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  BFH-Urteil vom 29.4.1993 (IV R 107/92) BStBl. 1993 II S. 666

In die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, an denen mehrere Personen beteiligt sind, ist auch der Gewinn einzubeziehen, den ein Gesellschafter aus der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils am ersten Tag des Wirtschaftsjahrs erzielt.

AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 3.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 31. Dezember 1983 freiberuflich als Steuerberater tätig, und zwar in Sozietät mit dem Steuerberater B. Mit Vertrag vom 28. Dezember 1983 übertrug der Kläger seinen Anteil an der Sozietät (50 v. H.) auf den Steuerberater A. Als Zeitpunkt der Anteilsübertragung wurde im Veräußerungsvertrag der 1. Januar 1984 festgelegt. Auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises, der 30 Tage nach Übergabe zu bezahlen war und sich verringern sollte, falls Mandanten erklärten, sie wollten nicht von A betreut werden, wurde ein (der Höhe nach unstreitiger) Veräußerungsgewinn des Klägers in Höhe von 209.759 DM ermittelt und in der Feststellungserklärung der Sozietät für 1984 erklärt und dem Kläger zugerechnet. Am laufenden Gewinn 1984 war der Kläger nicht mehr beteiligt; dieser wurde B und A anteilig zugerechnet. Die Sozietät B/A wurde 1985 aufgelöst.

Mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Feststellungsbescheid vom 10. April 1990 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkünfte der Sozietät Kläger/B/A mit .... DM fest. Darin war der Veräußerungsgewinn des Klägers enthalten; er wurde dem Kläger zugerechnet.

Der Einspruch des Klägers, mit dem u. a. geltend gemacht wurde, die Feststellung des Veräußerungsgewinns in einem an die Sozietät Kläger/B/A gerichteten Steuerbescheid sei rechtswidrig, da der Kläger den Veräußerungsgewinn nicht, was § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 voraussetze, gemeinschaftlich mit anderen, sondern allein erzielt habe, blieb ohne Erfolg.

Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 1990 wurde als unbegründet abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, das FA habe zu Recht für die Sozietät Kläger/B bzw. B/A den im Streitjahr angefallenen Gewinn einheitlich und gesondert in einem Bescheid festgestellt. Dazu führte das FG u. a. aus, die Übertragung des Gesellschaftsanteils durch den Kläger auf A habe den Bestand der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) unberührt gelassen. Der gesamte Gewinn der GbR sei trotz des Gesellschafterwechsels in einem Bescheid zu erfassen. Das gelte auch für den nach den vertraglichen Vereinbarungen am 1. Januar 1984 entstandenen Veräußerungsgewinn des Klägers. Daß der Kläger nicht am laufenden Gewinn 1984 beteiligt gewesen sei, sei unerheblich. Es seien auch keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Klägers erkennbar, die der Durchführung nur eines Feststellungsverfahrens entgegenstünden.

Mit der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung wird geltend gemacht, der Veräußerungsgewinn des Klägers hätte nicht in einem Bescheid festgestellt werden dürfen, der sich gegen alle Beteiligten richte. Die zweigliedrige Personengesellschaft Kläger/B habe am 1. Januar 1984 geendet. Die weitere zweigliedrige Personengesellschaft, bestehend aus B und A, habe erst im Anschluß daran begonnen. Der Kläger habe 1984 nur einen Veräußerungsgewinn erzielt, mit dem der andere Gesellschafter (B) nichts zu tun gehabt habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und den Feststellungsbescheid vom 10. April 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 1990 aufzuheben.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA ist der Auffassung, in die Gewinnfeststellung 1984 habe auch der am 1. Januar 1984 entstandene Veräußerungsgewinn des Klägers einbezogen werden müssen.

Entscheidungsgründe

Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zu Recht hat das FA den Veräußerungsgewinn des Klägers im angefochtenen Feststellungsbescheid vom 10. April 1990 festgestellt.

1. Der Senat geht in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon aus, daß der Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung seines Anteils an dem der selbständigen Arbeit dienenden Vermögen, der Sozietät mit dem Steuerberater B, erzielt hat (§ 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). In zeitlicher Hinsicht ist der Gewinn entsprechend der vertraglichen Vereinbarung der Parteien am 1. Januar 1984 entstanden, folglich im Streitjahr (1984) zu erfassen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. September 1992 VIII R 7/90, BFHE 170, 29, BStBl II 1993, 228). Der Anteil an einer Personengesellschaft wird durch Rechtsgeschäft gemäß § 413 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übertragen (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 45 III 3, S. 1090; Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, § 413 Anm. 1). Der Zeitpunkt, zu dem die Rechtsübertragung wirksam werden soll, wird grundsätzlich durch die vertragliche Vereinbarung der Parteien bestimmt. Demgemäß konnten der Kläger und A im Vertrag vom 28. Dezember 1983 auch bestimmen, daß der Gesellschaftsanteil erst am 1. Januar 1984 auf A übergehen solle. Mit dem Übergang des Gesellschaftsanteils am 1. Januar 1984 war auch der Übergang der ideellen Miteigentumsanteile des Klägers an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens einschließlich des originären Praxiswerts am 1. Januar 1984 verbunden. Im Urteil vom 2. Mai 1974 IV R 47/73 (BFHE 113, 195, BStBl II 1974, 707) hat der Senat ausgeführt, bei Wirksamwerden der Übertragung eines Gesellschaftsanteils im Jahreswechsel, d. h. im Schnittpunkt der Kalenderjahre, sei unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden, welchem Feststellungszeitraum der Veräußerungsgewinn zuzurechnen sei. Auch daraus ergibt sich jedoch nicht, daß der Veräußerungsgewinn dem Jahre 1983 zuzuordnen wäre. Im Streitfall haben die Parteien eine Übertragung am 1. Januar 1984 gewollt und so auch vereinbart und vollzogen. Eine in diesem Sinne eindeutige Vereinbarung läßt eine Zuordnung des Veräußerungsvorgangs noch zum abgelaufenen Feststellungszeitraum nicht zu (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 1992 IV R 88/90, BFHE 167, 78, BStBl II 1992, 525; Urteil in BFHE 170, 29, BStBl II 1993, 228). Es kommt hinzu, daß im Falle des Urteils in BFHE 113, 195, BStBl II 1974, 707 ein wesentlicher Teil des Kaufpreises bereits im Vorjahr gezahlt worden war; im Streitfall war der Kaufpreis erst 30 Tage nach Übergabe zu zahlen und konnte sich außerdem noch mindern, falls Mandanten erklären sollten, sie wollten nicht von A betreut werden.

