| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 12.5.1993 (II R 37/89) BStBl. 1993 II S. 739

Der Bundesfinanzhof bleibt bei der im Urteil vom 28. Juni 1989 II R 82/86 (BFHE 157, 229, BStBl II 1989, 897) vertretenen Auffassung, daß Eheleute nach Gütertrennung auch mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung auf den Tag der Eheschließung Zugewinngemeinschaft vereinbaren können.

ErbStG 1974 § 5 Abs. 1 und 2; BGB § 1371 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1989, 581)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war seit 27. Juli 1964 verheiratet. Die Eheleute hatten durch notariell beurkundeten Vertrag vom 21. September 1964 unter Ausschluß des gesetzlichen Güterstandes Gütertrennung gemäß § 1414 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vereinbart. Am 4. März 1977 hoben sie zu notarieller Urkunde die Gütertrennung auf und vereinbarten den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dieser sollte, soweit gesetzlich zulässig, vom Tage der Eheschließung an, spätestens jedoch mit sofortiger Wirkung, gelten. Ein Verzeichnis der zu dem jeweiligen Vermögen der Ehegatten gehörenden Gegenstände wurde nicht aufgenommen. Der Ehemann der Klägerin verstarb am 6. Mai 1977; er wurde aufgrund des Testaments vom 22. März 1975 von der Klägerin und seinen fünf Kindern zu je 1/6 beerbt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte durch vorläufigen Bescheid vom 17. Dezember 1982 für den Erwerb der Klägerin durch Erbanfall nach ihrem Ehemann Erbschaftsteuer gegen die Klägerin fest; eine Zugewinnausgleichsforderung berücksichtigte das FA nicht. Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin u. a. geltend, daß der steuerpflichtige Erwerb von Todes wegen in Höhe der Zugewinnausgleichsforderung gemäß § 5 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 zu mindern sei, für deren Berechnung das auf den Tag der Eheschließung anzusetzende Anfangsvermögen maßgebend sei. Den Wert der Zugewinnausgleichsforderung errechnete die Klägerin mit .... DM und ermittelte den Abzugsbetrag gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nach dem Verhältnis des Steuerwerts des Nachlasses zu dessen Verkehrswert mit .... DM.

Durch die Einspruchsentscheidung vom 7. November 1983 setzte das FA die Erbschaftsteuer herab. Den Ansatz einer Zugewinnausgleichsforderung lehnte das FA ab. Im Zeitraum zwischen dem Abschluß des Ehevertrages vom 4. März 1977 und der Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod des Ehemannes am 6. Mai 1977 sei, so führte das FA aus, kein ausgleichsfähiger Zugewinn des Ehemannes entstanden. Der von der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Eheschließung errechnete Zugewinn sei nicht zu berücksichtigen. Auch wenn eine rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft zivilrechtlich möglich sei, könne sie jedenfalls steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Das Steuerrecht gestatte es nicht, die tatsächliche Gestaltung eines bereits verwirklichten Sachverhalts rückwirkend zu ändern. Bürgerlich-rechtliche Gestaltungen, die nicht vorgelegen haben, könnten steuerrechtlich nicht berücksichtigt werden; was früher tatsächlich nicht vollzogen worden sei, könne durch Parteivereinbarungen steuerrechtlich nicht unterstellt werden.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Erbschaftsteuer entsprechend der von der Klägerin errechneten Zugewinnausgleichsforderung herab. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 581 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Er wendet sich gegen die - auch vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 28. Juni 1989 II R 82/86 (BFHE 157, 229, BStBl II 1989, 897) vertretene - Auffassung, daß Eheleute nach Gütertrennung mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung rückwirkend ab dem Tag der Eheschließung Zugewinngemeinschaft mit der Folge vereinbaren könnten, daß die Höhe des nach § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 als Zugewinnausgleich steuerfreien Betrages nach den Zugewinnen des Zeitraums zu ermitteln sei, der sich infolge der rückwirkenden Vereinbarung des Güterstandes als Berechnungszeitraum ergebe. Dies sei jedoch dem Gesetz nicht zwingend zu entnehmen. Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 entspreche vielmehr alleine die Auslegung, daß als steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung im Sinn dieser Vorschrift der Betrag maßgebend sei, der sich unter Zugrundelegung der tatsächlichen Dauer der Zugewinngemeinschaft ergebe.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet; die Vorentscheidung beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 126 Abs. 2, § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Zutreffend hat das FG entschieden, daß das der Klägerin von ihrem Ehemann von Todes wegen zugewendete Vermögen in Höhe des gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 errechneten Betrages nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 nicht als Erwerb von Todes wegen i. S. des § 3 ErbStG 1974 gilt. Denn die Klägerin hätte, worauf § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 abstellt, einen entsprechenden Betrag als Ausgleichsforderung gemäß § 1371 Abs. 2 BGB geltend machen können, weil sie und ihr Ehemann durch den Ehevertrag vom 4. März 1977 in zivilrechtlich zulässiger Weise mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Eheschließung den Güterstand der Gütertrennung aufgehoben und den der Zugewinngemeinschaft mit der Folge vereinbart haben, daß sich der jeweilige Zugewinn der Ehegatten nach ihren Anfangsvermögen zu diesem Zeitpunkt gerichtet hätte. Dies entspricht der Auffassung des erkennenden Senats im Urteil in BFHE 157, 229, BStBl II 1989, 897, bei der der Senat auch nach erneuter Überprüfung bleibt.

2. Die Ausführungen des FA und des dem Verfahren beigetretenen BMF geben zu folgenden Ergänzungen der dem Urteil in BFHE 157, 229, BStBl II 1989, 897 zugrunde liegenden Begründung Anlaß.

a) Der Senat hält die Ansicht nicht für begründet, daß nach der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 (nur) der Zugewinn auszugleichen sei, den die Eheleute während der "tatsächlichen Dauer der Zugewinngemeinschaft", nämlich ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages, erzielt haben. Für die dieser Beurteilung zugrundeliegende Auffassung, daß erbschaftsteuerrechtlich nur der dem tatsächlichen Ablauf entsprechende, durch keinerlei Vereinbarung beeinflußte Anspruch als Ausgleichsforderung zugrunde zu legen sei, ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 enthält weder in seinem Tatbestands- noch in seinem Rechtsfolgeteil eine derartige Einschränkung. Er setzt lediglich voraus, daß im Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten der Güterstand der Zugewinngemeinschaft bestanden hat ohne darauf abzustellen, wann der Güterstand eingetreten ist oder wann er vereinbart worden ist. Auch aus der Verweisung auf § 1363 BGB ergibt sich nichts anderes.

Zwar ist für die Ermittlung des Anfangsvermögens der Eintritt des Güterstandes entscheidend (§ 1374 Abs. 1 BGB). Der für den Eintritt des Güterstandes maßgebende Zeitpunkt ist im BGB jedoch nicht festgelegt; insbesondere stellt das BGB nicht auf das Abschlußdatum des Ehevertrages und damit für die Ermittlung des Zugewinns auf die "tatsächliche Dauer der Zugewinngemeinschaft" ab. Aus § 1363 Abs. 1 BGB kann lediglich entnommen werden, daß der Güterstand der Zugewinngemeinschaft - mangels Parteivereinbarung - regelmäßig mit der Eheschließung eintritt. Durch Ehevertrag kann jedoch ein anderer Zeitpunkt für die Bestimmung des für den Umfang der Zugewinnausgleichsforderung maßgebenden Anfangsvermögens gesetzt werden. Dieser ist auch für das Erbschaftsteuerrecht zu übernehmen, denn § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 stellt lediglich auf die zivilrechtlichen Vorschriften über den Zugewinn und seine Ermittlung ab, denn es wird der Betrag als Abzugsbetrag fingiert, den der überlebende Ehegatte nach § 1371 Abs. 2 BGB als zivilrechtliche Ausgleichsforderung geltend machen könnte. Das ist, wie der Senat im Urteil in BFHE 157, 229, BStBl II 1989, 897 bereits deutlich gemacht hat, nach der weiteren Verweisung in § 1371 Abs. 2 BGB der nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB zu bestimmende Betrag.

b) Das Argument, die Ehegatten könnten danach - im Rahmen der genannten zivilrechtlichen Vorschriften - den Umfang der Befreiung von der Erbschaftsteuer selbst bestimmen, spricht nicht gegen diese Auslegung, denn diese Möglichkeit ist in der Verweisung des § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 auf das - insoweit dispositive - Zivilrecht angelegt. Wenn damit gegenüber der bis zur Neuregelung durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 (BGBl I, 933, BStBl I, 216) geltenden Regelung des § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 im Einzelfall eine Erweiterung der Vergünstigung bewirkt wird, so entspricht dies dem Ziel der Steuerreform nach größerer Steuergerechtigkeit, denn die Vergünstigung des § 6 Abs. 1 und des § 6 Abs. 2 ErbStG 1959 sollten einander angeglichen werden (BTDrucks VI/3418, 63; Kruse, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1993, 3). Dies wird insbesondere daran deutlich, daß es für die in § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 erfaßte erbrechtliche Lösung des § 1371 Abs. 1 BGB nicht darauf ankam, ob die Ehegatten einen Zugewinn erzielt hatten.

