| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 26.5.1993 (X R 101/90) BStBl. 1993 II S. 710

Der Zeitraum für die Betriebsaufgabe endet mit der Veräußerung der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage bzw. mit deren Überführung in das Privatvermögen. Es ist nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die stillen Reserven des Betriebs im wesentlichen oder nahezu vollständig aufgedeckt worden sind.

EStG § 16 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1991, 674)

Sachverhalt

Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionsklägerin (Klägerin) war die Ehefrau und ist die Alleinerbin des während des Revisionsverfahrens verstorbenen ursprünglichen Klägers B. B betrieb ein Furnierwerk. Die Fabrik befand sich auf eigenem Industriegelände im Hamburger Hafen, das hochwassergefährdet war. Das Gelände wurde 1976 überschwemmt. Die P-GmbH deichte daraufhin das Gebiet einschließlich der Grundstücke des B ein. B leistete 1977 zur Finanzierung der Schutzbauten an die P-GmbH einen Zuschuß von 304.736 DM. Er aktivierte den Betrag für ein abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut.

B hatte seit 1971 im wesentlichen Verluste erlitten (saldiert bis 1978 ca. 650.000 DM). Er stellte am 15. Juli 1978 die Produktion ein. Das Landesarbeitsamt hatte am 27. April 1978 der Entlassung von 43 Arbeitnehmern zum 1. Juli 1978 zugestimmt. Mit dem Betriebsrat war am 10. Juni 1978 ein Sozialplan vereinbart worden. Ab Juli 1978 wurden Maschinen und Fahrzeuge veräußert (Veräußerungserlöse 1978 262.844 DM). B erstellte letztmals zum 31. Dezember 1978 eine Bilanz, die folgende Anlagewerte auswies:

Grund und Boden

97.496 DM

 

Fabrik-und Geschäftsgebäude

226.428 DM

 

Wohngebäude

11.066 DM

 

Hochwasserschutzanlagen

284.420 DM

 

Maschinen-und Geschäftsausstatung

79.436 DM

 

Kraftfahrzeuge

5.927 DM

 

geringwertige Anlagegüter

1 DM

 

 

---------------

 

Summe

744.774 DM.

 

B erklärte zu Beginn des Streitjahrs 1979, am 2. Januar, den Grundbesitz und die Büroausstattung als entnommen (Entnahmewerte 4.742.932 DM). Fortan erzielte er mit dem Grundbesitz Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Veräußerung von Maschinen und Geschäftsausstattung wurde fortgesetzt. Die Veräußerungserlöse betrugen 1979 315.686 DM (Buchwerte 56.501 DM). B erklärte die Veräußerungsüberschüsse als nachträgliche gewerbliche Einkünfte. Er reichte für 1979 eine "Ermittlung des Liquidationsgewinns" ein, die als "Einnahmen aus Anlagenverkäufen" 5.058.618 DM auswies (Entnahmewerte 4.742.932 DM und Veräußerungserlöse 315.686 DM). Maschinen und Geschäftsausstattung wurden auch noch in den Jahren 1980 bis 1982 veräußert. Die Erlöse betrugen 1980 46.146 DM (davon bis 8. Januar 31.405 DM), 1981 90.746 DM und 1982 13.670 DM.

Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte B zunächst nach Erklärung zur Einkommensteuer 1979 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Dabei wurde der Liquidationsgewinn in Höhe von 4.140.206 DM - gemindert um Verlustabzüge aus den Vorjahren - als tarifbegünstigter Aufgabegewinn gemäß § 16 Abs. 3, § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteuert. Nach einer Betriebsprüfung nahm das FA hingegen an, B habe seinen Betrieb nicht aufgegeben, sondern nach und nach aufgelöst. Daher entfalle die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Dementsprechend erging der vorbehaltlose Einkommensteuerbescheid vom 25. September 1984. Einem während der Betriebsprüfung gestellten Antrag, den Zuschuß für die Einpolderung gemäß § 5 Abs. 2 EStG in voller Höhe als Betriebsausgaben des Jahres 1977 zu behandeln (mit Auswirkung auf den Verlustabzug), hat das FA nicht stattgegeben.

