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  BFH-Urteil vom 28.4.1993 (I R 19/90) BStBl. 1993 II S. 762

Wird innerhalb einer schon vorher bestehenden GmbH & Co. KG ein Komplementäranteil (teilweise) in einen Kommanditanteil umgewandelt, so kann der Ersterwerb des Kommanditanteils dann nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, wenn und soweit die dem Kommanditanteil zugrunde liegenden Einlagen bereits früher der Gesellschaftsteuer unterworfen waren.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1; Richtlinie 69/335/EWG Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. An ihr waren seit dem 1. März 1971 die V-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und V als Kommanditist beteiligt. Am 15. August 1973 trat die V-KG als weitere Kommanditistin in die Klägerin ein. Am 14. September 1976 wurde der Kommanditanteil des V in die Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters umgewandelt. Damals betrug die Festeinlage der V-GmbH 50.000 DM, die Festeinlage des V 2,8 Mio. DM und die Kommanditeinlage der V-KG 7 Mio. DM. Soweit mit diesen Vorgängen ein Ersterwerb von Gesellschaftsrechten i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 5 Abs. 2 Nr. 3 und 6 Abs. 1 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 verbunden war, wurde die Klägerin bestandskräftig zur Gesellschaftsteuer veranlagt.

Am 4. Juli 1983 übertrug die V-KG mit Wirkung zum 1. Juli 1983 in einem privatschriftlichen Kauf- und Übertragungsvertrag ihre Beteiligung an der Klägerin in Höhe von nominal 6,3 Mio. DM auf V und in Höhe von nominal 700.000 DM auf den als Kommanditisten neu in die Klägerin eingetretenen S. Am 8./11. Juli 1983 übertrug V in einem privatschriftlichen Schenkungs- und Übertragungsvertrag schenkweise mit Wirkung zum 30. Juni/1. Juli 1983 von seiner nunmehr nominal 9,1 Mio. DM betragenden Beteiligung an der Klägerin einen Teilbetrag von nominal 819.000 DM auf seine Ehefrau und Teilbeträge von nominal je 728.000 DM auf seine fünf Kinder. Die Ehefrau und die Kinder des V sollten Kommanditisten der Klägerin werden. Am 22. Dezember 1983 meldete die Klägerin zum Handelsregister an, daß die V-KG aus der Klägerin ausgeschieden sei und ihre Kommanditeinlage in Teilbeträgen auf V und seine Angehörigen übertragen habe.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Anteilsübertragung als Ersterwerb von Gesellschaftsrechten i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 5 Abs. 2 Nr. 3 und 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972. Durch Bescheid vom 7. November 1984 setzte es die Gesellschaftsteuer auf 57.329 DM fest. Dabei schätzte es den Wert der erworbenen Gesellschaftsrechte auf 128,57 v. H. von 4.459.000 DM = 5.732.936 DM.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es hob den angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheid auf.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 8 Satz 1 Nr. 1 KVStG 1972.

Das FA beantragt, das Urteil des Hessischen FG vom 29. November 1989 5 K 6/85 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat durch Beschluß vom 31. Juli 1991 (BFHE 165, 296, BStBl II 1992, 95) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 4 der Richtlinie 69/335/EWG den Mitgliedstaaten erlaubt, die Umwandlung des Teils eines Komplementäranteils in einen Kommanditanteil innerhalb einer schon vorher bestehenden GmbH & Co. KG der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen. Durch Urteil vom 18. März 1993 Rs C-280/91 hat der Gerichtshof über die vorgelegte Rechtsfrage wie folgt entschieden:

"Die Übertragung eines Teils der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, der unbeschränkt für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft haftet, auf einen Gesellschafter, dessen Haftung in dieser Gesellschaft beschränkt ist, kann nicht der Gesellschaftsteuer nach Artikel 4 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital unterworfen werden. Dieser Vorgang kann auch nicht nach Artikel 6 dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten, die die von einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter geleisteten Einlagen befreit haben, besteuert werden, wenn die übertragenen Anteile bereits bei ihrer Schaffung der Gesellschaftsteuer unterworfen wurden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer Kapitalgesellschaft und was unter Gesellschaftsrechten i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 zu verstehen ist. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972 gilt auch eine KG, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, als inländische Kapitalgesellschaft, wenn eine GmbH zu den persönlich haftenden Gesellschaftern zählt. In einem solchen Fall gelten (nur) die Kommanditanteile als Gesellschaftsrechte (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972).

Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend sinngemäß festgestellt, daß die Klägerin eine GmbH & Co. KG mit dem Ort der Geschäftsleitung im Inland war. An der Klägerin war die V-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt. Damit war die Klägerin Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972. Die an ihr bestehenden Kommanditanteile waren Gesellschaftsrechte i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972.