Berücksichtigt man, daß § 5 Abs. 2 ErbStG 1974 den Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1959 unverändert weiterführt, so bestätigt dies die bereits im Urteil in BFHE 157, 229, BStBl II 1989, 879 vom Senat vertretene Auffassung, daß die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 anzusetzende Ausgleichsforderung nach keinen anderen Regeln bestimmt werden und keinen geringeren Umfang haben kann als die nach § 5 Abs. 2 zu berücksichtigende - tatsächlich zustehende - Ausgleichsforderung.

c) Die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 führt auch nicht zu einer der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung widersprechenden - unzulässigen - Rückbeziehung, weil, wie das FA meint, "durch die Rückwirkung der Güterstandsvereinbarung die bereits verwirklichte Berechnungsgrundlage des Zugewinnausgleichsanspruchs beeinflußt" werde.

Das FA verkennt, daß durch die Vereinbarung vom 4. März 1977 nicht der vormals bestehende Güterstand der Gütertrennung zu Gunsten des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft rückwirkend beseitigt wurde; vielmehr ist lediglich güterrechtlich verbindlich durch den Ehevertrag (Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft) zivilrechtlich zulässig eine anderweitige Festlegung des Anfangsvermögens erfolgt. Es gab somit niemals ein anderes Anfangsvermögen als das im Vertrag vom 4. März 1977 vereinbarte und damit auch - wie das FA meint - keine "bereits verwirklichte Bemessungsgrundlage", denn die über § 1371 Abs. 2, §§ 1373, 1374 Abs. 1, § 1378 Abs. 1 BGB für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung maßgebende Bewertung des Anfangsvermögens als Berechnungsgrundlage für die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung (§§ 1373, 1378 BGB) hängt von dem Zeitpunkt ab, auf den der von den Ehegatten zu bestimmende Eintritt des Güterstandes erfolgt. Mit der anderweitigen Bestimmung des Anfangsvermögens durch die Vereinbarung, daß maßgebend hierfür ein vor dem Eintritt des Güterstandes liegender Zeitpunkt sein soll, wird solcherart nicht ein bereits verwirklichter Lebenssachverhalt beiseite geschoben, sondern der steuerrechtlich maßgebende Lebenssachverhalt - Anfangsvermögen im Zeitpunkt des Eintritts des Güterstandes - erst gestaltet. Ein, wie das FA meint, der steuerrechtlich nicht anzuerkennenden Rückdatierung von Verträgen vergleichbarer Sachverhalt liegt hierin nicht, weil das ErbStG nur auf die güterrechtliche Vereinbarung der Ehegatten abstellt.

d) Der Anerkennung der Vereinbarung steht im Streitfall auch nicht die im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages nur noch geringe Lebenserwartung des Ehemannes der Klägerin entgegen, denn der Zugewinnausgleichsanspruch der Klägerin ist (erst) mit der Beendigung des Güterstandes entstanden und war (erst) von diesem Zeitpunkt an vererblich und übertragbar (§ 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB). Im übrigen sieht der erkennende Senat keinen Anhaltspunkt dafür, die steuerrechtliche Anerkennung der güterrechtlichen Vereinbarung davon abhängig zu machen, daß bestimmte Zeitabstände von der Beendigung des Güterstandes eingehalten werden, denn es steht den Eheleuten grundsätzlich frei, jederzeit ihre güterrechtlichen Verhältnisse zu ändern.

e) Auf die vom BMF aufgeworfene Frage, ob durch die Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft eine Schenkung auf den Todesfall ausgelöst worden sein könnte, braucht der Senat nicht einzugehen. Eine Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974; vgl. hierzu BFH-Urteil vom 5. Dezember 1990 II R 109/86, BFHE 163, 223, BStBl II 1991, 181) käme im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil ein Vermögensübergang auf die Klägerin lediglich aufgrund Testaments erfolgt ist und vom FA - auf diesen Lebenssachverhalt beschränkt - der Erbschaftsteuer unterworfen worden ist.