Im Einspruchsverfahren machte B weiterhin u. a. geltend, der Liquidationsgewinn 1979 sei tarifbegünstigt zu versteuern, und der Zuschuß für die Einpolderung sei Betriebsausgabe im Jahre 1977. Der Einspruch blieb in den Streitpunkten erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Sein Urteil ist teilweise in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 674 veröffentlicht. Es führte aus: Es läge eine tarifbegünstigte Betriebsaufgabe vor. Allerdings habe die Rechtsprechung bisher eine Betriebsaufgabe nur bejaht, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang innerhalb eines kurzen Zeitraums veräußert und in das Privatvermögen überführt würden. Der Veräußerungs- und Überführungszeitraum sei mit ca. 36 Monaten nicht mehr kurz gewesen. Er habe am 15. Juli 1978 begonnen (Produktionseinstellung) und frühestens Mitte 1981 geendet, als die letzten vordem betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter veräußert worden seien. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei jedoch eine Betriebsaufgabe schon dann anzunehmen, wenn "die in dem Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven nahezu vollständig .... in einem zeitlich einheitlichen Rahmen aufgedeckt" würden. Für den noch kurzen Zeitraum vom 15. Juli 1978 bis zum 8. Januar 1980 ergebe sich nach Maßgabe der nachstehenden Tabelle eine Aufdeckung der stillen Reserven von 97,85%:

 

Verkaufserlöse/

 

aufgedeckte

 

Zeitraum

Entnahmewerte

Buchwerte

stille Reserven

Anteil in %

 

DM

DM

DM

 

  

 

 

 

 

15.7.-31.12.1978

262.844

5.158

257.668

 

1979

5.058.618

715.911

4.342.707

97,85

1.1.-8.1.1980

31.405

4

31.401

 

  

 

 

 

 

9.1.-31.12.1980

14.741

4

14.737

 

1981

90.746

17.750

72.996

2,15

1982

13.670

4

13.666

 

 

 

 

----------------

---------------

 

 

 

4.733.193

100

Der Aufgabezeitraum betrage danach 173/4 Monate und verteile sich auf drei Veranlagungszeiträume. Dieser Zeitraum sei noch ausreichend kurz. Hinsichtlich des Zuschusses an die Poldergemeinschaft sei die Klage unbegründet. Der Entnahmewert des Grundstücks sei um den Wert des Hochwasserschutzes (304.736 DM) zu erhöhen. Die damit verbundene Steuererhöhung sei mit der Steuerminderung aus der tarifbegünstigten Betriebsaufgabe zu saldieren.

Das FA hat Revision, die Klägerin (selbständige) Anschlußrevision eingelegt.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung der § 16 Abs. 3 und 4, § 34 EStG: Die "kurze Zeit", innerhalb der die wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert oder in das Privatvermögen überführt worden sein müßten, dürfe zwar nicht zu knapp bemessen werden. Die Rechtsprechung habe in Ausnahmefällen noch einen Aufgabezeitraum von 14 Monaten anerkannt. Im Streitfall hätten sich die Veräußerungen aber über 36 Monate und vier Veranlagungszeiträume hingezogen. Eine Aufdeckung von lediglich 97,85 % der stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen sei keine vollständige Aufdeckung.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen,

2. im Wege der Anschlußrevision: die Vorentscheidung dahingehend zu ändern, daß eine Erhöhung des Entnahmewerts des Grundstücks nicht zum Ansatz kommt.

Sie erwidert auf die Revision des FA: Den rechtlichen Ausführungen des FG zur Anwendung der §§ 16, 34 EStG sei zu folgen. Entgegen der Auffassung des FG seien jedoch am 8. Januar 1980 keine wesentlichen Betriebsgrundlagen mehr vorhanden gewesen.

Mit der Anschlußrevision wird unvollständige Sachverhaltsermittlung und ein Verstoß gegen die Denkgesetze bei der Würdigung einer Zeugenaussage geltend gemacht.

Das FA beantragt, die Anschlußrevision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Anschlußrevision der Klägerin ist unbegründet.