2. Der somit am 1. Januar 1984 entstandene Veräußerungsgewinn des Klägers ist zutreffend in die Feststellung der Einkünfte der Sozietät 1984 einbezogen worden.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH erstreckt sich die gesonderte Feststellung der Einkünfte (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) grundsätzlich auch dann auf ein volles Wirtschaftsjahr, wenn ein Gesellschafter während des Wirtschaftsjahres aus der Personengesellschaft ausscheidet und die Gesellschaft danach von den verbleibenden Gesellschaftern oder von diesen mit einem oder mehreren neuen Gesellschaftern fortgeführt wird (vgl. Senatsurteile vom 14. September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159; vom 24. November 1988 IV R 252/84, BFHE 155, 255, BStBl II 1989, 312; BFH-Urteil vom 28. November 1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561, 562). Dafür ist maßgebend, daß trotz des Gesellschafterwechsels die Identität der Personengesellschaft als solcher erhalten bleibt und daß die Einbeziehung auch solcher Personen in die Gewinnfeststellung, die nicht während des ganzen Wirtschaftsjahres Gesellschafter sind, dem Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens nicht widerspricht. Diese Erwägungen treffen auch zu, wenn, wie im Streitfall, bei einer zweigliedrigen Personengesellschaft der eine Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil auf einen Dritten überträgt, mit dem die Gesellschaft fortgeführt wird. Die Identität der Personengesellschaft bleibt auch in diesem Falle gewahrt. Es kommt nicht zur Auflösung der einen und zur Gründung einer neuen Gesellschaft; vielmehr wird entsprechend dem vertraglichen Willen der Beteiligten die bisherige Gesellschaft fortgeführt, wenn auch mit einem neuen Gesellschafter, der seinen Anteil an der Gesellschaft mit Zustimmung des anderen Gesellschafters auf einen Dritten übertragen hat.

b) Geht man hiervon aus, kann für die rechtliche Beurteilung auch nicht maßgebend sein, ob der ausscheidende Gesellschafter im Jahr der Übertragung des Gesellschaftsanteils noch während eines längeren Zeitraums Gesellschafter war oder ob er bereits am Beginn des Wirtschaftsjahres aus der Gesellschaft ausscheidet. Entscheidend kann dann nur darauf abgestellt werden, daß der Gesellschafter nicht bereits im abgelaufenen Wirtschaftsjahr, sondern erst im neuen Wirtschaftsjahr aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.

c) In die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 sind auch die Gewinne einzubeziehen, die ein Gesellschafter aus der Veräußerung seines Anteils an der Personengesellschaft erzielt. Der Veräußerungsgewinn gehört gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, bei freiberuflichen Sozietäten gemäß § 18 Abs. 3 EStG i. V. m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, zu den Einkünften des Gesellschafters aus seiner Beteiligung an der Personengesellschaft und ist deshalb auch verfahrensrechtlich als Bestandteil der gesondert festzustellenden Einkünfte anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist deshalb im Gewinnfeststellungsverfahren auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe Veräußerungsgewinne i. S. der §§ 14, 14 a Abs. 1, 16 EStG, § 18 Abs. 3 EStG entstanden sind (vgl. z. B. Senatsurteil vom 11. Juli 1985 IV R 61/83, BFHE 144, 151, BStBl II 1985, 577, 579; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 180 AO 1977 Tz. 36, m. w. N.). Auch hierfür kann es nicht darauf ankommen, ob der den Veräußerungsgewinn erzielende Gesellschafter im Veräußerungsjahr noch während eines längeren Zeitraums an der Gesellschaft beteiligt war. Der Streitfall weist allerdings die Besonderheit auf, daß der Kläger am laufenden Gewinn des Streitjahres nicht mehr beteiligt war. Auch dies kann jedoch nicht dazu führen, daß sein Veräußerungsgewinn nicht im angefochtenen Bescheid festgestellt werden durfte. Entscheidend ist, daß, wie dargelegt, auch der Veräußerungsgewinn zu den bei der Feststellung zu erfassenden Einkünften gehört.

d) Zutreffend hat das FG auch ausgeführt, daß die gebotene Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO 1977) dem Erlaß des angefochtenen Bescheids nicht entgegenstand. Im Einzelfall kann § 30 AO 1977 allerdings der Durchführung eines Feststellungsverfahrens unter Einbeziehung sowohl des ausgeschiedenen als auch des neu eingetretenen Gesellschafters entgegenstehen (vgl. Urteile in BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159; in BFHE 155, 255, BStBl II 1989, 312). Im Streitfall ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen. Sowohl dem B als auch dem A waren aus der Bilanz der Sozietät, den getroffenen Vereinbarungen und der Feststellungserklärung die Entstehung eines Veräußerungsgewinns des Klägers sowie auch die Höhe dieses Gewinns bekannt.

3. Danach erweist sich das Urteil des FG als zutreffend. Die Sache ist spruchreif. Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen.