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  BFH-Urteil vom 25.3.1993 (VI R 58/92) BStBl. 1993 II S. 639

Nimmt ein Arbeitnehmer an einer von seinem Arbeitgeber veranstalteten sog. Händler-Incentive-Reise mit der Aufgabe teil, die Händler zu betreuen, so besteht in der Regel dann ein erhebliches Eigeninteresse des Arbeitnehmers an der Reise und es liegt in Höhe der vom Arbeitgeber getragenen Reisekosten Arbeitslohn vor, wenn der Arbeitnehmer auf der Reise von seinem Ehepartner begleitet wird.

EStG § 3 Nr. 16, § 19 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1992, 524)

Sachverhalt

Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1985 als Prokurist mit der Leitung des kaufmännischen Bereichs der X GmbH (GmbH) betraut. Kunden der GmbH sind vorwiegend selbständige Vertragshändler.

Die GmbH veranstaltete vom 18. bis 25. Oktober des Streitjahres 1985 im Zusammenwirken mit einem Reisebüro eine Safari in Afrika. An der Reise nahmen die Vertragshändler mit Ehefrauen (49 Personen), leitende Angestellte der GmbH (5 Personen) mit ihren Ehefrauen (3 Personen) - darunter die Kläger - sowie die Tochter eines Angestellten teil. Das Reiseprogramm sah neben freier Zeit und gemeinsamen Essen eine Stadtrundfahrt im Y und verschiedene Fahrten mit Safaribussen vor. Die unmittelbare Reisebetreuung oblag zwei vom Reisebüro gestellten Reiseleitern.

Im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegenüber den Klägern einen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1985. Darin war ein geldwerter Vorteil wegen der Teilnahme an der Safari als zusätzlicher Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) erfaßt worden.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage zum Teil statt. Es nahm wegen der Teilnahme des Klägers an der Reise ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der GmbH und mithin keinen Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG an. Den Vorteil, der in der Teilnahme der Klägerin gegen ein verbilligtes Entgelt gelegen hat, wertete es als Arbeitslohn. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 524 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts (§ 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 EStG in der für das Streitjahr 1985 gültigen Fassung). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit es den auf den Kläger entfallenden Betrag nicht als Arbeitslohn angerechnet hat, und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Im Wege der Anschlußrevision beantragen sie, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und der Klage in vollem Umfang stattzugeben. Sie rügen eine Verletzung der §§ 19 und 8 EStG.

Das FA beantragt, die Anschlußrevision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage in vollem Umfang. Die auf den Kläger entfallenden Reisekosten sind diesem entgegen der Auffassung des FG als Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zuzurechnen. Die Anschlußrevision der Kläger ist unbegründet.

1. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt der Vorentscheidung, wonach die von der Rechtsprechung zu den sog. Incentive-Reisen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995; vom 20. April 1989 IV R 106/87, BFHE 157, 118, BStBl II 1989, 641, und vom 9. März 1990 VI R 48/87, BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711) entwickelten Grundsätze nicht uneingeschränkt auf den Streitfall angewendet werden können. Denn der Kläger als Arbeitnehmer gehört - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - nicht zu der Zielgruppe der im Streitfall durchgeführten Händler-Incentive-Reise. Für einen Arbeitnehmer des Veranstalters einer Händler-Incentive-Reise sind die Vorteile, die ihm durch die Teilnahme an der Reise zufließen, nicht ohne weiteres als Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzustufen. Die zugeflossenen Vorteile sind nämlich dann nicht als Arbeitslohn zu beurteilen, wenn die Teilnahme des Arbeitnehmers an der Reise im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gelegen hat. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles.

2. Im Streitfall vermag der Senat der vom FG vorgenommenen Gewichtung der Interessen nicht darin zu folgen, daß ein weitaus überwiegendes Interesse der GmbH an der Teilnahme des Klägers und mithin wegen der auf den Kläger entfallenden Reisekosten kein Arbeitslohn vorgelegen haben soll. Nach Ansicht des Senats bestand ein erhebliches Eigeninteresse des Klägers an der Teilnahme an dieser Reise.

Im Rahmen der in jedem Einzelfall vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände ist als ein Indiz für ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Teilnahme des Arbeitnehmers an der Reise anzusehen, daß der Arbeitnehmer für den reibungslosen organisatorischen Ablauf der Reise zu sorgen hat. Diese Aufgabe war im Streitfall jedoch nicht den Arbeitnehmern der GmbH, sondern Angestellten des mit der Durchführung der Reise beauftragten Reisebüros übertragen worden.

Der Senat kann offenlassen, ob allein die Aufgabe der Betreuung der Händler, zu deren Belohnung die Reise durchgeführt wird, ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Teilnahme des Arbeitnehmers an der Reise zu begründen vermag. Im Streitfall steht dieser Beurteilung abweichend von der Auffassung der Vorinstanz entgegen, daß der Kläger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, seine Ehefrau auf die Reise mitzunehmen. Die Teilnahme der Klägerin läßt auf ein erhebliches Eigeninteresse des Klägers an der Durchführung der Reise schließen. Die Reise hatte damit nicht mehr einen ganz überwiegenden Arbeitscharakter, sondern gewann dadurch einen Erholungs- und Erlebniswert, der mit demjenigen einer privaten Urlaubsreise vergleichbar war. Diese Beurteilung kann auch nicht durch die Erklärung entkräftet werden, die Teilnahme der Ehefrauen der Arbeitnehmer habe im Hinblick auf die mitreisenden Händler-Ehefrauen ein gesellschaftliches Gleichgewicht herbeiführen sollen. Dieses Argument erscheint vor dem Hintergrund nicht überzeugend, daß für die Teilnahme der Ehefrauen ein Betrag von 1.000 DM gezahlt und nicht plausibel dargestellt worden ist, daß ohne die Teilnahme der Ehefrauen der Arbeitnehmer die Betreuung der Händler und ihrer Ehefrauen durch die Arbeitnehmer weniger effektiv ausgefallen wäre.

3. Die Übernahme der Reisekosten des Klägers durch die GmbH ist auch nicht gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerbefreit. Denn nach § 3 Nr. 16 EStG sind nur solche Reisekosten steuerfrei zahlbar, die im Falle der Zahlung durch den Arbeitnehmer selbst bei diesem als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abziehbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1991 VI R 36/89, BFHE 166, 456, BStBl II 1992, 492). Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Werbungskosten sind im Streitfall aber nicht erfüllt. Denn die Teilnahme der Klägerin deutet auf eine erhebliche private Mitveranlassung der Reise hin, so daß § 12 Nr. 1 EStG einem Abzug als Werbungskosten entgegengestanden hätte.

4. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, soweit sie der Klage stattgegeben hat, weil sie insoweit von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist. Die Sache ist spruchreif. Die Teilnahme beider Kläger an der Reise hat bei dem Kläger zum Zufluß von nicht nach § 3 Nr. 16 EStG steuerbefreitem Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG geführt. Die Klage war deshalb in vollem Umfang abzuweisen.