1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, B habe 1979 einen Betriebsaufgabegewinn erzielt, der gemäß § 16 Abs. 3, § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt zu besteuern sei.

a) Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs. Das FG geht zutreffend davon aus, daß eine Betriebsaufgabe sich - anders als die punktuelle Veräußerung eines Gewerbebetriebs (§ 16 Abs. 1 EStG) - auch in einem Zeitraum vollziehen kann. Indessen setzt eine Betriebsaufgabe nach allgemeiner - auch vom Senat geteilter - Auffassung voraus, daß nach der Betriebseinstellung die wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an einen oder mehrere Abnehmer veräußert oder ganz oder teilweise in das Privatvermögen überführt werden (BFH-Urteile vom 25. Juni 1970 IV 350/64, BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719; vom 25. Juli 1972 VIII R 3/66, BFHE 106, 528, BStBl II 1972, 936; vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, 327, BStBl II 1984, 711; vom 3. Oktober 1984 I R 116/81, BFHE 142, 381, 383, BStBl II 1985, 131; Dötsch, Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe, 1987, 28; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., 1993, § 16 Anm. 30, 48; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. F 11).

b) Die Betriebsaufgabe beginnt mit der ersten vom Aufgabeentschluß getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs als selbständigen Organismus gerichtet ist, wie z. B. mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit oder der Veräußerung bestimmter für die Fortführung des Betriebs unerläßlicher Wirtschaftsgüter (BFH-Urteile in BFHE 141, 325, 327, BStBl II 1984, 711; vom 7. April 1989 III R 9/87, BFHE 157, 355, 358, BStBl II 1989, 874). Das FG hat, wovon jetzt auch das FA ausgeht, den Beginn der Betriebsaufgabe auf den 15. Juli 1978 angesetzt, als die Produktion eingestellt wurde. Diese Maßnahme in Verbindung mit dem kurz zuvor ausgehandelten Sozialplan und der genehmigten Entlassung der meisten Arbeitnehmer macht deutlich, daß B den Betrieb endgültig auflösen wollte.

c) Das FG ist ferner zu Recht davon ausgegangen, daß die letzten wesentlichen Betriebsgrundlagen erst 1981 veräußert wurden. In diesem Jahr wurden noch Maschinen und Anlagen veräußert, die bis zur Betriebseinstellung der Produktion im Furnierwerk dienten. Maschinen und andere Produktionsanlagen sind bei einem Fabrikationsbetrieb regelmäßig wesentliche Betriebsgrundlagen (BFH-Urteile vom 19. Januar 1983 I R 57/79, BFHE 137, 487, 489, BStBl II 1983, 312; vom 30. April 1985 VIII R 203/80, BFH/NV 1986, 21, unter 2. b; vom 1. Februar 1989 VIII R 33/85, BFHE 156, 158, 162, BStBl II 1989, 458). Nichts anderes besagt die Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, 535, BStBl II 1984, 474; ebenso Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 Satz 12 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -) und zur Betriebsverpachtung (BFH-Urteil vom 27. März 1987 III R 214/83, BFH/NV 1987, 578).

Die Beurteilung der Frage, wann Grundstücke als wesentliche Betriebsgrundlagen anzusehen sind, folgt entgegen der Auffassung der Klägerin anderen Grundsätzen. Ein Grundstück kann unter bestimmten Voraussetzungen auch außerbetrieblichen Zwecken dienen. Produktionsmaschinen und -anlagen sind hingegen im außerbetrieblichen Bereich durchweg nicht nutzbar; ihre Herauslösung aus dem Betrieb bringt die Produktion zum Stocken oder zum Erliegen. Die Klägerin kann sich daher nicht auf das BFH-Urteil vom 28. März 1985 IV R 88/81 (BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508) berufen, das eine nach §§ 14, 34 EStG begünstigte Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebs auch dann noch angenommen hat, wenn 12 % der bisherigen Nutzfläche von 55 ha von der Veräußerung ausgenommen wird. Nicht einschlägig ist auch das BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 120/88 (BFHE 158, 257, 260, BStBl II 1990, 55), wonach der zweite Schulungswagen einer Fahrschule keine wesentliche Betriebsgrundlage sein soll; das Urteil weist selbst darauf hin, daß für Maschinen eines Produktionsbetriebs andere Grundsätze gelten.

Anfang 1980 waren noch zahlreiche maschinelle Anlagegüter vorhanden, die teilweise in der Folgezeit verschrottet worden sein mögen, im übrigen aber in den Jahren 1980 bis 1982 entgeltlich veräußert wurden. Die Veräußerungserlöse waren 1980 und 1981 erheblich. Das FG ist davon ausgegangen, daß von den veräußerten Anlagegütern jedenfalls eine Dampfmaschine, eine Messermaschine, eine Dämpfeinrichtung und drei Bandtrockner wesentliche Betriebsgrundlagen waren. Diese Annahme ist nicht zu beanstanden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen (Gegenrügen) seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 118 Abs. 2 FGO), waren die genannten Maschinen bei Betriebseinstellung im unmittelbaren Produktionsbereich eingesetzt; die Dampfmaschine war sogar noch bei ihrer Veräußerung im Jahre 1981 in funktionsbereitem Zustand und ist nicht als Schrott veräußert worden.