2. Durch den privatschriftlichen Schenkungs- und Übertragungsvertrag vom 8./11. Juli 1983 übertrug V von seiner Beteiligung an der Klägerin in Höhe von damals nominal 9,1 Mio. DM nominale Teilbeträge von 819.000 DM auf seine Ehefrau und von je 728.000 DM auf seine fünf Kinder. Gleichzeitig wurden die Ehefrau und die Kinder Kommanditisten der Klägerin. Das FG hat den Schenkungs- und Übertragungsvertrag in tatsächlicher Hinsicht dahin ausgelegt, daß die Ehefrau und die Kinder ihre Beteiligungen an der Klägerin von V und nicht von der V-KG erwarben. Da diese Auslegung durch den Inhalt der abgeschlossenen Verträge gedeckt ist, war sie möglich. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Da die Klägerin gegen die Auslegung auch keine zulässigen und begründeten Gegenrügen erhoben hat, ist der erkennende Senat an sie gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß ein (hier unterstellter) treuhänderischer Erwerb der Kommanditanteile der V-KG durch V für dessen Ehefrau und Kinder nicht gleichbedeutend mit dem Erwerb von Gesellschaftsrechten durch die Ehefrau und die Kinder des V sein kann. Gesellschaftsrechtlich gesehen wird nur der Treuhänder Gesellschafter. Selbst wenn er die Gesellschaftsrechte nur treuhänderisch hält, so kann dieser Umstand nur Bindungen im Verhältnis zum Treugeber auslösen. Er bewirkt jedoch nicht, daß der Treugeber im gesellschaftsrechtlichen Sinne Gesellschafter wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Oktober 1991 I R 115/87, BFHE 165, 552, BStBl II 1992, 199).

3. Das FG ist jedoch zu Unrecht von einem "Erst"erwerb der Kommanditanteile (Gesellschaftsrechte) durch die Ehefrau und die Kinder des V ausgegangen. Zwar entstanden die Kommanditanteile erst in der Person der Ehefrau und der Kinder des V. Sie bestanden als Gesellschaftsrechte i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 vorher nicht. Dies beruht darauf, daß die Ehefrau und die Kinder des V ihre vermögensmäßigen Beteiligungen von V erwarben. V war jedoch am 8./11. Juli 1983 persönlich haftender Gesellschafter der Klägerin. Seine vermögensmäßige Beteiligung verkörperte deshalb kein Gesellschaftsrecht i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972. Im Sinne der Vorschrift entstand ein solches erst dadurch, daß die von der Ehefrau und den Kindern erworbenen Beteiligungen in Kommanditanteile umgewandelt wurden. Diese Umwandlung vollzog sich erst in der Person der Ehefrau und der Kinder.

Zu berücksichtigen ist aber, daß der weit gefaßte § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 durch Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 69/335/EWG nicht voll gedeckt ist. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie setzt die Umwandlung einer Nichtkapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft voraus. Demgegenüber war die Klägerin schon vor dem 8./11. Juli 1983 Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972. Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie setzt die Erhöhung des Kapitals durch Einlagen voraus. Daran fehlt es, wenn ein Gesellschafter seinen Anteil auf einen anderen überträgt. Deshalb hat der Senat durch Beschluß vom 31. Juli 1991 dem EuGH die im Tatbestand näher bezeichnete Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nach dem Urteil des EuGH vom 18. März 1993 Rs C-280/91, an das der erkennende Senat bezüglich der Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG gebunden ist, ist ein Ersterwerb von Gesellschaftsrechten zu verneinen, wenn der von einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter übertragene Anteil bereits bei seiner Schaffung der Gesellschaftsteuer unterworfen war. Diese Betrachtungsweise zwingt dazu, nicht auf die "erstmalige" Entstehung der Kommanditanteile in der Person der Ehefrau und der Kinder des V, sondern darauf abzustellen, ob vermögensmäßige Identität zwischen den "neu entstandenen" und den bereits früher der Gesellschaftsteuer unterworfenen Kommanditanteilen besteht. Eine entsprechende Identität ist aber auf der Grundlage der den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) zu bejahen, weil V unmittelbar vor der Anteilsübertragung vom 8./11. Juli 1983 nominal mit 9,1 Mio. DM an der Klägerin beteiligt war und der Ersterwerb dieser Anteile durch Bescheid vom 5. Februar 1974 der Gesellschaftsteuer unterworfen wurde. Von seinem Anteil in Höhe von 9,1 Mio. DM übertrug V Teilbeträge am 8./11. Juli 1983 auf seine Ehefrau und seine Kinder. Im Sinne des Urteils des EuGH vom 18. März 1993 Rs C-280/91 erwarben diese deshalb die Anteile nicht mehr als Ersterwerber.