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  BFH-Urteil vom 4.12.1992 (VI R 11/92) BStBl. 1993 II S. 722

1. Ein Urteil ist auch dann mit Gründen versehen, wenn sich das FG zur Begründung auf ein anderes Urteil bezieht, von dem es den Prozeßbeteiligten vor der Urteilsverkündung einen neutralisierten Entscheidungsabdruck ausgehändigt hat. Nicht erforderlich ist, daß das in Bezug genommene Urteil zwischen denselben Beteiligten ergangen ist.

2. Wird ein ausländischer Arbeitnehmer für eine von vornherein bestimmte Zeit in das Inland versetzt, so sind Hin- und Rückumzugskosten durch die Erzielung inländischer Einkünfte veranlaßt und als Werbungskosten anzuerkennen.

3. Die sonstigen Umzugsauslagen dürfen bis zur Höhe derjenigen Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt werden, die ein vergleichbarer Bundesbeamter nach der AUV ersetzt verlangen kann. Zieht ein Ausländer aus dem Inland in seine Heimat zurück, sind die Pauschbeträge jedoch entsprechend § 11 AUV um 20 % zu kürzen.

FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 119 Nr. 6; EStG § 3 c, § 9 Abs. 1 Satz 1; AUV § 10, § 11.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1992, 184)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist japanischer Staatsbürger. Er wurde von seinem Arbeitgeber für fünf Jahre befristet an ein Tochterunternehmen in Deutschland entsandt, von dem er auch sein Gehalt bezog. Im Streitjahr führte der Kläger seinen Rückumzug nach Japan durch. Von den Umzugskosten trug der Arbeitgeber die Kosten für den Transport des Umzugsguts sowie für den Rückflug des Klägers und seiner Familie. Für die nicht erstatteten sonstigen Umzugsauslagen machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung gemäß § 10 der Auslands-Umzugskostenverordnung (AUV) pauschal 3.150 DM (1.500 DM + 1.050 DM + 2.300 DM) geltend, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht zum Abzug zuließ. Das FA war der Auffassung, die Aufwendungen für den Rückumzug seien nicht als Werbungskosten anzuerkennen, weil sie der Erzielung nichtsteuerbarer Auslandseinkünfte dienten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung verwies es auf das Urteil eines anderen Senates des FG in einer Parallelsache, das es den Beteiligten vor der Urteilsverkündung in einem Erörterungstermin in neutralisierter Fassung ausgehändigt hatte und das Gegenstand eines Erörterungstermins gewesen war.

Hiergegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Es rügt Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil sei entgegen § 105 Abs. 2 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mit Gründen versehen und verstoße außerdem gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist teilweise begründet.

1. Die Verfahrensrüge des FA hat keinen Erfolg; das FG hat sein Urteil ordnungsgemäß mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO). Hierzu reicht es aus, daß das FG zur Begründung seiner Entscheidung auf das Urteil eines anderen Senates in einer Parallelsache verwiesen hat und es die Urteilsgründe den Prozeßbeteiligten zuvor im Erörterungstermin ausgehändigt hatte. Daß das in Bezug genommene Urteil nicht zwischen denselben Beteiligten ergangen war, ist unerheblich. Sinn und Zweck der in § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO geregelten Begründungspflicht ist es, den Beteiligten die effektive Wahrnehmung des in Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör zu gewährleisten; nur wenn die unterlegene Partei die wesentlichen Entscheidungsgründe des Gerichts kennt, kann sie die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit und Richtigkeit überprüfen und sich während der Rechtsmittelfrist über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels hinlänglich Klarheit verschaffen. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn das FG auf die Gründe eines Urteils Bezug nimmt, dessen Inhalt den Beteiligten bei Beginn der Revisionsfrist weder bekannt noch zugänglich war (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Juli 1990 VII R 60/89, BFHE 162, 1, BStBl II 1990, 1071, und vom 14. Mai 1992 V R 96/90, BStBl II 1992, 1040). Als ausreichend wird es jedoch angesehen, wenn sich das FG auf ein Urteil bezieht, von dem es einen neutralisierten Entscheidungsabdruck beigefügt hat (BFH-Urteil vom 30. September 1988 III R 27/87, BFH/NV 1989, 511; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 21). Dem steht gleich, wenn das FG den Prozeßbeteiligten im Erörterungstermin einen Entscheidungsabdruck überreicht hat. Vom Zweck der Begründungspflicht, den Beteiligten eine sichere Beurteilungsgrundlage für die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu verschaffen, spielt es ebensowenig wie bei einer Veröffentlichung in einer allgemein zugänglichen Entscheidungssammlung eine Rolle, ob das Urteil zwischen denselben oder verschiedenen Parteien ergangen ist. Gegenteiliges läßt sich entgegen der Rechtsauffassung des FA auch nicht dem BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 177/87 (BFH/NV 1992, 174) entnehmen.