Die Einwendungen der Klägerin gegen die Annahme des FG überzeugen nicht. Eine vor Betriebseinstellung vermietet gewesene Schälmaschine hat das FG von sich aus unberücksichtigt gelassen. Ebenso hat es weitere kurzfristig wiederbeschaffbare Maschinen (Kreissäge, Paketschere, Kräne) nicht als wesentliche Betriebsgrundlagen beurteilt. Unerheblich wäre, wenn Maschinen, die das FG als wesentliche Betriebsgrundlagen angesehen hat, als Schrott veräußert worden sein sollten. Mit dem FG ist entscheidend auf die Verwendung der Maschinen vor der Betriebseinstellung abzustellen, als sie noch der Produktion des Furnierwerks dienten. Ob und in welchem Umfang stille Reserven aufgedeckt worden sind, ist nicht von Bedeutung (BFHE 137, 487, 489, BStBl II 1983, 312). Nicht erheblich ist die Behauptung, die Dampfmaschine sei ein "kleiner" Teil eines Kraftwerks gewesen, das vor der Betriebseinstellung kaum oder gar nicht genutzt worden sei. Sollte diese Behauptung zutreffen, wäre die Dampfmaschine ein einsatzfähiger, nicht unwichtiger Teil der Großanlage Kraftwerk gewesen, das den Betrieb von fremdem Strom unabhängig machte. Sollte das Kraftwerk wesentlicher Bestandteil des Anfang 1979 entnommenen Grundstücks gewesen sein, wäre es nicht mit diesem entnommen worden. Das Kraftwerk war steuerrechtlich als Betriebsvorrichtung nicht Teil des Grundstücks (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG) und hätte sonach gesondert entnommen werden müssen.

d) Ein Abwicklungszeitraum von 36 Monaten (Juli 1978 bis Mitte 1981) ist, wie das FG zu Recht bemerkt, nicht mehr ein kurzer Zeitraum, der noch die Annahme einer Betriebsaufgabe rechtfertigen könnte. Nach dem BFH-Urteil vom 16. September 1966 VI 118/65 und VI 119/65 (BFHE 87, 134, 137 f., BStBl III 1967, 70) ist der Abwicklungszeitraum nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen; ein Halbjahreszeitraum werde vielfach einen Anhalt bieten, eine Schematisierung sei jedoch nicht angebracht; dem Steuerpflichtigen sei nicht zuzumuten, schwer verkäufliche Wirtschaftsgüter unter Zeitdruck loszuschlagen; bei der Aufgabe eines Weinguts mit verschiedenen Weinbergen und landwirtschaftlichem Streubesitz könne noch eine Frist von 14 Monaten hingenommen werden.

Eine Abwicklung über 36 Monate hingegen kann unter keinen Umständen noch als Betriebsaufgabezeitraum anerkannt werden. Der Aufgabegewinn wäre in diesem Falle auf vier Veranlagungszeiträume zu verteilen und wäre nicht mehr außerordentlich i. S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG. Der BFH hat für Entschädigungen (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) und Veräußerungsgewinne (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG) ausgesprochen, daß die Tarifvergünstigung einen zusammengeballten Anfall derartiger Einkünfte erfordere (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221; vom 10. Juli 1991 X R 79/90, BFHE 165, 75). Diese Erwägung gilt ebenso für Aufgabegewinne, allerdings mit der Einschränkung, daß sich die zeitlich gestreckte Betriebsaufgabe - anders als eine Betriebsveräußerung - nicht immer in einem Veranlagungszeitraum beenden läßt und daher sich auch auf mehr als einen Veranlagungszeitraum erstrecken kann.

2. Das FG stellt demgegenüber nicht auf die Funktion von Wirtschaftsgütern als wesentliche Betriebsgrundlagen ab, sondern richtet seinen Blick ausschließlich auf die bei Beginn der Betriebsaufgabe vorhandenen stillen Reserven. Deren Aufdeckung soll das Ende des Betriebsaufgabezeitraums bestimmen; dabei sei nicht die vollständige Aufdeckung der stillen Reserven zu fordern; es genüge die nahezu vollständige Aufdeckung. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.

a) Das FG hat angenommen, daß mit der Aufdeckung der vorhandenen stillen Reserven zu 97,85 % die Betriebsaufgabe beendet gewesen sei; dieser Zeitpunkt sei im Streitfall am 8. Januar 1980 erreicht gewesen. Nach Auffassung des FG beträgt sonach der Betriebsaufgabezeitraum ca. 18 Monate und erstreckt sich auf drei Veranlagungszeiträume (1978 bis 1980).

