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  BFH-Urteil vom 25.6.1993 (III R 11/88) BStBl. 1993 II S. 769

1. Regionalzulagen nach § 1 InvZulG sind zu versagen oder zurückzufordern, wenn Wirtschaftsgüter vor Ablauf der Verbleibfristen aufgrund einer entgeltlichen Betriebsveräußerung (im Wege von Einzelübertragungen) aus einer GmbH in eine KG überführt werden, auch wenn der Alleingesellschafter der GmbH als Kommanditist an der KG beteiligt ist.

2. Die von der Finanzverwaltung in Tz. 101 und 104 des BMF-Schreibens in BStBl I 1977, 246 (jetzt Tz. 44 und 45 des BMF-Schreibens in BStBl I 1987, 51) zugelassenen Ausnahmen von den persönlichen Bindungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 InvZulG sind nicht erweiterungsfähig.

InvZulG § 1 Abs. 3; UmwG; UmwStG 1977.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb bis Ende des Jahres 1982 ein Unternehmen, das sich mit der Bearbeitung von .... beschäftigte. Seit April 1983 ist das Unternehmen in Liquidation. Alleingesellschafter und Geschäftsführer war der jetzige Liquidator A.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte der Klägerin für die Streitjahre (1980 und 1981) Regionalzulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) für Aufwendungen zur Erweiterung ihrer in einem förderungsbedürftigen Gebiet gelegenen Betriebsstätte (unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Bescheide). Das Vorhaben war vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft als förderungswürdig anerkannt worden.

Mit Verträgen vom 30. und 31. Dezember 1982 veräußerte die Klägerin sämtliche Wirtschaftsgüter ihres Betriebs an die Firma B GmbH & Co. KG (KG). Komplementärin der KG war zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse die Firma B Beteiligungsgesellschaft mbH; Kommanditisten waren A zu 95 v. H. und C zu 5 v. H. Aufgrund eines am 18. April 1983 geschlossenen Vertrages betrug die Kommanditbeteiligung von A an der KG mit Wirkung vom 1. Januar 1983 nur noch 32 v. H.

Die an die KG veräußerten Wirtschaftsgüter wurden wie bisher in der gleichen Betriebsstätte genutzt.

Mit Bescheiden vom 13. Dezember 1984 hob das FA die Investitionszulagenbescheide für die Streitjahre gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf und unterwarf die Rückzahlungsbeträge der gesetzlichen Verzinsung. Zur Begründung gab es an, die begünstigten Wirtschaftsgüter seien infolge des Verkaufs der gesamten Betriebsstätte nicht drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung im Betriebsvermögen der Klägerin verblieben (§ 1 Abs. 3 InvZulG). Der Anspruch sei daher für die Vergangenheit erloschen (§ 5 Abs. 6 InvZulG).

Im Klageverfahren trug die Klägerin u. a. vor: Bis kurz vor Ende des Jahres 1982 hätten zur B-Firmengruppe neben ihr, der Klägerin, und der KG auch noch die Firmen D GmbH & Co. KG sowie E GmbH & Co. KG gehört. Alle Firmen hätten zu einer Einheit zusammengefaßt werden sollen. Dies habe nach dem "Muster" des Umwandlungs- bzw. Umwandlungssteuergesetzes geschehen sollen. Dementsprechend sei für die Firma D GmbH & Co. KG und die Firma E GmbH & Co. KG eine Einbringung nach § 24 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) 1977 vorgenommen worden. Dieses relativ einfache Verfahren habe jedoch hinsichtlich der Klägerin nicht praktiziert werden können, da § 1 Abs. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) eine unmittelbare Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG ausschließe. Um den beabsichtigten Zweck dennoch zu erreichen, sei daher der gesamte Gewerbebetrieb der Klägerin durch Kaufvertrag auf die KG übertragen worden. Im übrigen habe die Umstrukturierung der Firmengruppe zu einer einheitlichen Firma die streitbefangenen Investitionen nicht beeinträchtigt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Es führte im wesentlichen aus: Gehe man vom Gesetzeswortlaut und der bisherigen Rechtsprechung (zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juni 1987 III R 135/83, BFH/NV 1987, 740) aus, so müßten die Zulagen zurückgefordert werden. Denn wegen der Veräußerung des Betriebs durch die Klägerin an die KG seien die Wirtschaftsgüter nicht drei Jahre lang in der Betriebsstätte des Investors verblieben (Änderung in der Inhaberschaft bei personenbezogenen Investitionszulagen).

Bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Streitfalles sei der vorliegende Veräußerungsvorgang jedoch ausnahmsweise nicht als ein zulagenschädlicher Verstoß gegen die gesetzliche Verbleibregelung anzusehen. Dies ergebe sich aus folgenden Überlegungen:

Zum einen beurteile die Finanzverwaltung in Sonderfällen die Übertragung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern selbst als nicht zulageschädlich. Den insoweit in Tz. 101 und 104 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 1977 (BStBl I 1977, 246) genannten Fallgruppen sei gemeinsam, daß es sich um Abweichungen vom gesetzlichen Merkmal der "Personenbezogenheit" handele. Die personenbezogenen Bindungsvoraussetzungen seien für Fälle der Betriebsaufspaltung im BMF-Schreiben vom 10. Dezember 1985 (BStBl I 1985, 683) noch weiter gelockert worden. Die Verwaltungsanweisungen orientierten sich am Zweck des § 1 InvZulG, nämlich durch die Gewährung von Investitionszulage Anreize für die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen zu geben.

Bei den in Tz. 101 des BMF-Schreibens in BStBl I 1977, 246 genannten Fällen wie etwa der Gesamtrechtsnachfolge aufgrund Umwandlung werde dieser Zweck durch einen Wechsel der Betriebsinhaberschaft nicht gefährdet. Angesichts dieses Umstandes wäre eine wortgetreue Anwendung des § 1 Abs. 3 InvZulG in bezug auf die Personenbezogenheit des Betriebsinhabers überspitzt und den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht angemessen.

Wenngleich im Streitfall keine Umwandlung im Sinne des UmwG erfolgt sei, stehe die Übertragung des gesamten Betriebsvermögens von der Klägerin auf die KG zumindest wirtschaftlich einem Umwandlungsfall gleich. Es mangele lediglich am Merkmal der Gesamtrechtsnachfolge. Im übrigen sei der Betrieb der Klägerin nach der Veräußerung an die KG von dieser in äußerlich unveränderter Form weitergeführt worden.

Der Umstand, daß A ab dem Wirksamwerden der Veräußerung (1. Januar 1983) nur noch zu 32 v. H. an der KG beteiligt war, sei nicht ausschlaggebend. Auch in Fällen einer echten Umwandlung werde die Fortdauer der Personenbezogenheit nicht vom Umfang der Beteiligung abhängig gemacht, die die hinter dem umgewandelten Unternehmen stehende Person an dem aufnehmenden Unternehmen erwirbt. A habe aufgrund seiner Beteiligung an der KG noch hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten auf deren Betriebsführung gehabt.

Könne aber der bisherige Investor trotz der formalen Änderung des Rechtsträgers weiterhin Einfluß auf den Einsatz der begünstigten Wirtschaftsgüter nehmen, dann sei das Merkmal der Personenbezogenheit begünstigter Investitionen jedenfalls dann weit auszulegen, wenn - wie im Streitfall - die betreffenden Wirtschaftsgüter die Betriebsstätte nicht verließen.

Dagegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht dabei insbesondere geltend, daß der Streitfall nicht mit den in Tz. 101 des BMF-Schreibens in BStBl I 1977, 246 genannten Fällen vergleichbar sei.

