung.

Das Stiftungsvermögen bildet innerhalb des Vermögens der Gemeinde N ein Sondervermögen (Vermögensmasse), das wirtschaftlich verselbständigt ist (Reichsfinanzhof - RFH -, Urteil vom 7. April 1936 I A 227/35, RFHE 39, 202, RStBl 1936, 442; Mrozek-Kartei, KStG 1934, § 1 Abs. 1 Nr. 5, R. 1). Diese Voraussetzung ist insbesondere erfüllt, wenn einer natürlichen oder juristischen Person Vermögensteile von dritter Seite zugewendet werden mit der Auflage, die Erträgnisse für einen bestimmten Zweck zu verwenden (RFH in RFHE 39, 202, RStBl 1936, 442; Schuhmann in Greif/Schuhmann, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 1 Rz. 50).

b) Es handelt sich um eine Stiftung privaten Rechts.

Eine Stiftung ist als Stiftung des privaten Rechts anzusehen, wenn sich ihre Organisationsform ebenso auf das Privatrecht gründet wie bei den in § 1 Nrn. 1-4 KStG bezeichneten Körperschaften (Kläschen, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 1 Rz. 46). Diese Voraussetzung liegt vor, da die Klägerin aufgrund zivilrechtlicher Rechtsgestaltung (letztwillige Verfügung) in Formen des Zivilrechts geschaffen wurde. Der Zuordnung zu den nichtrechtsfähigen Stiftungen des privaten Rechts steht nicht entgegen, daß Träger des Stiftungsvermögens eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist. Die Rechtsqualität der Stiftung richtet sich nicht nach der Zugehörigkeit des Trägers zum Bereich der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Körperschaften, sondern nach den Rechtsformen ihrer Entstehung.

2. Die Klägerin konnte ihr steuerpflichtiges Einkommen nicht um die Zuwendungen an K kürzen.

Gemäß § 10 Nr. 1 KStG 1977 sind Aufwendungen für die Erfüllung von Zwecken des Steuerpflichtigen, die durch Stiftungsgeschäft, Satzung oder sonstige Verfassung vorgeschrieben sind, nicht abziehbar.

Entgegen der Auffassung des FG sind die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. Die Zahlungen an K dienten der Erfüllung von Zwecken, die der Stiftung durch Stiftungsgeschäft vorgeschrieben sind.

a) Stiftungsgeschäft war das Testament des Erblassers. Danach hat die Stiftung mehrere Aufgaben. Sie ist zum einen verpflichtet, dem Fremdenverkehr dienende Einrichtungen der Gemeinde zu erhalten und zu verbessern. Daneben stehen die testamentarisch angeordneten Zuwendungen an K (laufende Leibrente, unentgeltliche Wohnungsüberlassung, Nutzung von Wald- und Weideparzellen, Heizungskosten). Zwischen diesen Verpflichtungen bestehen keine körperschaftsteuerrechtlich relevanten Unterschiede.

aa) Der Begriff des Stiftungszwecks in § 10 Nr. 1 KStG ist ein vorrangig steuerrechtlicher Begriff. Das ergibt sich aus dem Katalog der in § 10 Nr. 1 KStG als nicht abziehbar qualifizierten Aufwendungen. Die genannten Aufwendungen entsprechen weitgehend dem § 12 EStG, der ebenfalls Aufwendungen aus dem Bereich der Einkommensverwendung vom Abzug ausschließt.

Nach übereinstimmender Auslegung des Testaments des Stifters durch die Beteiligten sind die Zuwendungen an K ebenso wie der Aufwand zur Verbesserung der Fremdenverkehrsanlagen der Gemeinde nur aus den Überschüssen der Stiftung zu zahlen. Bereits dieser Umstand spricht für eine Zuordnung zum Bereich der Einkommensverwendung und für die Gleichsetzung beider Zwecke im Rahmen des § 10 Nr. 1 KStG.

bb) Auch die wirtschaftliche Bedeutung der verschiedenen Aufgaben der Klägerin spricht dafür, die Unterstützung K's als eigenständigen Stiftungszweck anzusehen. Die Stiftung verwandte jährlich einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen für K, während für ihre Aufgaben im Interesse der Gemeinde N keine Mittel mehr zur Verfügung standen. Sie versuchte lediglich, durch Umschichtung ihres Vermögens mittelbar Zwecke in der Gemeinde N zu fördern. Die gesamten Erträge der Stiftung wurden für die Zuwendungen an K in Höhe von durchschnittlich rd. 80.000 DM jährlich und für die Verwaltung des Stiftungsvermögens verbraucht.

Nach Durchführung dieser Aufgaben ergaben sich regelmäßig Fehlbeträge, die das Stiftungsvermögen laufend verminderten. Nach der Entwicklung in den ersten Stiftungsjahren war zu Lebzeiten K's auch keine entscheidende Änderung der wirtschaftlichen Lage der Stiftung zu erwarten. Erfordert die einer Stiftung auferlegte Aufgabe mehr als deren zur Verfügung stehende Mittel, so spricht eine starke Vermutung dafür, daß es sich um einen Stiftungszweck handelt. Für die Beurteilung einer Aufgabe als Stiftungszweck kann es schließlich nicht entscheidend darauf ankommen, welche Bezeichnung der Stifter den einzelnen Zielen der Stiftung gibt. Handelt es sich bei mehreren freiwillig gesetzten Aufgaben einer Stiftung um wirtschaftlich und nach dem Willen des Stifters gleichwertige und nach der Zielsetzung vergleichbare Aufgaben, so sind alle Ziele als Stiftungszweck anzusehen. Im Streitfall dürfte den lebenslänglichen Zuwendungen an K aus der Sicht des Stifters sogar Vorrang zukommen, da sie aus den Stiftungseinnahmen vor den Zuwendungen an die Gemeinde N zu erfüllen waren.

Für diese Auslegung spricht ferner die Entscheidung des RFH im Urteil vom 16. Februar 1937 I A 14/37 (RFHE 41, 10, RStBl 1937, 462). In diesem Urteil wurde entschieden, daß die einer Stiftung vom Stifter auferlegten Rentenvermächtnisse als nichtabziehbarer Stiftungsaufwand anzusehen seien. Da die Vermächtnisse den einzigen Zweck der Stiftung darstellten, seien sie Aufwendungen zur Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks. Es kann aber nicht entscheidend sein, ob die Stiftung nur eine oder mehrere Aufgaben zu erfüllen hat. Auch im Streitfall sind der Stiftung bereits im öffentlichen Bereich der Gemeinde N mehrere Aufgaben gesetzt. Sie soll die Kurparkanlagen erhalten und verschönern. Sie soll daneben - durch andere Maßnahmen - auch den Fremdenverkehr fördern und die Gemeinde verschönern, wobei sich die letztere Aufgabe nur auf Maßnahmen außerhalb des Kurparks beziehen kann. Zwar stehen diese Aufgaben in einem erkennbaren Zusammenhang. Sie sind aber durch gänzlich verschiedene Maßnahmen zu erfüllen, über die jeweils der Verwaltungsrat der Stiftung zu entscheiden hat. Daneben steht eine weitere altruistische Aufgabe, die - wie die Erfahrung gezeigt hat - für die Verwendung der Stiftungserträge eine wirtschaftlich wesentlich größere Bedeutung besaß als die im Testament als Stiftungszweck bezeichneten Aufgaben. Bei dieser Sachlage würde eine vorrangige Wertung der Aufgaben im Gemeindebereich als einzigem Stiftungszweck den Motiven des Stifters wenig entsprechen.