Hiergegen bestehen erhebliche Bedenken. Ein Betriebsaufgabegewinn wird in aller Regel allenfalls auf zwei aufeinander folgende Veranlagungszeiträume verteilt werden können (ebenso Kauffmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 16 Anm. 39).

Möglicherweise ließe sich auf der Grundlage der Auffassung des FG der Betriebsaufgabezeitraum verkürzen, wenn stille Reserven von weniger als 97,5 % noch als wesentlich angesehen würden. Diese Frage braucht indes nicht abschließend entschieden zu werden. Der Auffassung des FG, die beinahe vollständige (wesentliche) Aufdeckung der stillen Reserven kennzeichne die Betriebsaufgabe, ist unzutreffend.

b) Das Tatbestandsmerkmal "Aufgabe" des Gewerbebetriebs in § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG ist allerdings ausfüllungsbedürftig. Es bedarf einmal der Abgrenzung gegenüber der allmählichen Betriebsabwicklung. Die vom Gesetz gewollte Vergleichbarkeit mit der Veräußerung des Gewerbebetriebs ("gilt") und der Zweck des § 16 EStG, außerordentliche Einkünfte für eine tarifbegünstigte Besteuerung nach § 34 EStG hervorzuheben, gebieten es, nur die Aufgabevorgänge dem § 16 Abs. 3 EStG zuzuordnen, die zügig abgewickelt werden (s. oben 1. a).

Außerdem bedarf die "Aufgabe" i. S. des § 16 Abs. 3 EStG - wie übrigens auch die "Veräußerung" i. S. des § 16 Abs. 1 EStG - einer weiteren Einschränkung. Die Begünstigung kann aus vorwiegend praktischen Gründen nicht davon abhängig sein, daß sämtliches Betriebsvermögen unter Verwertung aller Wirtschaftsgüter und unter Aufdeckung aller stillen Reserven des Betriebs in den Aufgabevorgang einbezogen wird. Die Zurückbehaltung unwesentlicher Betriebsgrundlagen steht der Anwendung des § 16 EStG nicht entgegen (Reiß in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 16 Rdnr. B 225, F 8, m. w. N.). Die Auffassung des FG, daß statt dessen auf die Zurückbehaltung von Wirtschaftsgütern - gleich welcher Art - mit unwesentlichen stillen Reserven abzustellen sei, kann nicht überzeugen. § 16 EStG will zwar die stillen Reserven erfassen, diese jedoch in Abhängigkeit von der Gesamt- oder Einzelveräußerung der betrieblichen Wirtschaftsgüter (§ 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 EStG) oder von deren Überführung in das Privatvermögen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Die einzelnen Wirtschaftsgüter, nicht die stillen Reserven, die weithin zufallsbedingt entstehen, kennzeichnen den Betrieb. Anhand des Verhältnisses der Wirtschaftsgüter zum Betrieb ist zu beurteilen, was für diesen wesentlich ist.

c) Die Bestimmung der wesentlichen Betriebsgrundlagen bereitet allerdings Schwierigkeiten (vgl. zur funktional-quantitativen Betrachtungsweise mit Einzelheiten Reiß in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 16 Rdnrn. B 224 bis 246). Die Lösung des FG behebt indes diese Schwierigkeiten nicht, sondern verlagert sie lediglich. Das FG will die wesentlichen stillen Reserven mit Hilfe einer Prozentzahl bestimmen, die wohl auch niedriger als 97,85 % sein könnte. Dem müßte eine absolute Zahl zur Seite gestellt werden; denn auch 2,15 % aller stillen Reserven können, absolut gesehen, erheblich sein. Vor allem kann das FG nicht einsichtig machen, daß sich eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe unabhängig von der Art des abgegebenen und zurückbehaltenen Betriebsvermögens vollziehen soll. Das FG müßte eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe selbst dann bejahen, wenn die unwesentlichen Betriebsgrundlagen (mit den wesentlichen stillen Reserven des Betriebs) abgegeben und die wesentlichen Betriebsgrundlagen (ohne oder mit geringfügigen stillen Reserven) zurückbehalten werden.