Das FA führt dazu u. a. aus: Allen Fällen des UmwStG sei gemeinsam, daß es sich um Fälle der Gesamtrechtsnachfolge handele. Im Streitfall lägen diese Voraussetzungen aber nicht vor. Die Übertragung der Klägerin sei in zwei Teilschritten (Übertragung des Grundbesitzes und später der übrigen Wirtschaftsgüter) erfolgt. Weiter sei die Klägerin in die übernehmende KG nicht als Komplementärin eingebracht worden. Schließlich habe A seinen Einfluß in der KG nicht entsprechend den übertragenen Wirtschaftsgütern behalten.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung sowie in einem nachgereichten Schriftsatz vom 29. Juni 1993 insbesondere darauf hingewiesen, daß A am 31. Dezember 1982 auch sämtliche, von ihm gehaltenen Anteile an ihr an die KG veräußert habe.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Klägerin die Verbleibvoraussetzungen in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 InvZulG in der für die Streitjahre geltenden Fassung erfüllt habe bzw. daß im Streitfall eine Ausnahme von diesen Voraussetzungen zuzulassen sei.

1. Nach den genannten Vorschriften ist Regionalzulage nur zu gewähren, wenn bewegliche Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung "in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleiben" und Gebäude mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung "vom Steuerpflichtigen ausschließlich zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden". Da die Klägerin die betreffenden Wirtschaftsgüter unzweifelhaft vor Ablauf dieser Fristen an die KG veräußerte, sind die beantragten Zulagen dem Gesetzeswortlaut nach nicht zu gewähren.

2. Von diesen Verbleibregelungen sind allerdings Ausnahmen zu machen. Nach Tz. 101 des BMF-Schreibens in BStBl I 1977, 246 (vgl. jetzt Tz. 44 des BMF-Schreibens vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, 51) soll es unschädlich sein, wenn Wirtschaftsgüter innerhalb des Dreijahreszeitraums im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbfall, Vermögensübergang i. S. des UmwG oder des UmwStG 1977), einer Einbringung i. S. des Sechsten und Siebenten Teils des UmwStG 1977 oder im Rahmen einer unentgeltlichen Übertragung der Betriebsstätte auf einen anderen übergehen. Gleiches gilt nach Tz. 104 und Tz. 45 der genannten BMF-Schreiben für die Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern in bestimmten Fällen der Betriebsaufspaltung. Der erkennende Senat hat zu diesen Ausnahmen von der Verbleibregelung bereits früher die Auffassung vertreten, daß sie "sachgerecht sein dürften" (s. Urteil vom 20. Mai 1988 III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739); er hat sich dabei auf das Urteil des VIII. Senats des BFH vom 10. April 1984 VIII R 218/79 (BFHE 141, 395, BStBl II 1984, 734), zu § 3 Abs. 1 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) bezogen.

Jedoch kann sich die Klägerin auf diese Verwaltungsanordnungen und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht berufen.

a) Die im Streitfall gewählte Einzelübertragung der Wirtschaftsgüter fällt unter keine der Fallgruppen, die in den hier maßgebenden Tzn. 101 und 104 des BMF-Schreibens in BStBl I 1977, 246 ausdrücklich genannt sind.

So liegt insbesondere ein Vermögensübergang i. S. des UmwG und/oder des UmwStG 1977 unstreitig nicht vor. Eine unmittelbare Umwandlung der Klägerin scheiterte, worauf diese selbst hingewiesen hat, an § 1 Abs. 2 Satz 1 UmwG.

Es handelt sich auch nicht um eine Einbringung im Sinne des Siebenten Teils des UmwStG 1977 (§ 24 UmwStG 1977). Dies folgt schon daraus - worauf auch das FA in seiner Revisionsbegründung hingewiesen hat -, daß die Klägerin nicht Mitunternehmerin der KG geworden ist (s. hierzu auch Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG 1977 Tz. 7810).

b) Eine ausdehnende Auslegung der Tzn. 101 und 104 des BMF-Schreibens in BStBl I 1977, 246 - über die dort genannten Fallgruppen hinaus - hält der Senat nicht für geboten und zulässig.