2. Auch materiell-rechtlich ist das FG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, daß Aufwendungen für den Rückumzug eines auf begrenzte Zeit vom Ausland in das Inland abgeordneten Ausländers als Werbungskosten anzusehen sind. Mit Urteil vom 29. April 1992 VI R 146/89 (BFHE 167, 446, BStBl II 1992, 667) hat der Senat bereits entschieden, daß Aufwendungen für einen Rückumzug aus Anlaß der Beendigung einer doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt sind. Im Streitfall kann nichts anderes gelten; hier wie dort dient der Rückumzug der Folgenbeseitigung einer berufsbedingt eingetretenen Veränderung der Wohnungssituation. Zwar sind Umzugskosten dann nicht als Werbungskosten anzuerkennen, wenn der Umzug der Erzielung steuerfreier Einnahmen dient (z. B. bei einem Umzug zwecks Auswanderung, Senatsurteil vom 20. Juli 1973 VI R 198/69, BFHE 110, 47, BStBl II 1973, 732). Im Streitfall diente der Rückumzug aber der Beseitigung beruflich bedingter Wohnsitzveränderungen, die die Erzielung einkommensteuerpflichtiger Einnahmen erst ermöglicht hatten. Daher sind auch die Aufwendungen für beide Umzüge durch die Erzielung inländischer Einkünfte veranlaßt und infolgedessen als Werbungskosten zu berücksichtigen.

3. Die Vorentscheidung ist jedoch wegen der Höhe des Werbungskostenabzugs zu beanstanden. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 6. November 1986 VI R 135/85, BFHE 148, 283, BStBl II 1987, 188), können bei einem Auslandsumzug die sonstigen Umzugsauslagen in Höhe der sich aus § 10 Abs. 1 und 2 AUV ergebenden Pauschbeträge vergleichbarer Beamter geschätzt werden (im Streitfall AUV i. d. F. vom 20. Juli 1966, BGBl I 1966, 425, geändert durch Verordnung vom 20. Mai 1986, BGBl I 1986, 745, 749). Hierbei geht der Senat davon aus, daß es sich bei den sonstigen Umzugsauslagen, die durch die Pauschale abgegolten werden, jeweils um Werbungskosten und nicht um Kosten der allgemeinen Lebensführung handelt. Demgemäß war für den verheirateten Kläger unter Berücksichtigung von 2 Kindern von einem Pauschbetrag in Höhe von 1.500 DM + 1.050 DM + 2.300 DM = 3.150 DM auszugehen. Dieser Betrag war jedoch in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 4 AUV um 20 % zu kürzen; nach dieser Vorschrift ist die Pauschale bei einem (Rück-)Umzug vom Ausland in das Inland auf 80 % zu begrenzen. Diese Regelung berücksichtigt, daß nach der Lebenserfahrung die anfallenden sonstigen Umzugskosten (vgl. § 11 AUV, z. B. Kosten für die Umschreibung eines Führerscheins, für das Suchen einer Wohnung, für die Anpassung der Elektrogeräte an ein Stromnetz mit anderer Spannung etc.) bei einem Umzug vom Inland in das Ausland höher sind als bei einem Rückumzug. Entsprechendes muß nach dem Sinn der Vorschrift für einen Ausländer gelten, der aus der Bundesrepublik Deutschland in seine Heimat zurückzieht. Die als Werbungskosten zu berücksichtigende Umzugskostenpauschale war somit von 3.150 DM um 20 % auf 2.520 DM zu kürzen. Da die Sache entscheidungsreif ist, war die Steuerschuld gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO wie aus dem Tenor ersichtlich festzusetzen.