d) Die Hinweise des FG auf die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung der Rechtsprechung führen zu keinem anderen Ergebnis. Bei Einführung des § 30 Abs. 4 EStG 1925, der § 16 Abs. 3 EStG 1934 ff. voranging, war zwar noch nicht geklärt, ob die Vorschrift konstitutiv oder deklaratorisch (hierfür bereits die Begründung zum EStG 1925, RTDrucks 1924/25 Nr. 795 S. 23, 55) war. Unabhängig davon, daß sich inzwischen die letztgenannte Auffassung durchgesetzt hat, bedürfte § 16 Abs. 3 EStG, selbst wenn er konstitutive Bedeutung hätte, der einengenden Auslegung.

Die Rechtsprechung hat sich zwar erst spät dafür ausgesprochen, daß § 16 EStG die Veräußerung oder die Überführung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen voraussetzt. Sie läßt indessen nicht erkennen, daß sie sich in die Richtung der Auffassung des FG hätte entwickeln können. Soweit der Reichsfinanzhof (RFH) in dem Urteil vom 9. Dezember 1931 VI A 2239/30 (RStBl 1932, 625; ähnlich Becker, Einkommensteuergesetz 1925, § 30 Anm. 11 a) eine Betriebsaufgabe nur annehmen wollte, wenn die einzelnen Gegenstände "zur Hauptsache" veräußert und verhältnismäßig geringfügige Reste mit den gemeinen Werten in das Privatvermögen überführt wurden, ergibt sich nichts dafür, daß die "geringfügigen Reste" anhand der stillen Reserven bestimmt werden sollten. Im Gegenteil: Das Urteil verstand unter der Hauptsache des Betriebs dessen "wesentliche Grundlagen". Der neuartige Begriff der "wesentlichen Grundlagen" wurde beispielhaft dahin erläutert, daß es sich um die wichtigen Betriebsgegenstände handeln müsse (z. B. das Hotelgrundstück eines Hotelbetriebs).

Der BFH hat die Formulierung, die Wirtschaftsgüter müßten "wenigstens in der Hauptsache veräußert werden", nochmals aufgegriffen (BFH-Urteil vom 6. Februar 1962 I 197/61 S, BFHE 74, 506, 510, BStBl III 1962, 190). Diese Äußerung kann jedoch entgegen der Auffassung des FG nicht so verstanden werden, als habe der BFH auf die Aufdeckung der stillen Reserven "in der Hauptsache" abstellen wollen. Dagegen sprechen die vorangehenden Ausführungen des Urteils, nach denen eine unentgeltliche Betriebsübertragung davon abhängig sein soll, daß die wesentlichen Grundlagen des Betriebs, besonders die Betriebsorganisation, die Kundschaft und die sonstigen immateriellen Werte, übergehen (BFHE 74, 506, 508, BStBl III 1962, 190). Spätestens seit dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73 (BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168, unter C. II. 2. a) steht fest, daß bei der Betriebsaufgabe entscheidend auf die wesentlichen Grundlagen des Betriebs abzustellen ist.

3. Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aufzuheben. Unter Abweisung der Klage ist der angegriffene Steuerbescheid wiederherzustellen.

Unerheblich ist, ob der 1977 geleistete Einpolderungszuschuß bilanzrechtlich zutreffend behandelt worden ist. Wäre der Zuschuß, wie von der Klägerin begehrt, bereits 1977 in vollem Umfang abzuschreiben gewesen, würde sich zwar der Verlustabzug aus 1977 um den Zuschußbetrag abzüglich der 1977 in Anspruch genommenen Abschreibung erhöhen. Andererseits würde sich der Verlustabzug aus 1978 um die für dieses Jahr in Anspruch genommene Abschreibung mindern, und schließlich käme bei der Bemessung des Liquidationsgewinns des Streitjahrs die bisher gewährte Restbuchwertabschreibung in Wegfall. Rechnerisch würde es bei dem Ergebnis des FA bleiben.

4. Die Anschlußrevision der Klägerin ist unbegründet. Die Erhöhung des Entnahmewerts des Grundstücks durch das FG entfällt schon deswegen, weil den Steuergerichten eine Verböserung der Steuerfestsetzung versagt ist; das FG hat den Entnahmewert nur deswegen erhöhen dürfen, weil es meinte, saldieren zu müssen.