aa) Zwar hat der Senat in dem die Klägerin betreffenden Verfahren der Aussetzung der Vollziehung dies noch für möglich gehalten (s. Beschluß vom 24. April 1986 III B 55/85, BFHE 146, 329, BStBl II 1986, 573). Doch hat er den Gedanken, weitere Ausnahmen von der sog. persönlichen Bindungsvoraussetzung zuzulassen, wenn der Investor trotz formaler Änderung des Rechtsträgers weiterhin auf den Einsatz des begünstigten Wirtschaftsgutes Einfluß nehmen kann, zwischenzeitlich wieder aufgegeben (s. insbesondere das Urteil in BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739, Nr. 3 d der Entscheidungsgründe). Daran hält der Senat fest.

bb) Er hält nunmehr für ausschlaggebend, daß in allen Fällen, in denen die Finanzverwaltung im Zulagenrecht Ausnahmen von der sog. persönlichen Bindungsvoraussetzung zuläßt, die Rechtsnachfolge auf Rechtsinstituten beruht, die im Ertragsteuerrecht seit langem von der Praxis und von der Rechtsprechung anerkannt sind. Der erkennende Senat hält dieses Kriterium für sachlich gerechtfertigt. Er ist der Auffassung, daß das Investitionszulagenrecht als das wesentlich jüngere Recht nicht erschwerend in den Gebrauch von Rechtsinstituten eingreifen wollte, die im Ertragsteuerrecht bereits seit langem allgemein anerkannt sind. So könnte es z. B. nicht hingenommen werden, daß eine wirtschaftlich gebotene Umwandlung oder unentgeltliche Betriebsübertragung (etwa im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) zeitlich zurückgestellt werden müßte, um die zulagenrechtlichen Verbleibregelungen einzuhalten.

Darüber hinaus ist allen von der Finanzverwaltung in den genannten BMF-Schreiben zugelassenen Ausnahmen gemeinsam, daß sie keine entgeltlichen Veräußerungsvorgänge betreffen. Der Senat neigt daher dazu, in Fällen, in denen - wie auch hier - personen- oder unternehmerbezogene Bindungsregelungen bestehen, einen Rechtsträgerwechsel jedenfalls auch dann als zulagenschädlich anzusehen, wenn ihm eine entgeltliche Veräußerung zugrundeliegt. In einem solchen Fall wäre der ursprüngliche Investor - sollte er die Zulage behalten dürfen - nämlich doppelt begünstigt. Zum einen hätte er die gemäß § 5 Abs. 2 InvZulG nicht steuerpflichtige und die steuerlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mindernde Investitionszulage erhalten; zum anderen bekäme er den vollen Kaufpreis für das mit der Zulage begünstigte Wirtschaftsgut.

cc) Nach alldem kann die Klägerin die ursprünglich gewährten Zulagen nicht behalten.

Die hier gewählte Art der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter (gegen Entgelt) ist nämlich auch nicht vergleichbar mit den von der Finanzverwaltung zugelassenen und vom erkennenden Senat z. T. bereits anerkannten Ausnahmen. Insbesondere liegt die von der Klägerin behauptete wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit einer Einbringung i. S. des § 24 UmwStG 1977 nicht vor.

Die Klägerin selbst wurde unstreitig nicht Mitunternehmerin der KG; es wurde vielmehr ihre Liquidation beschlossen.

Aber auch A brachte die von ihm gehaltenen Anteile an der Klägerin nicht im o. g. Sinne - gegen die Gewährung von weiteren Gesellschaftsrechten - in die KG ein.

Dem eigenen Vortrag der Klägerin zufolge wurde seine Beteiligung an der KG gerade nicht in entsprechendem Umfang erhöht. Er hatte vielmehr seine Anteile an der Klägerin (entgeltlich) veräußert und eine an deren Verkehrswert orientierte Forderung gegen die KG erworben.

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben, und die Klage der Klägerin war abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).